post-title Peter Piller | behind time | Barbara Wien | 25.11.2017-17.02.2018

Peter Piller | behind time | Barbara Wien | 25.11.2017-17.02.2018

Peter Piller | behind time | Barbara Wien | 25.11.2017-17.02.2018

Peter Piller | behind time | Barbara Wien | 25.11.2017-17.02.2018

bis 17.02. | #1736ARTatBerlin | Barbara Wien zeigt ab 25. November 2017 die Ausstellung „behind time“ des Künstlers Peter Piller.

Gespräch zur Ausstellung mit Peter Piller

In deiner fünften Einzelausstellung in der Galerie Barbara Wien zeigst du eine neue Serie eigener Fotografien. Es handelt sich um Aufnahmen von Vögeln, die du in freier Wildbahn beobachtet hast. Wenn man mit deiner Kunst nicht vertraut oder ein Vogel- und Naturkundler ist, würde man deine Bilder wahrscheinlich als einen Exkurs in die Welt der Vogel- und Naturfotografie beschreiben – wobei der Ornithologe wie der Naturfotograf eher von missglückten Aufnahmen und Anfängerfehlern reden würden, aber dazu später mehr. In deinem parallel zu den Fotografien entstandenen Text nach auflösung örtlicher frühnebel beschreibst du, wie dich bereits als Jugendlicher das Interesse an der Ornithologie gepackt hatte, es dann von anderen Vorlieben überlagert wurde und nun, Jahre später, wieder zum Vorschein kam. Ich stelle mir vor, wie du eines Tages losgezogen bist, anfangs noch ohne opulente Fotoausrüstung, in deiner Freizeit und ohne die Absicht Vögel zum Kunst-machen zu fotografieren. Gleichzeitig hat das Beobachten von Vögeln sehr viel mit deiner Vorgehensweise im Atelier zu tun: dem Warten und Zulassen, dass manchmal auch lange nichts passiert. Kannst du sagen, wie oder warum die Begeisterung für Vögel vom Hobby im kunstfreien Raum zu einer Idee für eine Ausstellung wurde? Oder anders, was führte dazu, dass sich dein Hobby im Laufe der Zeit verselbstständigt, professionalisiert und einen immer größeren Teil deiner Zeit und Arbeit eingenommen hat?

wieder zum vorschein kam das interesse an der ornithologie als mein sohn im alter von etwa 10 jahren während einer autofahrt urplötzlich ohne mein einwirken von der begeisterung für die während der fahrt zu beobachtenden vögel erfasst wurde. wir haben dann in den folgenden jahren bis zu seiner einsetzenden pubertät dieses hobby geteilt und diese gemeinsamen stunden/tage gehören zum schönsten, was ich als vater erlebt habe. seit er sich anderen interessen zugewendet hat, gehe ich der vogelbeobachtung allein nach, manchmal auch mit einem freund. eigentlich sollte das ganze wirklich ein kunstfreier raum in meinem leben bleiben, bestenfalls etwas wie eine übung oder ein training in passivität, aber auf dauer hat das nun nicht funktioniert. bei mir entstehen viele projekte gerade nicht aus einem konzentrierten kunst-wollen, sondern ergeben sich aus einzelnen begegnungen mit bildern, die sich mir selbstständig in erinnerung rufen und die ich auf eine art nicht loswerde, weil sie kommunizieren mit anderen themen, die in mir arbeiten. dass in der alltagswelt oder jenseits der kunstbildproduktion bilder entstehen, die kunstrelevant und in der lage sind, mit bekannten bildern aus der kunstwelt in verbindung zu treten, also die behauptung, dass es nicht ums wollen geht, sondern um aufmerksamkeit, das beschäftigt mich ja seit über zwanzig jahren und das scheint ja so etwas wie ein lebensthema zu sein, vielleicht auch weil mir das aufwändige, sich selbst nicht in zweifel ziehende, geniale und gewollte in der kunst schon seit der zeit als ich student war, auf die nerven geht und abstößt.

