bis 31.10. | #2868ARTatBerlin | BORCH Gallery präsentiert ab 12. September 2020 die Ausstellung „Ideas of Utopia“ mit Werken der Künstlerin Fiona Tan. Das Interview mit der Künstlerin im Rahmen des Gallery Weekend 2020 und Hintergrundinformationen zu ihrem Werk finden Sie auf DEEDS.WORLD.
In der Ausstellung Ideas of Utopia werden zwei Fotogravure Projekte und eine Video-Installation präsentiert, die sich mit unterschiedlichen Formen von Utopie auseinandersetzen.
Großstädtische Utopie
In Studies for Elsewhere (2018) greift Tan Thomas Mores erste Vorstellung einer idealen Gesellschaft aus seinem Buch Utopia (1518) auf. In dem fiktiven Reisebericht beschreibt More eine ideale Gesellschaft, die auf Gleichheit, religiöser Toleranz, Wohlfahrt und Gerechtigkeit errichtet ist. Um diese Gesellschaft von der Außenwelt zu emanzipieren, entwickelte er eine verschlüsselte Schrift, die Tan 500 Jahre später in ihren beiden Diptychons aufgreift um ihr Verständnis eines zeitgenössischen Utopia auszudrücken.
Fiona Tan, Elsewhere (still), HD-Installation, Farbe, Stereo, 2018
Die transkribierten Auszüge aus ihrem Film Elsewhere (2018) stellt Tan Ansichten der Skyline über Los Angeles gegenüber, die während einer Künstlerresidenz am Getty Center in Los Angeles entstanden. In den Fotogravuren erheben sich Wolkenkratzer, die in den verträumten Violett- und Blautönen des dunstigen Himmels verschwinden. Los Angeles ist eine Stadt voller Konnotationen und vorgegebener Vorstellungen von Film und visueller Kultur. Fast wie ein Phänomen, das jenseits des eigentlichen Ortes existiert, ist die Stadt mit ihren mehrspurigen Autobahnen und Hochhäusern in ständiger Bewegung. Sie wirkt auf Tan wie ein Nicht-Ort, eine Utopie ( altgr. οὐ- ‚nicht-‚ und τόπος ‚Ort’). In dem Film Elsewhere dokumentiert Tan das sich von der Morgendämmerung bis zur Abenddämmerung allmählich verändernde Licht über der pulsierenden Stadt. Die Bilder werden von einer Stimme begleitet, die die Stadt als perfekt und unzugänglich zugleich, fast als utopische Idee, kommentiert.
Fiona Tan, Studies for Elsewhere I (detail), Fotogravur, 2018
Suchmaschine auf Papier
Ein eminenter Schein durchdringt Fiona Tans Fotogravüren der Serie Shadow Archive (2019) und beleuchtet eine gut organisierte Sammlung schier endloser Archivschubladen. Der Ausgangspunkt für die Serie von sechs Schwarz-Weiß-Fotogravüren ist Fiona Tans Faszination für den belgischen Visionär Paul Otlet (1868-1944) und seine ambitionierte Idee, alles menschliche Wissen zu katalogisieren.
Fiona Tan, Shadow Archive IV (detail), Fotogravur, 2019
Zusammen mit Henri La Fontaine entwickelte Otlet ein utopisches Projekt: 1895 begannen sie, ein Weltarchiv zusammen zu tragen, das Mundaneum. Fast vierzig Jahre lang arbeitete Otlet an dem Archiv und katalogisierte alle Arten menschlichen Wissens auf Karteikarten, die in großen Holzschränken aufbewahrt wurden. Um einen permanenten freien Zugang zum Archiv zu ermöglichen, entwickelten sie die ‚Universelle Dezimalklassifikation’ – ein numerisches System von Querverweisen. Heute ist das Mundaneum als ‚Papier-Google’ bekannt und gilt als Meilenstein in der Datenerfassung und -verwaltung, der Grundidee des Internets.
‚Fasziniert, aber auch verwirrt von seinem großen und unmöglichen visionären Traum, habe ich ein rundes Gebäude entworfen und gebaut, um sein imaginäres Archiv zu beherbergen. Im Einklang mit dem digitalen Zeitalter jedoch, in dem wir derzeit leben, wurde diese utopische Architektur so realistisch wie möglich, im Maßstab eins zu eins entworfen und mithilfe von CGI-Computersoftware vollständig digital geschaffen.’ Fiona Tan
Tans virtuelle Realisierung ist an Originalpläne für das Mundaneum angelehnt, die Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden. Der eigentliche Ort existiert nicht, womit in Shadow Archive Otlets Vision mit Tans Vorstellungen dieses unvollendeten utopischen Archivs verschwimmen.
FIONA TAN, 1966 in Pekanbaru, Indonesien, geboren, lebt und arbeitet in Amsterdam. Sie arbeitet hauptsächlich in den Medien Fotografie, Film und Videoinstallation. Ausgangspunkt ist entweder ihr eigenes oder aber auch gefundenes Bildmaterial. Ihre gekonnt gestalteten, bewegenden und intensiv menschlichen Arbeiten erkunden die Sujets Identität, Erinnerung und Geschichte auf der Grundlage gründlicher Recherchen.
Vorschau Tage: Mittwoch, 9. September – Freitag, 11. September 2020, 10 – 19 Uhr
Eröffnung im Rahmen des Gallery Weekend Berlin: Samstag, 12. September und Sonntag, 13. September 2020, 12 – 19 Uhr
Ausstellungsdaten: Samstag, 12. September – Samstag, 31. Oktober 2020
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