post-title Geschnitten + Gerieben | Gruppenausstellung | Semjon Contemporary | bis 30.05.2020

Geschnitten + Gerieben | Gruppenausstellung | Semjon Contemporary | bis 30.05.2020

Geschnitten + Gerieben | Gruppenausstellung | Semjon Contemporary | bis 30.05.2020

Geschnitten + Gerieben | Gruppenausstellung | Semjon Contemporary | bis 30.05.2020

bis 30.05. | #2743ARTatBerlin | Semjon Contemporary präsentiert seit März 2020 die Gruppenausstellung Geschnitten und Gerieben mit Werken von Renate Hampke, Susanne Pomrehn, Ursula Sax, Stefan Thiel und Li Silberberg (Bibliothek).

Alle fünf Künstler*Innen haben in ihrer Atelierpraxis eine ganz eigene künstlerische Sprache in ihren Werken entwickelt, die Bestandteil der Ausstellung sind.

Man könnte meinen, dass die Ausstellung eine Ausdifferenzierung zu der im Jahr 2017 erfolgreich durchgeführten Ausstellung Penetrating Paper – Gebohrt, Geschnitten und Gefaltet… sein könnte, wären da nicht die Arbeiten von Renate Hampke, die in ihrer Werkgruppe Gefingert zusätzlich zu dem Papier als Grundlage auch Birkensperrholzplatten verwendet. Mit den mit Graphitstaub bedeckten Fingern reibt sie diesen in die Holztafeln ein und erzeugt einerseits strenge abstrakte Muster, lässt es aber auch zu, dass die Finger behende über die Tafeln wandern, ja fast tanzen, und somit der Eindruck von geballter Energie und Gestik vermittelt wird. Ihr Werkzyklus der Nackten Frottagen arbeitet durch das in die Oberfläche der Holzplatte eingeriebene Graphit deren zumeist durch die industrielle Herstellung oder Transport bedingten, nicht unbedingt sichtbaren Verletzungen der Oberfläche heraus. Es entstehen surreale Bilder, die an Landschaften gemahnen können. Sie könnte aber auch auf das Thema der Vanitas lenken, durch die Fokussierung und Sichtbarmachung der vielfältig ausgeformten Schrunden. Das, was man allgemein als minderwertig, eher als Ausschussware von Holzplatten definiert, wird unter Renate Hampkes Händen ein bildnerischer Schatz! Diese Werkreihe ist leider nicht von der Straße aus zu sehen, aber Bestandteil des Ausstellungsportfolios.

Susanne Pomrehn ist in der Kunstwelt bekannt für ihre Fotoschnitte. Für diese Ausstellung konnte sie sich Fotografien aus meinem privaten Fotoarchiv aussuchen. Die mir persönlich bekannten Kontexte innerhalb der Fotografien werden durch ihre Schnitttechnik dekontextualisiert und mit einem neuen, ihrem eigenen Narrativ aufgeladen. Die subjektive, vermeintliche Realität einer jeden Fotografie hat neue Realitätsebenen erhalten durch das Aufschneiden, Auseinanderklappen und -ziehen sowie Drehen und dem Fixieren auf einem Museumskarton. Nicht umsonst nennt die Künstlerin diese Werkserie Multilayered (vielschichtig oder mehrfach geschichtet) und verweist somit auf die physische neue (voluminöse) Materialität der Fotografie, aber auch auf die Bedeutungsaufladungen und dem, was dahinter in der ursprünglichen Realitätswelt gemeint sein könnte.
Dieser künstlerische Ansatz lädt gerade dazu ein, sich von der Künstlerin Auftragswerke zu bestellen, die eine neue Sicht auf das persönlich Bekannte, nämlich die private Albumfotografie wirft, und zugleich aus dem subjektiv Wichtigen, für den anderen aber Profanen ein vielschichtiges Kunstwerk kreiert.

ART at Berlin - Courtesy of Semjon Contemporary 2020 Geschnitten und Gerieben - Artland 1000
Ausstellungsansicht Semjon Contemporary, Geschnitten & Gerieben, 2020, Foto: Artland

ART at Berlin - Courtesy of Semjon Contemporary 2020 Geschnitten und Gerieben 4 - Artland 1000
Ausstellungsansicht Semjon Contemporary, Geschnitten & Gerieben, 2020, Foto: Artland

Ursula Sax, seit Jahrzehnten eine wichtige Autorität unter den deutsche Bildhauern, interessiert sich u.a. auch für die Materialität des Papiers jenseits des Trägeridentität für Zeichnungen. Ihre Papierreliefs aus den 1990er-Jahren führen dies überzeugend vor. Mit bisher unbekannten künstlerischen Techniken im Kontext des Werkstoffs Papier bohrt und sägt und reißt sie dieses auf, lässt bewusst die Schnitt- und Reißränder in ihrer Rohheit stehen und stellt die haptische Schönheit dieses Materials in extenso vor. Ihre Papierreliefs atmen, öffnen den Raum dahinter (und auch davor) und lassen den Papierbogen als skulpturales Werk begreifen. Die Wandskulptur Undo war ursprünglich vor ihrem künstlerischen Sägeeingriff ein sehr dickwandiges Papprohr, das mit fast herkulischen Kräften zu ca. Zweidritteln aufgeklappt, in die plane Ebene überführt wurde und bildlich wie eine aus dem Ofenrohr aufsteigende Rauchwolke herüberkommt. Es ist eine völlig unorthodoxe künstlerische Herangehensweise, aus dem Herkömmlichen ein autonomes und energiegeladenes Kunstwerk erstehen zu lassen. Das Papier wird somit zum Material, dem sowohl seine Leichtigkeit, zuweilen auch Starrheit, aber auch Flexibilität und seine Verletzlichkeit entlockt wird.
Zur Zeit wird ihr monografischer Katalog Auf und mit Papier erarbeitet, der seinen Fokus auf die Dualität des Werkstoffs Papier, einerseits als Zeichnungsträger und andererseits als bildhauerisches Material, richtet.

