bis 25.04. | #2659ARTatBerlin | Galerie Kornfeld zeigt ab 24. Januar 2020 eine Ausstellung mit neuen Bildern der Berliner Malerin Franziska Klotz im Dialog mit Skulpturen der New Yorker Bildhauerin Patricia Ayres.
Franziska Klotz malt Landschaften, Figuren oder Strukturen, die sie in der realen Welt beobachtet. Ebenso wichtig wie die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und den existenziellen Fragen des Seins sind ihr die Mittel der Malerei selbst: Komposition, Farbe, Form und individueller Ausdruck. Patricia Ayres fertigt Skulpturen aus Stoff und anderen weichen Materialien, die an deformierte Urbilder von Weiblichkeit denken lassen. Die Verletzlichkeit des Körpers wird deutlich, aber auch das Streben des Geistes nach unbedingter Freiheit.
„Das Werk von Franziska Klotz befindet sich aktuell in einer spannenden Übergangsphase. (…) Die Dinge entwickeln sich. Ein transitorisches Element macht sich bemerkbar, das die gesamte Ausstellung erfasst. Es handelt sich um einen Wandel, der eine existentielle und eine innerkünstlerische Seite hat.
Viele Künster*innen lieben auf leidenschaftliche Weise das Inkognito, das in die Distanzierung weist. Nicht so Franziska Klotz. Sie reagiert in ihren neuen Werken mit einem geschärften Bewusstsein ihrem Leben und ihrer Kunst gegenüber. Wer Klotz’ Bilder zu lesen versteht, wird in ihnen das besondere seelische Moment wahrnehmen, das die private Innenwelt mit der öffentlichen Umwelt verbindet.
Vom künstlerischen Standpunkt her zeigt sich Klotz’ Jahresproduktion von 2019 konzentrierter, stilistisch verdichteter, mehr auf den Stellenwert von Farbe als Materie orientiert. Entstanden sind Zeichnungen sowie kleine und mittlere Formate in Öl auf Leinwand. Mehr als bisher respektiert Franziska Klotz die Autonomie künstlerischer Werte in der Rolle der bei der Transformation von Realität wichtigsten Faktoren.
Bilder mit dem Motiv einer zerbrochenen Scheibe, die um das Verhältnis von Innen und Außen kreisen, einen erhofften Durchbruch thematisieren, belegen augenfällig die Übersetzung der realen sinnlichen Erfahrung des Sehens, das ja immer mit Farbe und Bewegung zu tun hat, in die Form der Malerei. Die Organisation von Farbe als Material und als Energieträger auf der Bildoberfläche steht ganz im Zentrum ihres Interesses. Der Farbauftrag ist pastos. Über Farbe findet die Künstlerin zur Form. Bildnerisch offensiv setzt sie Formsplitter in der Modulation von Blau-Grau-Violett zu Grau-Schilfgrün-Gelb. Es ist ein introvertiertes Spektrum, in dem die Farbe vom Umriss her konzipiert wird.
In Bildern, auf denen junge Menschen in Krisenzeiten dargestellt sind, geht es um Stimmungsumschwünge und die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens.
Die Untiefen der menschlichen Existenz sind auch Gegenstand des Bildes „Bastei“, eine freizügige malerische Komposition, die sich auf die Tatsache bezieht, dass genau dort (in der Sächsischen Schweiz) eine Gruppe von Kurden mit Bengalos einen Anti-Erdoğan-Auftritt inszenierten und im Oktober 2019 gegen den Einmarsch türkischer Truppen in Rojava (der Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien) protestierten.
Höhepunkt der künstlerischen Selbstbefragung ist Klotz’ Bild „Moorbrücke“, ein in einem Braun/Weiß/Grau/Blau-Fächer aufgebautes Symbolbild, in dem Ungesichertheit und Instabilität im Leben eines jeden Menschen den Deutungshorizont ausmachen. Dieses Bild, das gleichermaßen ins Woher wie ins Wohin weist, ist wie ein meditativer Brückenschlag von Farbe in eine transzendente Wirklichkeit. Franziska Klotz hat nur Teile der Leinwand grundiert und setzt im oberen Teil des Bildes spielerisch Kürzel mit Zeichenkohle, um die Betrachter ins Offene zu führen und sie letztlich ohne bündige Antworten sich selbst zu überlassen …“
– Christoph Tannert, künstlerischer Leiter des Kunsthaus Bethanien
Franziska Klotz, Moorbrücke, 2019
Assoziative Offenheit kennzeichnet auch das Werk von Patricia Ayres. Ihre amorph geformten, humanoiden Skulpturen sind Schwestern der Venus von Willendorf und damit einer prähistorischen Formulierung von Weiblichkeit, gleichzeitig aber auch Verwandte der fetischartigen Puppen von Hans Bellmer. Eine Außenhaut aus farbigen Gummibändern, Stoff und Garn, zusammengehalten von Haken, Ösen und Karabinern, spannt sich über eine Konstruktion aus Watte, Moosgummi und Sperrholz. Die kleinformatigen Werke unserer Ausstellung könnten ebenso gut Torsi darstellen wie Köpfe. Assoziationen an die hautfarbene Unterwäsche längst vergangener Zeiten stellen sich ein. Man könnte an Miederwaren denken, die den weiblichen Körper nach meist männlichen Idealen zurichten, aber auch an Zwangsjacken, die den Bewegungsdrang psychisch Kranker durch Fixierung verhindern. Die Verletzlichkeit der Figuren spiegelt sich in den Sockeln aus übereinandergestapelten, teils farbig bemalten Schlackenbetonblöcken. Gleichwohl ist die unbändige Kraft der Skulpturen von Patricia Ayres überdeutlich, ihr unstillbarer Drang auszubrechen und, im Wortsinne, die Fesseln zu zerreißen und damit nicht nur den Körper sondern auch den Geist zu befreien.
Franziska Klotz wurde mit dem Max-Ernst-Stipendium der Stadt Brühl ausgezeichnet und arbeitete auf Einladung des Goethe-Institutes 2015 und 2018 für mehr als sechs Monate als Stipendiatin der Deutschen Kulturakademie Tarabya in Istanbul. Ihre Werke werden weltweit ausgestellt, so beispielsweise auf der 4. Internationalen Biennale für Junge Kunst in Moskau 2014, beim 56. Oktober-Salon in Belgrad 2016 und im Fanø Art Museum in Dänemark 2017. 2018 wurden ihre Werke bei der Präsentation der Stipendiaten der Kulturakademie Tarabya im Hamburger Bahnhof ausgestellt, 2019 widmete ihr das Kulturforum Schorndorf die Ausstellung „Ölregen“, die von einem Katalog mit Texten von Gerald Matt und Karin Schulze begleitet wurde.
Nach Abschluss ihres Studiums der Bildenden Kunst am Brooklyn College, City University of New York mit einem BFA und einem MFA am Hunter College, City University of New York schloss Patricia Ayres 2019 die Skowhegan School of Painting & Sculpture als Meisterschülerin ab. Die Werke der mehrfach ausgezeichneten Künstlerin, die im Rahmen eines Stipendium 2007 erstmals nach Berlin kam, waren 2019 unter anderem in der Ausstellung „Entering a Song“ bei Koenig & Clinton in Brooklyn (NY) zu sehen.
Text: Dr. Tilman Treusch
Vernissage: Freitag, 24. Januar 2020, 18-21 Uhr
Ausstellungsdaten: Freitag, 24. Januar – Samstag, 25. April 2020
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