post-title Anna K.E. | Dolorem Ipsum | Galerie Barbara Thumm | 09.09.–10.10.2020

Anna K.E. | Dolorem Ipsum | Galerie Barbara Thumm | 09.09.–10.10.2020

Anna K.E. | Dolorem Ipsum | Galerie Barbara Thumm | 09.09.–10.10.2020

Anna K.E. | Dolorem Ipsum | Galerie Barbara Thumm | 09.09.–10.10.2020

bis 10.10. | #2822ARTatBerlin | Galerie Barbara Thumm zeigt ab 9. September 2020 die Ausstellung „Dolorem Ipsum“ mit Werken der Künstlerin Anna K.E.

Die Galerie freut sich sehr, in der dritten Galerieausstellung der in NY lebenden georgischen Künstlerin Anna K.E. zum ersten Mal eine überwältigende Multi-Media Installation in Berlin zu präsentieren. Anna K.E. bespielte auf der 58. Venedig Biennale 2019 mit REARMIRRORVIEW, Simulation is Simulation, isSimulation, is Simulation… den georgischen Pavillon, kuratiert von Margot Norton.

Einer Totemfigur gleich ragt K.E. über der niedrigwinklig postierten Kamera auf. Sie wirkt wie in Stein gemeißelt – wäre da nicht die glänzende Flüssigkeit, die sich von ihren Lippen wie in Zeitlupe auf die Kameralinse zu bewegt. Doch die schimmernden Tröpfchen, die einer ums andere auf den Betrachter zu stürzen, Menschlichkeit implizieren, und in ihrem Fallen unaufhaltsam anwachsend den Blick der Linse verdecken, verleihen dem Bild die Wucht eines impressionistischen Sturms. Gefangen in dessen diffuser Mitte wechselt K.E.s resolute Gestalt von Schärfe zu Unschärfe und erzeugt so einen sich stetig weiter aufbauenden Sog, der den Betrachter in das Bild hineinzieht.

Diese schlichte Bewegung weist die Linse der Kamera – die kurzsichtige „Selfie“-Maschinerie – zurück und steht zugleich für die reinigende, nachwachsende Kraft des Pflegens und Schöpfens von Neuem. Wie bereits in früheren Arbeiten (Countdown Belladonna, 2018), lässt K.E. sich auf die Kameralinse und die durch sie hervorgerufene antagonistische Kraft des Narzissmus ein und erschafft so eine zerbrochene Rückkopplungsschleife zwischen ihrem Körper und der Blende, sucht ihr eigenes Bildnis heim. Während durch die Bruchstücke von Sonnenlicht, die sich in der sich ansammelnden Flüssigkeit brechen, ein brodelndes Moiré entsteht, beginnt sich K.E.s stoische Gestalt zu verzerren, büßt ihre Schärfe ein, verschmilzt mit der sie umgebenden Landschaft – und kreiert so eine Art doppelten Wagnisses, in der jeder Tropfen fallenden Speichels gleichermaßen einen schöpferischen und einen zerstörerischen Akt darstellt.

Platziert in der Mitte des Raumes, bildet die vertikal ausgerichtete LED Leinwand bewusst ein klassisches Porträt ab – wenngleich ein in sich zerrissenes, widersprüchliches -, das sich in einem Zustand immerwährenden Wandels befindet. Stechend scharf und verschwommen, voller Aussagekraft und abstrakt zugleich, erzeugt jedes Bild ein einzigartiges Porträt, während K.E. als Göttin und Geist zugleich in der von ihr selbst erschaffenen Welt existiert. Zur Verstärkung dieses dualistischen Effekts entschied K.E. sich für die Arbeit mit verpixelten Leuchtdioden und gegen eine Projektion. So wirkt das Werk auf die Entfernung einheitlich und wie eine Plakatwand am Times Square, zerfällt jedoch beim Näherkommen in einzelne, abstrakte Elemente.

