bis 18.01. | #4502ARTatBerlin | Galerie Max Hetzler (Potsdamer Straße) zeigt ab Samstag, 15. November 2024 die Ausstellung Reversal of Fortune der Künstlerin Louise Bonnet.
International bekannt für ihre emotionsgeladenen Darstellungen der menschlichen Form in ungewöhnlichen, oft überzogenen Posen, erkundet Bonnet in ihrem Werk schwierige Gefühle wie Zerbrechlichkeit, Melancholie, Einsamkeit und Trauer.
Der Titel der Ausstellung, Reversal of Fortune, deutet auf eine plötzliche Wendung oder Umkehrung des Schicksals hin, die gleichzeitig zu einer Tragödie und einem Moment der Katharsis führt. Die Werke kreisen alle um den Begriff des Fallens. Auf den Gemälden sehen wir weibliche Figuren, die von Betten, Diwanen oder Sofas rutschen, aus unsichtbaren Höhen zu Boden stürzen, kopfüber abgleiten und nach einem Sturz von jenseits des Bildrandes auf dem Boden liegen. Die Werke erkunden das Gefühl des Herabstürzens als wiederkehrende Idee und repräsentieren all die verschiedenen Bedeutungsstränge, die sich für die Künstlerin aus diesem Thema heraus ergeben. Bonnet erklärt:
„Ich dachte, dass das Fallen, das uns als absolut menschlich verrät – unser Körper entgleitet aus einer bestimmten Position, versagt in einer erwarteten Pose oder einer erwarteten Rolle – daher eine Form des passiven Widerstands sein könnte, eine Möglichkeit, angesichts dessen, was von der Welt oder uns selbst erwartet wird, vollständige Menschlichkeit zu zeigen.“
Der Akt des Fallens ist in manchen Szenen dramatisch. In Asteria Red stürzt die Figur mit dem Kopf voran, wobei die Auswirkungen des Sturzes an ihrer entstellten Nase und ihrem zerzausten Haar schmerzhaft sichtbar sind. Die Zerbrechlichkeit unserer menschlichen Verfassung wird in diesem Werk durch die Gefahr, die das Wagnis eines Tanzes mit sich bringt, sowie die Schwierigkeit, das Gleichgewicht zu halten, deutlich gemacht.
Starken Einfluss auf Bonnets Werk hat die Malerei alter Meister, sowohl in Bezug auf Thema und Gegenstand als auch auf die Maltechnik. Durch die Verwendung von Ölfarbe auf Leinen schafft die Künstlerin eine durchscheinende Überlagerung von Licht und sanften Hautfarben, die an die niederländische Malerei des 16. Jahrhunderts erinnert. Thematisch ist Bonnet von Pieter Bruegel angezogen, insbesondere von seiner Landschaft mit dem Sturz des Ikarus, 1560, einer pastoralen Szene mit Menschen und Tieren, die ihrer Arbeit nachgehen.
Im Hintergrund ist Ikarus nur an seinen zappelnden Beinen zu erkennen, als er ins Meer stürzt. Die Welt geht ungeachtet unseres Ehrgeizes und unseres Machtstrebens weiter, ohne Rücksicht auf menschliches Leid. Die kompositorischen Elemente dieses Vorbilds finden sich auch in Bonnets A Splash Quite Unnoticed wieder, wo die Beine des Protagonisten nur knapp hinter dem Stillleben im Vordergrund zu sehen sind. Der Titel geht auf eine Zeile in William Carlos Williams‘ Gedicht When Icarus Fell zurück, das über Bruegels Gemälde geschrieben wurde.
Fallen kann gleichzeitig Flucht bedeuten, wie im griechischen Mythos von Asteria, der Titanengöttin der Orakel, Sternbilder und Sternschnuppen. Sie selbst stürzte auf die Erde, um den Annäherungsversuchen von Zeus zu entkommen, und die Insel Delos entstand, wo sie landete. In Asteria Pink scheint die Künstlerin die gestreckte Anmut von Parmigianinos Madonna mit dem langen Hals (1534-1540) heraufzubeschwören, indem sie mit verzerrter Übertreibung die stilisierte Selbstbeherrschung der Madonna, ihre anmutig gebeugten Hände und Füße und den fließenden rosafarbenen Faltenwurf nachahmt, der ihren Körper sanft umhüllt.
