post-title Fiene Scharp | Voids | Kuckei + Kuckei | 10.09.-31.10.2020

Fiene Scharp | Voids | Kuckei + Kuckei | 10.09.-31.10.2020

Fiene Scharp | Voids | Kuckei + Kuckei | 10.09.-31.10.2020

Fiene Scharp | Voids | Kuckei + Kuckei | 10.09.-31.10.2020

bis 31.10. | #2866ARTatBerlin | Kuckei + Kuckei zeigt ab 10. September 2020 die Ausstellung „Voids“ mit Werken der Künstlerin Fiene Scharp.

Zahlreiche Leerstellen, Lücken und Hohlräume ziehen sich wie ein roter Faden durch die Arbeiten der Künstlerin Fiene Scharp. Ihre Papierschnitte sind Ausdruck der Ambiguität zwischen Wiederholung und Differenz, Struktur und Chaos. Grundlage bilden antiquarische, internationale Rasterpapiere, die die Künstlerin über die Jahre gesammelt hat. Ein altes beschriebenes Kassenbuch, Millimeterpapier, ein Notenheft oder Schnittmusterbögen – jedes Papier weist eine einzigartige Rasterung, einen Rhythmus auf. Durch das Heraustrennen der Zwischenräume betont die Künstlerin das Fragile des Materials, Brüche und Unregelmäßigkeiten werden sichtbar.

In ihrer zweiten Soloshow voids in der Galerie Kuckei + Kuckei präsentiert die Künstlerin zwei neue farbige Werkreihen und ein monochromes, weißes Triptychon. Dieses hebt sich kaum sichtbar von der Wand ab. Sehr subtil und homogen nimmt es dort seinen Platz ein. Die Arbeit besteht aus hauchdünnem Seidenpapier, aus dem Fiene Scharp 1cm große Quadrate mit Skalpell ausgeschnitten hat, sodass ein zartes Gitternetz zurückbleibt. Dieses hat sie in Form gelegt und auf dem weißen Untergrund befestigt, sodass eine Faltung entsteht, die sich über alle drei Teile hinweg fortführt und die einzelnen Rasterpapiere miteinander verbindet. Dadurch wird ein Spiel zwischen Licht und Schatten erzeugt, das uns zum genauen Hinsehen auffordert. Je näher das Raster dem Untergrund kommt, desto stärker werden seine Konturen. Sobald es sich aber aufwölbt, wird es diffus. Der Kontrast zwischen Hintergrund und Papierschnitt ist kaum mehr wahrzunehmen. Auch wird ein bewusster Bruch erzeugt: Das ursprünglich statische, streng geometrische Raster löst sich auf und fließt wie eine sanfte Welle auf dem weißen Grund. Es entsteht ein dreidimensionales haptisches Gebilde, das Assoziationen an ein Tuch oder eine andere Art von Gewebe hervorruft. Das Raster wird hier umso mehr zum Objekt.

ART at Berlin - Courtesy of Kuckei Kuckei - Fiene Scharp - Voids Flyer Entwurf
Fiene Scharp, Voids, Flyer Entwurf

Den farbigen Kontrast zum Triptychon bildet eine Serie bunter Millimeterpapiere. Auch hier bleibt die Künstlerin ihrer Technik treu, indem sie die einzelnen Kästchen mit der Breite eines halben Zentimeters herausgetrennt und erneut ein fragiles Gitter stehen gelassen hat. Dieses liegt diagonal versetzt über dem unbehandelten, unberührten Papier – lediglich eine dünne Schicht Glas trennt das Original vom handgearbeiteten Kunstwerk. So wird eine Doppelung und eine Schichtung des Materials erzeugt und ihr fassaden-artiger Charakter noch verstärkt. Auch hier ist der Betrachter gefragt, genau hinzusehen. Auf den ersten Blick erscheint die Rasterung streng, akkurat und systematisch, gar maschinell herbeigeführt. Sobald man sich den Arbeiten nähert, entfalten sie ihre volle Wirkung, die in ihrer Unvollkommenheit begründet liegt. Kleine Fehler haben sich eingeschlichen, die auf die fragile Materialität des Papiers und das feingliedrige, kleinteilige Gitter zurückgeführt werden können. So sind die dünnen Papierstege teilweise eingerissen, zerbrochen oder die Ecken ausgefranst.

Die dritte Werkserie in dieser Ausstellung basiert auf antiquarischen Schnittmusterbögen aus den 30er Jahren. Das vergilbte hauchzarte Seidenpapier hängt frei vor der Wand, sodass es zu leichten Bewegungen kommen kann. Hier gibt es eine ganz klare Ordnung, die in der Geometrie der Serie zum Ausdruck kommt. Zu sehen sind acht Papiere, die jeweils nochmal in acht gleich große, viereckige Segmente unterteilt sind. So ergeben sich zwei Spalten und vier Zeilen, auch hier ist also ein klassisches Raster zu erkennen. Im Gegensatz zu dieser Ordnung steht das Chaos, das besonders durch die Varianz an Lineaturen innerhalb der einzelnen Segmente herrscht. Mit ihrer verworrenen Struktur fallen sie sozusagen aus dem Raster.

Die vielen Knotenpunkte, Überlagerungen und Verstrickungen erinnern an ein feingliedriges organisches Netz wie Faszien, die den Muskel umschließen, an Pflanzenfasern oder an die Unendlichkeit des Universums, mit seinen Filamenten und Hohlräumen. Die freigelegten Leerstellen, die voids, entziehen sich jedweder Geometrie und akkurater Strenge, sie negieren die Wiederholung, die in Fiene Scharps Papierschnitten so präsent ist. Ähnlich wie in der farbigen Werkreihe stehen sich auch hier das unberührte Original und der künstlerische Eingriff gegenüber – der Prozess wird also direkt sichtbar. Fiene Scharp stellt den Kontrast zwischen transparent und opak, fragil und robust in dieser Serie besonders stark heraus, indem sie pro Schnittmusterbogen ein Segment stehen lässt. Dieses befindet sich in jedem Papier an einer anderen Stelle, sodass sich in der Gesamtanordnung der Serie ein Rhythmus ergibt, der zusätzlich eine Ordnung herstellt und der willkürlichen, chaotischen Linienführung der ausgeschnittenen Elemente entgegensteht.

Fiene Scharp (*1984) studierte Freie Kunst bei Gregor Schneider und Alicja Kwade an der UdK Berlin und nahm an zahlreichen Ausstellungen in Museen und Galerien in Europa, Nordamerika und Vorderasien teil. Sie erhielt mehrere Preise und Stipendien. Ihre Arbeiten sind in öffentlichen Sammlungen wie bspw. den Staatlichen Museen zu Berlin oder dem Kunstmuseum Stuttgart vertreten.

Vernissage: Donnerstag, 10. September 2020 ab 13 Uhr

Ausstellungsdaten: Donnerstag, 10. September – Samstag, 31. Oktober 2020

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