bis 23.04. | #3385ARTatBerlin | Kristin Hjellegjerde Berlin präsentiert ab 24. März 2022 die Einzelausstellung Mirage mit Malerei des Künstlers Tewodros Hagos.
Stolze, erschöpfte Gestalten stehen in leuchtenden, gemusterten Stoffen gekleidet vor der unermesslichen Weite einer Wüste, die sich endlos bis zum Horizont zu erstrecken scheint. Diese jüngste Serie einfühlsamer Porträts des äthiopischen Künstlers Tewodros Hagos setzt seine Erkundung der Art und Weise fort, wie die globale Flüchtlingskrise dargestellt und empfunden wird, und reflektiert insbesondere über die illusorische Natur der Medienberichterstattung. Mirage, die Soloausstellung des Künstlers in der Kristin Hjellegjerde Gallery Berlin, ist nicht nur eine ergreifende Hommage an die Gemeinschaft der Migranten, sondern wirft auch die Frage auf, wie unsere Tendenz, uns bei Unbehagen abzuwenden, uns daran hindern kann, die Wahrheit einer Situation zu sehen.
In den letzten Jahren hat Hagos seine künstlerische Praxis der Darstellung der Flüchtlingskrise gewidmet, indem er eindringliche Porträts malt, die im Gegensatz zu den zumeist sensationslüsternen journalistischen Bildern und Filmmaterial stehen. Während die Werke eine größere Erzählung des kollektiven Leidens visualisieren, besitzt jedes Bild, insbesondere die Nahaufnahmen, eine eigene Persönlichkeit und emotionale Atmosphäre. Auf einem Gemälde zum Beispiel sitzt ein Mann zusammengesunken an einer Felswand, während sein Blick die Betrachter*innen direkt anzusprechen scheint, als wäre er zutiefst erschöpft. Es ist sowohl ein Hilferuf als auch eine Aufforderung, nicht wegzuschauen und gleichzeitig seinen Schmerz und unsere Mitschuld als passive Beobachter*innen anzuerkennen.
„Im letzten Jahrzehnt wurde die ganze Welt fast täglich Zeuge von Nachrichten und Geschichten über das Schrecken der Flucht, aber da wir tagtäglich mit Bildern bombardiert werden, besteht die Gefahr, dass dies zur akzeptierten Normalität wird – obwohl es in Wirklichkeit eine der schlimmsten humanitären Krisen unserer Zeit ist“, so der Künstler. Die Frage ist: Wie lange werden wir dieser menschlichen Tragödie zusehen?
Während sich Hagos‘ frühere Arbeiten auf die gefährliche Überfahrt über das Meer konzentriert haben, beleuchtet diese neueste Gemäldesammlung einen wenig beachteten Aspekt der Reise von Flüchtlingen durch die Wüsten, bei der Einzelne und Familien gezwungen sind, viele Meilen unter extremen Wetterbedingungen und mit sehr begrenzten Mitteln zu gehen. Diejenigen, die die Grenze erfolgreich überqueren, sind oft gezwungen, ihre Identität zu ändern – ihren Namen, ihre Kleidung und ihre Gewohnheiten -, um sich an eine neue Kultur anzupassen.
Dieses überwältigende Gefühl des Verlusts wird sowohl durch die Körpersprache der Figuren als auch durch die große Leere der Wüstenlandschaft ausgedrückt. MIRAGE / crossing the desert / 05 zum Beispiel zeigt einen Mann, der auf eine Handvoll Sand hinunterblickt, der durch seine Finger rinnt, und verweist damit auf den Lauf der Zeit und die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz. Hagos möchte jedoch betonen, dass es sich nicht um tragische Werke handelt, sondern vielmehr auch um eine Feier der menschlichen Stärke und Ausdauer. In der Tat besitzen alle seine Figuren, insbesondere die Frauen, eine Ausstrahlung und Leuchtkraft. Mit bunten, gemusterten Stoffen und Kopftüchern bekleidet, scheint das Sonnenlicht auf der Oberfläche der Leinwand zu schimmern, was die Schönheit der Figuren und die goldenen Farbtöne der Wüste noch verstärkt. Gleichzeitig erzeugen die Intensität der Farben, die Stille der Porträts und der unablässige Blick der Figuren einen Hauch des Ungreifbaren, der unsere Wahrnehmung verunsichert. Obwohl die Landschaft als Wüste erkennbar ist, ist sie unspezifisch und bezieht sich weniger auf einen geografischen Ort als vielmehr auf ein allgemeines Gefühl der Orientierungslosigkeit. Obwohl die Trennung von Land und Himmel ein gewisses Gefühl der Erdung vermittelt, überschwemmt der Sand in Werken wie MIRAGE / crossing the desert / 10 buchstäblich die Leinwand und wirft die Figur in einen seltsamen Grenzraum, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint.
In diesem Sinne reflektiert das Konzept der „Mirage“ als Fata Morgana weniger über die enttäuschten Erwartungen der Migranten als vielmehr über die umfassenderen Illusionen, die wir als Individuen und Gemeinschaften im Laufe der Geschichte geschaffen und aufrechterhalten haben. Was muss noch passieren, so scheint der Künstler zu fragen, damit die Welt aufmerksam wird?
Vernissage: Donnerstag, 24. März 2022, 18:30 Uhr
Ausstellungsdaten: Donnerstag, 24. März – Samstag, 23. April 2022
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