bis 10.04. | #2987ARTatBerlin | galerie weisser elefant präsentiert derzeit die Ausstellung RESCATE / ERLÖSUNG mit Arbeiten der Künstlerin Paula Carralero Bierzyñska, die sowohl in der Galerie als auch im nahe gelegenen Monbijoupark gezeigt werden. Etwa 20 Arbeiten sind an den Bäumen rund um den Hügel im Park zu sehen.
Im Augenblick der Ewigkeit
Nathanaël R. Bartholomäus
„Als Gott nämlich sprach: Es werde Licht,
da entstand das Licht der Vernunft.“Hildegard von Bingen
Die Künstlerin Paula Carralero Bierzyñska stammt, wie ihr vollständiger Name verrät, aus verschiedenen Kulturen. Sie lebt in Berlin und spricht zusätzlich mehrere andere Sprachen. Studiert hat sie von 2013 bis 2019 an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und im Abschlussjahr sogleich den Mart-Stam-Preis erhalten.
Der Begriff ‚Rescate‘ als Ausstellungstitel (engl. Rescue) hat im Spanischen die Bedeutung von Rettung, aber auch Lösegeld. Wir übertragen es als ERLÖSUNG, weil es in ihrer Arbeit tatsächlich um unsere „Abtrennung“ geht, der sie mit neuen Verbindungen zu ursprünglicher Natur begegnet, also auch einer weiter reichenden Wahrnehmung unserer Existenz.
Paula Carralero sucht nach der Verbindung zu ursprünglicher Natur, damit einer weiter reichenden Wahrnehmung unserer Existenz. Wie eine tatsächliche Offenbarung empfängt sie die Erkenntnis der Natur, entrückt und doch wahrhaftig. Sie vermittelt dies, indem sie sich eines optischen Tricks bedient: der Malerei auf transparentem Grund, bekannt als Hinterglasmalerei in sakralen Räumen.
Ihre Arbeitsgrundlagen sind verblüffend wie naheliegend zeitgemäß: Handy-Displays und Laptop-Bildschirme. In diese malt sie Motive von Bäumen und Gräsern, flüchtig wie Schatten und luftiges Wehen. Ihr Blick fängt das Licht auf und webt es zu Bildern, entlässt sie in ein freies Schweben. Die Motive ändern sich mit der Bewegung. Die glatten Oberflächen irritieren und lassen neue Ansichten aufblitzen. Man sieht förmlich, dass Wirklichkeit abgeleitet ist von wirken. Wie in einem Spiegel, der sich selbst reflektiert, öffnet sich ein Raum ohne Schatten, greift in grenzenlose Leere.
Die Materialität der Welt beruht faktisch nur darauf, dass wir ihre feinstofflichen Strukturen nicht wahrnehmen. In diesen Bildern aber scheint es, als würden die Fugen des immateriell Konkreten zwischen den Gegen/ständen sichtbar, in der Erkenntnis der Quanten-Philosophie, dass Materie im Prinzip aus dem gleichen Stoff besteht wie unsere Vorstellungen. Unsere Künstlerin sieht den Dingen dabei nicht „auf den Grund“, sondern in die energetischen Felder, die alles durchdringen und bewegen. Ihre Sinne sind dazu tief und sensibel verbunden mit allem was wächst. Schon sprichwörtlich direkt ist sie bemüht, den Durchblick zu finden und weiter zu führen, als persönliche Erfahrung im Sein selbst.
Und zugleich aktualisiert sich in dieser Arbeit kontinuierlich die Zeit, die nicht etwa relativ ist, weil sie mal langsamer oder schneller vergeht, sondern darin, dass sie überhaupt nicht „vergeht“, sondern unermüdlich weiterwirkt, Spuren trägt und Ideen vermittelt, Erkenntnisse säet und reifen lässt. „Panta rheï“ heißt doch nicht nur, dass alles in der Zeit fließt, das wäre banal, sondern dass sich überhaupt nichts anders als im Lauf der Zeit bewegt. Gerade jetzt ist alles universell fließend verbunden und bleibt es auch in alle Ewigkeit. Realität ist eben dieses in sich dynamische Jetzt, vollkommen.
Die Künstlerin nimmt dies wörtlich, indem sie versteinerte Organismen so selbstverständlich in ihre Visionen aufnimmt wie aktuell im Wind wehende Äste und Blätter. Vor allem aber das ewige Licht ist ihr großes Thema, das von Anbeginn an das irdische Leben erzeugt und damit allen Reichtum, an dem wir uns wärmen, nähren und wachsen. So fügt diese Arbeit zu ihrem beinahe trivialen Geflecht aus Zweigen, flüchtigen Schatten und zeitlosen Fossilien eine neue Dimension, eine Zeitlosigkeit der Vernunft. Indem sie sich selbst diesen Weg erschlossen hat, kann die Künstlerin neue Motive schaffen oder empfangen wie eine reiche Ernte: Vielleicht in einem Augenblick der Ewigkeit. Vielleicht sofort, für alle Zeit. Mit einem Innesein, das kein Stillestehen ist… Eine schöne und anspruchsvolle Arbeit, aus der ihr eigenes Wesen strahlt.
Immer muss man hier die Motive erst suchen oder fokussieren, wie man auch sonst einen Bildschirm ins „rechte Licht“ rückt. Nur ist es eben ein natürliches Licht, sind es aktuelle und archaische Motive, die wir selbst zusammenstellen, was durchaus ein kreativer Akt ist, mit dem Resultat einer ursprünglichen Impression unserer eigenen Natur. Diese Arbeiten auch an Bäumen im Monbijoupark (um den Hügel mit der Feuerstelle) auszustellen, ergibt sich so natürlich, wie mit Vögeln, die freigelassen werden.
„Ich flamme über die Schönheit der Fluren, leuchte in den Wassern.“
Hildegard von Bingen
Ausstellungsdaten: Samstag, 6. März bis Samstag, 10. April 2021
Zur Galerie
Ausstellung Paula Carralero Bierzyñska – galerie weisser elefant | Zeitgenössische Kunst Berlin Contemporary Art Ausstellungen Galerien Berlin | ART at Berlin