Stefan Thiel hat sich einen internationalen Ruf u.a. als Papierschneider – früher sagte man Scherenschnittmeister – erarbeitet. Nicht umsonst ist ein großes Werk in die Sammlung der Nationalgalerie gelangt und nicht, wie eigentlich aufgrund des Materials zu erwarten wäre, in das Kupferstichkabinett. Dies ist der Bildmächtigkeit seiner Papierschnitte geschuldet. Zu sehen sind in der Ausstellung zwei Uferlandschaftsbilder (u.a. vom Stechlin-See), die in ihrer Raffinesse bewegte Trauerweidenzweige im Spiegel der Wasseroberfläche doppeln und sich durch die Wasserstrudel verzerrend darstellen. Die Äste atmen das Leben, die feinen Zweige werden dreidimensional, denn ihre Silhouettenschnitte heben sich leicht vom Grund des Museumskartons ab und erzeugen so einen Räumlichkeit erzeugenden Schatten, und sie kräuseln sich leicht ein, denn die Oberflächenspannung des schwarzen Schnittkartons ist partiell aufgehoben. Man spürt förmlich die Brise, die durch die Landschaft zieht.
Die eigens für die Ausstellung geschaffenen drei Werke Landschaft 01 – 03 konnten ihren Weg in die Galerie aufgrund der Corona-Pandemie nicht finden, sind aber als Digitalisat im Ausstellungsportfolio zu finden.

Kleiner Video-Rundgang durch die Ausstellung Geschnitten & Gerieben:

Li Silberberg stellt uns in ihrer im Straßen-Salon raumgreifenden Installation das respektabverlangende Langzeitprojekt Bibliothek vor, das sie in 22 Jahren und über 40.000 Stunden erarbeitet hat. Man könnte sagen, dass die Künstlerin ihr Leben in die Bücher eingeschrieben hat. In bisher 40 Skizzenbüchern hält sie täglich ihre Gedanken fest und unterteilt diese Gedankenparagraphen mit kleinen piktogrammartigen, abstrakt strukturalen Zeichnungen. Diese geistige Phase läutet das Eigentliche ein: Im Schneidersitz, vor sich das Künstlerbuch und dessen noch unbearbeitete Seiten, reibt sie bei geschlossenen Augen ihre Hände mal kreisend, mal horizontal oder vertikal auf die vor sich liegende Doppelseite des Buches. Gelegentlich benetzt sie die Finger und Hände mit Tusche. So entsteht im Laufe von Stunden ein physisch prägnantes Bild, mal schwarz oder weiß und in unendlichen Grautönen, das u.a. durch den stetigen Reibungsdruck das Blatt langfaserigen Papiers zerreibt und verletzt und die noch unbearbeiteten Doppelseiten dahinter freilegt und partiell ebenfalls verletzt. Die Zeit heilt alle Wunden, so lautet ein Sprichwort. Hier funktioniert es umgekehrt: Die Zeit erschafft die Wunden, und sie gibt den Blick frei auf die haptische Delikatesse des Geschaffenen. Die Bibliothek der zerriebenen Bücher ist auf inzwischen stolze 181 Bände angewachsen. Jeder Buchband enthält unzählige, immer wieder sich anders darbietende doppelseitige Bilder. Ein Gesamtkunstwerk von ungeheurer Kraft und eigener Aura. Man spürt förmlich die unendlich investierte Energie schwingen: Das Leben der Li Silberberg.
Die öffentliche Bibliothek darf sich glücklich schätzen, die dieses installative Gesamtkunstwerk ihr eigen nennen darf und es als Metapher für die Wissensaneignung, ihre Kommunikation und ihre Bewahrung – kurzum für das Wesen einer jeden öffentlichen Bibliothek – in einem Glaskubus zentral für jedermann, jedefrau zur Schau und der zur Verfügung Kontemplation stellt (vgl. Sie hierzu bitte meinen Text Das Leben eingeschrieben, zu finden auf der Galeriehomepage unter Bibliothek).

ART at Berlin - Courtesy of Semjon Contemporary 2020 Bibliothek-5 Li Silberberg - Artland 1000
Ausstellungsansicht Semjon Contemporary, 2020, Bibliothek, Li Silberberg, Foto: Artland 1000

ART at Berlin - Courtesy of Semjon Contemporary 2020 Bibliothek-7 - Li Silberberg - Artland 1000
Ausstellungsansicht Semjon Contemporary, 2020, Bibliothek, Li Silberberg, Foto: Artland 1000

Diese Ausstellung, nun als kleines, aber stolzes Desiderat durch die beiden Schaufenster der Galerie oder durch die 3D-Tour und das auf Youtube eingestellte Kurzvideo zu erleben, vermag vielleicht ein Fenster zu öffnen auf weitere folgende Ausstellungen, die sich des Themas der künstlerischen Technik und Arbeitsweise annehmen wird.

Semjon H. N. Semjon
März/April 2020

Ausstellungsdaten: Mitte März bis Samstag, 30. Mai 2020

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Ausstellung Geschnitten & Gerieben – Semjon Contemporary | Zeitgenössische Kunst in Berlin – Contemporary Art – Ausstellungen Berlin Galerien – ART at Berlin

 

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