bis 24.10. | #2845ArtatBerlin | Kristin Hjellegjerde Berlin präsentiert ab 11. September 2020 die Ausstellung Zima Blue mit während des Lockdowns entstandenen Werken der norwegischen Künstlerin Martine Poppe.
Öffentlich und privat, zurückhaltend und ungestüm, wohlgeordnet und ungezügelt – für ihre zweite Ausstellung in Berlin hat die junge norwegische Künstlerin Martine Poppe eine Reihe außergewöhnlicher Gemälde und Skulpturen geschaffen.
Die Pastellbänder in Poppes neuesten Arbeiten bleiben ihrem Markenzeichen – den halbmondförmigen Pinselstrichen auf Seide- oder Polyestersegeltuch – treu und erinnern dabei an die kontrollierte Stille von Agnes Martins Streifenmalerei. Jedoch entsteht zwischen Poppes Linien, durch die partielle Sicht auf drapierten, mit Farbe bespritzen Stoff, eine Woge zeitgenössischer Energie. Poppes Arbeiten leuchten spielend durch die zarte Leinwand und schweben dabei zwischen dem greifbaren und unwirklichen.
“Die Oberfläche wird normalerweise als das ‘echte’ Gemälde angesehen, deshalb ist der Raum dahinter – immer noch sichtbar zwischen den Linien der ruhigen, geordneten Leinwand – ein Ort an dem ich aggressiv, verletzlich, verloren und bei mir selbst sein kann.”
Martine Poppe, Between the lines, Öl auf Polyester-Restaurationsgewebe
und Textilien, 160 x 110 cm, 2020
Martine Poppe ist sich der Rolle, die ihr eigenes Geschlecht bei der Betrachter*in im Ansehen und Verstehen der Arbeiten spielt, durchaus bewusst. Vor allem, da dem Actionpainting verwandte Maltechniken immer noch gern als sehr maskulin angesehen werden; Poppe behebt dieses Spannungsfeld mit weichen Stoffen und hellen Farben. Unter ihren Händen wird die Leinwand ein Bildschirm, der verdunkelt, enthüllt und betört – ein bewusster Wiederhall der digitalen Welt, eine andere Sphäre, in der wir ständig gezwungen sind zu überlegen, wie viel von uns selbst wir zeigen wollen und wie viel Unabhängigkeit wir bereit sind aufzugeben.
Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf genau diese Thematik. Er verweist auf eine Sci-Fi-Kurzgeschichte von Alastair Reynolds über künstlerisches Schaffen in einer technisierten Welt, in der alles aufgezeichnet und ausgewertet wird, was wir sagen und tun. In der Kurzgeschichte erinnert der Künstler Zima die Hauptfigur – im Bemühen sie aus der Tyrannei der Algorithmen zu befreien – daran, was es bedeutet Mensch zu sein. Zimas Geschenk ist eine unverhoffte Erfahrung und eine echte Erinnerung – zerbrechlich, subjektiv, eine vergessene Art über das nachzudenken, was außerhalb eines überwachten und kommodifizierten Erlebens liegen kann.
Martine Poppe schuf die ausgestellten Kunstwerke während des Lockdowns. Derweil die Unzulänglichkeiten digitaler Interaktionen immer ernüchternder werden, leisten Poppes Gemälde die gleiche unerlässliche Funktion wie Zimas Geschenk. Ihre Arbeiten öffnen ein Fenster in alternative Welten, in denen wir anders sehen und leben können. Im Galerieraum wird die Auseinandersetzung der Betrachter*in mit diesen Welten durch die sorgfältig positionierten Skulpturen der Künstlerin vermittelt. Sie bestehen aus Stoffen, auf die getreten, mit Farbe gespritzt, die zerrissen und letztlich mit Anfertigung der Gemälde teilweise ausrangiert werden. Die Skulpturen bestehen aus Materialien, die gleichzeitig unverzichtbar und doch oft übersehen werden, sie betonen die stille, süchtig machende Gewalt, die uns durch Bildschirme, Kameras und Algorithmen widerfährt, sobald sie unsere persönlichsten, innersten Orte infiltrieren.
Das Resultat ist eine vordergründig ruhige Oberfläche, die angetrieben wird durch tiefgreifende Widersprüche. Eine trotzige Hymne auf feine Abstufungen und Vielschichtigkeit, dort wo der umfunktionierte ‘Bildschirm’ uns provoziert über den Vorgang des Machens selbst, über die beteiligten Schritte, nachzudenken und sie im Rahmen unseres eigenen Lebens selbst zu erfahren. Martine Poppes Arbeiten setzen Grenzen, die nur in der physischen Welt überschritten werden können. Sie befreien uns sanft von der Last, immer auf dem Laufenden zu sein und ziehen uns in ein ‚Dazwischen’: nicht öffentlich, nicht privat, einen Ort in dem wir Poppes eigene Version von Zimas Geschenk erhalten können – die Möglichkeit neue und andere Perspektiven als fundiert, staunenswert und vor allem als Grund zum Feiern zu begreifen.
Vernissage: Donnerstag, 10. September 2020, 18:30 – 21:00 Uhr
Ausstellungsdaten: Freitag, 11. September – Samstag, 24. Oktober 2020
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