Deine hier gezeigten Vogelbilder sind, gemessen an allgemein kursierenden Naturdokumentationen, keine gelungenen Fotografien: Die Vögel setzen zum Flug an, raus aus dem Bild, sind teilweise abgeschnitten. Wir sehen sie wegfliegend von hinten, von der Seite und von unten, meist unscharf oder verdeckt. Wie bei deiner Arbeit am Archiv Peter Piller, das du seit 1998 in über einhundert Themen mit Bildfunden aus Zeitungen, Magazinen oder dem Internet zusammenstellst, gibt es hier eine Kategorie, nach der du die Fotos in der Ausstellung ausgewählt hast? Während der Ausstellungsplanung nanntest du die Serie „flüchtende Vögel“.

kategorien gibt es hier keine, es sollten natürlich verschiedene arten von vögeln sein, verschiedene lichtsituationen, verschiedene farbigkeiten, also die bühnen, von denen da geflüchtet wird, sollten unterschiedlich sein und vor allem sollten die bilder nicht zu schön sein, also nicht den anschein erwecken, in konkurrenz treten zu wollen zu den bekannten perfekten aufnahmen, die ich natürlich auch herstelle, aber die mich leider sofort langweilen. außerdem wird natürlich hier formuliert, dass die vögel vor dem fotografiert-werden und dem bild flüchten, und vor mir, weil ich nur störe mit meiner anwesenheit.

Sowohl in deiner Arbeit mit dem Archiv als auch mit Fotografie trennst du das Bild vom Text: im Umgang mit  Abbildungen aus Zeitungen oder dem Internet entfernst du meist die Bildunterschriften, auch in der Serie Erscheinungen (2014–2017) mit deinen Fotografien von LKW-Rückseiten, auf denen Frauen posieren, hast du sämtliche Schriftzüge entfernt und nur Bild und Grafik unverändert belassen. Der überwiegende Teil deiner Künstlerbücher enthält nur Abbildungen, es gibt eines (Archiv Peter Piller: Materialien (G) Albedo, 2014), welches ausschließlich Texte versammelt. Für die Vogelfotos von behind time hast du dich von vornherein Text und Sprache entzogen – gleichzeitig hast du einen Text geschrieben, der ausgehend von deiner erneut entfachten Leidenschaft für die Ornithologie sehr viel über deine Arbeit als Künstler sagt. Glaubst du, Bild und Text passen nicht zusammen oder schränken die Wahrnehmung gegenseitig ein?

ich beobachte, dass viele so sehr von referenzdruck belastet sind, dass sie sich selbst den raum nehmen und völlig handlungs- und wahrnehmungsunfähig sich selbst gegenüber werden, deshalb versuche ich schon, mich immer wieder in einen zustand von ahnungslosigkeit zu versetzen oder frage mich, als was marsianer dieses oder jenes bild wohl deuten würden, das hilft mir weiter. ich habe aber nichts gegen verstehen, erklären, vergleichen, einordnen, nur der antriebsimpuls ist bei mir meistens eine begeisterung oder eine echte notwendigkeit, mir etwas zu erklären und ich mag es, manchmal einfach zu beginnen ohne auftrag, ohne vorstellung vom produkt, ohne gedanken an die kunst; ich genieße die vollständige freiheit. ich frage gar nicht, wozu ich etwas mache, sondern überlasse mich meinen leidenschaften und frage mich dann später, ob da was brauchbares entstanden ist oder eben nicht.

