Nun ist es offiziell: Die deutsche Künstlerin Hito Steyerl steht in der „ArtReview Power 100“ des Jahres 2017 auf Platz eins. Von Natur aus strittig, gilt die Liste als Einladung zur Diskussion und gleichermaßen als richtungweisend. Als das wohl bekannteste Ranking der Kunstwelt bietet die „Power 100“-Liste mit den dazugehörigen Biografien der Künstler, Museumsdirektoren, Mäzen, Galeristen, Kuratoren und Sammlern eine einzigartige Momentaufnahme der aktuellen zeitgenössischen Kunstszene. ArtReviews Magazinausgabe zur „Power 100“ will darüber hinaus Einblicke in die Themen und Trends ermöglichen, die sich beim Zusammenstellen der List ergeben haben, und Fragen stellen, wo es hingehen könnte und wie die Dinge sein sollten.
Das jährliche Ranking der einflussreichsten Akteure der zeitgenössischen Kunstwelt wurde heute in Kooperation mit den BMW veröffentlicht. Die volle Liste ist einsehbar unter ArtReview.com.
Hito Steyerls Videoinstallation war ein Highlight bei den diesjährigen einmal im Jahrzehnt stattfindenden epochalen Skulptur Projekte Münster. Zusammen mit ihrem theoretischen Schreiben, performativen Vorträgen und ihrer Lehrtätigkeit hat Steyerls Werk einen kritischen internationalen Einfluss auf das Kunstgeschehen. ArtReview merkt an: „Kunst ist mächtig, oder zumindest ein Gebilde mächtiger Kräfte, die nicht immer positiv sind. Steyerl erkennt das. Die Künstlerin führt die Liste an, da sie aktiv versucht, diese Machtstrukturen zu durchbrechen.“
Die „Power 100“ basiert auf einer fundierten Analyse der Machtverhältnisse in der zeitgenössischen Kunstwelt. Jedes Jahr wird die Liste in Rücksprache mit ausgewählten Autoren, Künstlern, Kuratoren und Kritikern erstellt. Für das Ranking einer Person, oder Gruppe ist der internationale Einfluss auf die Kunstproduktion und der Beitrag in der Kunstwelt im Laufe der letzten 12 Monate ausschlaggebend.
Künstler, die sich mit radikalen politischen Ideen auseinandersetzen, stehen 2017 deutlich im Vordergrund. Auf sie folgen einflussreiche Philosophen und andere Denker, von denen zwei unter den Top Ten zu finden sind. Donna Haraway, deren Schreiben zentral für die derzeitigen Debatten über Identität, Feminismus und Ökologie ist, steht auf Platz 3. Der Philosoph und Soziologe Bruno Latour belegt den 9. Platz. Seine Theorien bilden den Grundstein zum Überdenken der Beziehung zwischen menschlichen Akteuren und nichtmenschlichen Systemen. Judith Butler (48) und Chris Kraus (77), die beide einen starken Einfluss auf die Weiterentwicklung von Themen wie Gender und Sexualität in der Kunst ausgeübt haben, sind zum ersten Mal in der Liste vertreten.
Pierre Huyghe erhält Platz 2 für ein Werk, das menschliche Auswirkungen auf die Umwelt in den Blick rückt, der Fotograf Wolfgang Tillmans, der mit künstlerischen Kampagnen für den Verbleib von Großbritannien in der EU aufrief und gegen Deutschlands rechte Partei AfD, kommt auf Platz 11. Der Künstler und Aktivist Ai Weiwei steht an 13. Stelle auf der Liste und Joan Jonas, die nächstes Jahr eine Retrospektive in der Tate Modern hat, ist Nummer 14.
Galeristen und Sammler herrschen indessen weiterhin. David Zwirner (5) ist der am höchsten platzierte Galerist, neben anderen Aktivitäten hat er museumswürdige Ausstellungen von Felix Gonzalez-Torres und Alice Neel gezeigt. Iwan und Manuela Wirth bauen ihr Modell des Sammelns als Lifestyle aus und Gavin Brown (10) erscheint zum ersten Mal unter den Top Ten. Der Sammler und Mäzen Bernard Arnault steigt auf Platz 28 auf. Seine diesjährige Ausstellung der Shchukin-Sammlung in der Fondation Louis Vuitton in Paris erreichte die höchste Besucherzahl in der französischen Geschichte. Vanessa Carlos (100) ist zum ersten Mal auf der Liste vertreten. Sie erhält Anerkennung für das internationale Galerien-Austauschprogramm Condo, das sie als eine Alternative zur Kunstmesse gegründet hat.
Bildunterschrift: ArtReview 2017 Power 100 Liste – Detail Screenshot
ART@Berlin: Deutsche Künstlerin Hito Steyerl ist Nr. 1 | ArtReview Power 100 2017