Diese manierierte Eleganz erinnert an die a gleitenden Odalisken der Malerei des 19. Jahrhunderts, die in ihren Betten liegend dargestellt wurden. Ohne Rücksicht auf realistische Proportionen fügen sich Bonnets Figuren in ähnlicher Weise in die Komposition ein, in die sie platziert werden. Im Gegensatz zu ihren historischen Vorbildern vermitteln sie jedoch eher ein Spektrum von Gefühlen als eine „idealisierte“ weibliche Form.
In zahlreichen der ausgestellten Werke zeigt sich Bonnets Vorliebe für den Symbolismus durch die Darstellung von Blumen. Die Künstlerin malt Begonien, ein Symbol der Warnung oder Vorsicht, schwarze Schwertlilien, die für Gefahr stehen, und Dahlien, die Unbeständigkeit bedeuten. In Dahlia schaut die Figur, die von einem Diwan fällt, auf einen Strauß, der an den von Édouard Manets Olympia (1863) erinnert. Wie in Bonnets früheren Werken blicken die Figuren nur selten aus dem Bild heraus.
Durch den Einsatz filmischer Techniken lässt die Künstlerin uns unbeobachtet auf ihre Figuren blicken, nicht um sie zu objektivieren, sondern um in ihren Körpern einen Ausdruck für die von uns unterdrückten Gefühle zu finden. Obwohl sie tief in kunsthistorischen Referenzen verwurzelt sind, sprechen die Werke eine universelle Sprache der Verkörperung, die eine neue Perspektive auf die feinen Spannungen in uns selbst eröffnet. Bonnets Arbeiten widersetzen sich auch weiterhin einer einfachen Kategorisierung und bewegen sich stattdessen in einem Raum von sorgfältiger Überlegung und Zurückhaltung, in dem Erzählungen eher gefühlt als ausgesprochen werden.
Louise Bonnet (*1970, Genf) lebt und arbeitet in Los Angeles. Bonnets Werk wurde in einer institutionellen Doppelausstellung mit Adam Silverman im Hollyhock House, Los Angeles, präsentiert (2023). Außerdem wurden ihre Arbeiten in diversen Gruppenausstellungen gezeigt, darunter die 59. Internationale Kunstausstellung – La Biennale di Venezia, Venedig; Modern Art Museum of Fort Worth; Aïshti Foundation, Beirut (alle 2022); Fondazione Sandretto Re Rebaudengo, Turin (2021); und Pinakothek der Moderne, München (2019).
Werke der Künstlerin befinden sich in zahlreichen Museumssammlungen, darunter die Art Gallery of Ontario, Toronto; Bowdoin College Museum of Art, Brunswick; Denver Art Museum; Fondazione Re Rebaudengo, Turin; Hammer Museum, Los Angeles; Institute of Contemporary Art, Miami; Long Museum, Shanghai; Los Angeles County Museum of Art; MAMCO Genève, Genf; Modern Art Museum of Fort Worth; Moderna Museet, Stockholm; Museum Brandhorst, München; Museum of Contemporary Art, Los Angeles; San Francisco Museum of Modern Art; und Yuz Museum, Shanghai.
Location: Potsdamer Str. 77-87 Mercator Höfe, 10785 Berlin
Vernissage: Freitag, 15. November 2024, 18 – 20 Uhr
Ausstellungsdaten: Freitag, 15. Novemberr bis Samstag, 18. Januar 2024
Bildunterschrift Titelbild: Louise Bonnet, Asteria Pink, 2024, © Louise Bonnet, Foto: def image
Ausstellung Louise Bonnet – Galerie Max Hetzler | Contemporary Art – Zeitgenössische Kunst in Berlin – Ausstellungen Berlin Galerien – ART at Berlin