Neben den Vogelfotografien zeigst du eine Reihe neuer Zeichnungen auf Hotel- und Hochschulbriefpapier, die in den vergangen zwei Jahren entstanden sind. Im Gespräch mit Oliver Zybok (Ich sehe was, was du schon gesehen hast, Kunstforum International, Bd. 246, Mai – Juni 2017) sagst du, du zeichnest, ohne dir vorher etwas vorzunehmen oder vorzustellen und die Zeichnung und der vorn auf das Blatt geschriebene Titel – der Text – entwickeln sich parallel. Das Zeichnen nimmt eine Art Sonderstellung in deiner Arbeit ein, in dem Sinne, wie dabei Bild und Text unbedingt miteinander existieren können. Deine Zeichnungen folgen scheinbar keinem Thema, keiner Serie, bis auf die wiederholte Verwendung des Briefpapiers. Warum Briefpapier?

das ganze knüpft an die bürozeichnungen an, die ich auf dem firmenpapier der agentur gemacht habe, bei der ich als student gejobbt habe und die kommentieren ja überwiegend mit humor die schrecken des büroalltags. damals hatte ich als künstler im büro ja eine sonderstellung und gehörte nicht so richtig dazu. jetzt ist das anders: ich unterrichte seit 2005 an kunstakademien, da gibt es auch eine menge absurder situationen, aber was mich jetzt mehr interessiert, ist, mehr über die verbindung zwischen meinem alltagsleben und dem berufsleben zu erfahren. also lasse ich mich darauf ein, mit den mitteln eines parallelen gebrauchs von zeichnung und text eine entdeckungsreise an der grenzlinie zwischen außen- und innenwelt zu unternehmen, ich frage mich also möglichst oft: wozu mache ich das überhaupt und was soll das? meistens reiße ich den ganzen tag blätter durch, weil das ganze nicht funktioniert oder ich warte, wie bei der vogelfotografie, wenn man stundenlang in bereitschaft ist und es passiert nichts, aber in freundlicher komplizenschaft mit dem misserfolg, dem nutzlosen, der zeitverschwendung. ich mag die trainingseinheit in bereitschaft für eine idee zu sein sehr viel mehr, als mir was auszudenken und ich möchte mir unbedingt die möglichkeit erhalten, mich selbst überraschen zu können.

Gilt dein Interesse an der Vogelwelt und deine „Jagd“ inzwischen eher der Fotografie als der Ornithologie?

oft möchte ich sehen, wie etwas als foto aussieht. das sehen, erleben, dabei-sein, das ist doch etwas ganz anderes.

(Fragen von Anika Matthes)

Peter Piller (* 1968 in Fritzlar) lebt und arbeitet in Hamburg. Er hatte u.a. Einzelausstellungen im Kunst Haus Wien (2016), in der Städtischen Galerie, Nordhorn und Kunsthalle Nürnberg (2015), im Fotomuseum Winterthur und Centre de la photographie, Genf (2014), Kunstverein Braunschweig (2011), Kunstmuseum Bonn (2009), Kunsthaus Glarus (2007), Ludwig Forum, Aachen (2006) und im Witte de With Center for Contemporary Art, Rotterdam (2005). Er nahm an zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen teil, u.a.: 11th Shanghai Biennale, Walker Art Center, Minneapolis und Fondazione Prada, Mailand (2016), Kunstmuseum St. Gallen und Galerie im Taxipalais, Innsbruck (2013), Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main (2012), C/O Berlin (2011), MoMa PS1, New York (2010). Seit 2006 lehrt er als Professor für Fotografie im Feld der zeitgenössischen Kunst an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.
Ab 21. Januar 2018 präsentiert das Berliner Mies van der Rohe Haus eine Einzelausstellung mit Peter Piller.
Bis 4. Februar 2018 stellt er (mit Jochen Lempert) im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg aus.

Vernissage: Freitag, 24. November 2017, 18–21 Uhr

Ausstellungsdaten: Samstag, 25. November 2017 – Samstag, 17. Februar 2018

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Bildunterschrift: Peter Piller, Merlin, 2017

Ausstellung Peter Piller – behind time – Galerie Barbara Wien Contemporary Art Kunst in Berlin | ART at Berlin

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