ARTatBerlin - Courtesy by Galerie Barbara Thumm - Anna K.E. - Dolorem Ipsum - 2020
Anna K.E., Dolorem Ipsum, 2020, courtesy Galerie Barbara Thumm

Diesen Film flankiert ein kürzerer, in dem K.E. von der Kamera fort und in einen Lichtkreis hinein rennt, während sie die Worte „Happy Birthday“ mit ihrem Körper nachzeichnet. Nach den vielen Wiederholungen des Hauptfilms ist dieser Clip, der im Jahr 2011 auf einem IPhone gedreht wurde, mit dem Vorsatz entstanden, jenen eine vergängliche Überraschung zu bieten, die sie (er)fassen.

Die mit Worten versehenen und mit gehärtetem Marzipan versetzten Ballettstangen, die die Wände einem Gürtel gleich einfassen, scheinen im Zwiegespräch mit dem Film zu stehen. Rund um die Leinwand platziert, vermitteln sie den Eindruck eines Korsetts, das K.E.s unstete Gestalt in ihre Schranken weist. Bei den Sätzen auf den Ballettstangen, die K.E. als „lyrische Eruptionen“ bezeichnet, handelt es sich um Fragmente des Werkes Profound Approach Easy Outcome – einem Register an Denkstrukturen, die K.E. während der Arbeit an ihrem Kunstwerk selbst durchlebte – einem Kunstwerk, das konzipiert wurde, um in Unordnung gebracht und neu interpretiert, neu arrangiert zu werden. Marzipan bildet für diese Vorhaben das geeignete Vehikel. Zunächst geschmeidig und weich, verhärtet die Masse sich, während der Zucker mit der Luft reagiert. Das zementartige Material, das am Ende dieses Verdunstungsprozesses zurückbleibt, untermauert jedes einzelne Wort, das in ihm geschrieben steht, und bewahrt zugleich deren lebendige Fragilität.

Während man sich durch den Raum bewegt, baut sich sukzessive eine vibrierende Intensität auf, während eine Folge rhythmischer Trommelschläge aus kleinen, an den Halterungen der Ballettstangen befestigten Lautsprechern ertönt. Entstanden während eines Road Trips durch Texas, bilden diese Klänge ein Mantra fortwährender Bewegung, durchdrungen von der meditativen, repetitiven Kraft einer sich ins Unendliche ausbreitenden Straße. Satzfragmente und Farbgebung wiederholen sich, und doch ist die damit verbundene Erfahrung jedes mal eine andere, in Relation zu den steten Veränderungen im Klang-Umfeld des Zuhörers und dessen Gemütszustand. Gemeinsam formen sie eine dadaistische Verkettung anwachsender Beredtheit. Dabei stehen diese Tracks maßgeblich in direktem Dialog mit den länglichen, Wal-artigen Geräuschen des Hauptfilms und erschaffen so durchgängig neue und einzigartige Augenblicke ganzheitlichen Erlebens.

Dolores Ipsum verweist sowohl auf die Tradition des Platzhaltertextes, der maßgeschneiderte Worte durch einen beliebigen Textblock mit rein visueller Funktion ersetzt, als auch auf Dolor – das Leid, den Schmerz, die Mühe selbst. Ein Blindtext, seiner klaren Bedeutung beraubt, und ein singulärer, ungefilterter Schmerz. Beide strömen nebeneinander her, quellen über und bestäuben so die Luft, die sie umgibt. Scheinen zu suggerieren, dass jedes einzelne Ding auf diese Art auseinandergerissen und – den Anforderungen eines einzelnen Augenblicks angepasst mit einer neuen Struktur versehen werden könnte. So entsteht ein unendlicher Ozean denkbarer Kombinationen – und mit ihm grenzenlose Möglichkeiten des Erfahrens und Erlebens.

Text: Claudia Paterson

Im Showroom wird während dieser Zeit noch die Ausstellung „Kommst Du von dann oder von dann…“ der Künstler*innen Marina Faust, Plüme Ferberger, Almut Hilf und Nicolas Jasmin, kuratiert von Wilhelm Schürmann gezeigt.

Ausstellungsdaten: Mittwoch, 9. September – Samstag, 10. Oktober 2020

Gallery Weekend Soft Opening und Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag von 10 – 19 Uhr

Zur Galerie

 

 

Ausstellung Anna K.E. – Galerie Barbara Thumm | Zeitgenössische Kunst in Berlin | Contemporary Art | Ausstellungen Berlin Galerien | ART at Berlin

 

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