Das Museum Hamburger Bahnhof zeigt noch bis Mitte September 2019 die Ausstellung „Emil Nolde. Eine deutsche Legende – Der Künstler im Nationalsozialismus“.
Der Expressionist Emil Nolde ist der wohl berühmteste ‚entartete Künstler’: von keinem anderen Künstler wurden so viele Arbeiten beschlagnahmt, keine anderen Werke hingen so prominent auf den ersten Stationen der Ausstellung Entartete Kunst von 1937/38. Wie passen Noldes Verfemung und sein Berufsverbot zu unserem Wissen, dass er NS-Parteimitglied war und bis zum Kriegsende den Glauben an das nationalsozialistische Regime nicht verlor? Der Kunstkritiker Adolf Behne hob auf Noldes speziellen Fall ab, indem er ihn zum 80. Geburtstag 1947 pointiert als „entarteter ‚Entarteter‘“ bezeichnete.
Emil Nolde in München, Januar/Februar 1937.
Foto von Helga Fietz, der Ehefrau von Noldes Münchner Kunsthändler Günther Franke,
Nolde Stiftung Seebüll, © Nolde Stiftung Seebüll
Dass Emil Nolde ein Parteimitglied war, ist seit langem bekannt. Aber was dies mit seiner Kunst zu tun hat, und wie sich die historischen Umstände des Nationalsozialismus auf sein Kunstschaffen ausgewirkt haben, ist bisher noch nie umfassend in einer Ausstellung untersucht worden.
Die Ausstellung „Emil Nolde – eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus“ beruht auf den Ergebnissen eines langjährigen wissenschaftlichen Forschungsprojekts, das erstmals die umfangreichen Bestände des Nolde–Nachlasses in Seebüll auswerten konnte und dabei so viel Neues zu Tage brachte, dass die hergebrachte Nolde-Erzählung revidiert werden muss. So wird die Ausstellung zum Beispiel die berühmten „Ungemalten Bilder” – kleinformatige Aquarelle, die Nolde angeblich während der Zeit seines Berufsverbots heimlich in Seebüll malte – in einem ganz neuen Licht präsentieren und als Teil einer langjährigen Praxis der Selbststilisierung erklären.
Emil Nolde, Reife Sonnenblumen, 1932, Öl auf Leinwand, 73,5 × 89 cm,
Detroit Institute of Arts, Gift of Robert H. Tannahill,
© Nolde Stiftung Seebüll
Emil Nolde, Verlorenes Paradies, 1921 Öl auf Leinwand, 106,5 × 157 cm,
Nolde Stiftung Seebüll,
© Nolde Stiftung Seebüll, Foto: Fotowerkstatt Elke Walford, Hamburg, und Dirk Dunkelberg, Berlin
Wie wichtig diese Selbststilisierung ist – und wie stark sie unseren Blick auf Nolde beeinflusst – wird den Besuchern durch eine Rekonstruktion des Bildersaals in Noldes Atelierhaus in Seebüll vor Augen geführt. Diese Rekonstruktion zeigt die Hängung von Gemälden und Aquarellen, wie sie der alte Künstler im Kriegswinter 1941/42 selbst vornahm. Mit über 100 teilweise bislang nicht gezeigten Originalen, die mit Bezug auf Noldes Schriften und im Kontext ihrer historischen Entstehungsumstände präsentiert werden, möchte die Ausstellung die vielschichtigen Beziehungen zwischen Bildern, Selbstinszenierungen des Künstlers, Verfemung und Legendenbildung aufzeigen: Wie wirkte sich das ‚Dritte Reich’ auf Emil Noldes künstlerisches Werk aus? Inwiefern korrespondieren einige seiner Werke, beispielsweise seine Darstellungen mythischer Opferszenen oder nordischer Menschen, mit seinen Sympathien für das Regime? Welche Auswirkungen hatten die Diffamierung und das Berufsverbot auf Noldes künstlerische Praxis, und auf seine politische Einstellung? Und wie entstanden die Nolde-Mythen der Nachkriegszeit?
Joseph Goebbels auf der Ausstellung „Entartete Kunst“ in Berlin, Februar 1938, links: „Die Sünderin“,
© Zentralarchiv – Staatliche Museen zu Berlin, © für die Werke von Emil Nolde bei Nolde Stiftung Seebüll
„Das Leben Christi“ (1911/12) auf der Ausstellung „Entartete Kunst“ in Berlin, ab 26. Februar 1938,
© Zentralarchiv – Staatliche Museen zu Berlin, © für die Werke von Emil Nolde bei Nolde Stiftung Seebüll
Die Ausstellung findet in der sogenannten „Neuen Galerie“ statt. Die „Neue Galerie“ im Hamburger Bahnhof fungiert als Dependance für die Neue Nationalgalerie während der Dauer ihrer Sanierung.
Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart Berlin – Staatliche Museen zu Berlin
WO? Invalidenstraße 50-51, 10557 Berlin-Tiergarten
WANN? Di, Mi, Fr 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr, Sa, So 11–18 Uhr, Mo geschlossen
Zum Hamburger Bahnhof
Emil Nolde – Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart Berlin | Ausstellungen Contemporary Art Museum Exhibitions Berlin – ART at Berlin