post-title Der unbekannte politische Gefangene | Kunsthaus Dahlem | 30.10.2020-21.02.2021

Der unbekannte politische Gefangene | Kunsthaus Dahlem | 30.10.2020-21.02.2021

Der unbekannte politische Gefangene | Kunsthaus Dahlem | 30.10.2020-21.02.2021

Der unbekannte politische Gefangene | Kunsthaus Dahlem | 30.10.2020-21.02.2021

Kunsthaus Dahlem zeigt ab 30. Oktober 2020 die Ausstellung „Der unbekannte politische Gefangene“. Der Wettbewerb für ein Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen war der wohl bedeutendste künstlerische Wettbewerb der Nachkriegszeit. Über 3.000 Künstler*innen aus aller Welt beteiligten sich daran, darunter Bildhauer*innen und Architekt*innen wie Max Bill, Alexander Calder, Naum Gabo, Barbara Hepworth und Bernhard Heiliger.

Wie kein anderer nach 1945 ist der Wettbewerb Spiegelbild einer höchst ideologisierten Kunstpolitik: Im Spannungsfeld des Ost-West-Konflikts wurde die Auslobung im Januar 1952 durch das Londoner Institute of Contemporary Arts (ICA) durchgeführt. Sowohl die Ostblock-Staaten als auch die Sowjetunion boykottierten die Ausschreibung – aller Wahrscheinlichkeit nach, weil man dort wusste, dass die Finanzierung auf Vermittlung US-amerikanischer Behörden zustande gekommen war. Die jüngere Forschung vertritt die Annahme, dass der Wettbewerb sogar ganz wesentlich von der CIA direkt finanziert wurde.

Weltweit reagierten über 3.000 Bildhauer*innen aus 57 Nationen auf die Ausschreibung, etwa 1.500 reichten Entwürfe ein. Mit 262 Einsendungen war die Beteiligung aus der noch jungen Bundesrepublik am höchsten. Während die ältere, vornehmlich figurativ arbeitende Generation nicht antrat, erkannten die jungen Künstler*innen ihre Chance auf internationale Aufmerksamkeit: Erstmalig trat die abstrakte Kunst als Sinnbild von Freiheit und Demokratie prominent in Erscheinung.

ART at Berlin - Kunsthaus Dahlem - Erich Fritz Reuter - Foto Eric Tschernow
Erich Fritz Reuter, Modell für ein Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen,
1952, Bronze, H: 49 cm, Privatsammlung, Karbach/Unterfranken
Foto: Eric Tschernow

Um die Fülle der Einreichungen zu bewältigen, organisierte das ICA nationale Ausstellungen und Vorentscheidungen in Deutschland, England, Frankreich, Italien, Österreich, Norwegen und den USA. Zusammen mit den 46 Einreichungen aus der Schweiz wurden die deutschen Entwürfe 1952/53 im Haus am Waldsee in Berlin gezeigt.

Als Ergebnis der nationalen Vorentscheide wurden schließlich 140 Werke in der Tate Gallery in London von März bis Mai 1953 präsentiert – ein außerordentlicher Erfolg: Über 30.000 Menschen besuchten diese mit hochkarätigen Namen besetzte internationale Ausstellung.

Zum Sieger der Ausschreibung erkor die international besetzte Jury den britischen Bildhauer Reg Butler. Sein Entwurf sollte mit einer Höhe von über 30 Metern realisiert werden und bestand aus drei Komponenten: einem massiven Stein als Sockel, auf dem drei weibliche Figuren standen, und eine hohe Eisenkonstruktion auf drei Beinen, die einem Wachturm glich.

ART at Berlin - Kunsthaus Dahlem - Rosemary Butler_Fotomontage - Foto Nachlass Reg Butler
Rosemary Butler, Fotomontage zur Veranschaulichung
einer möglichen Aufstellung von Reg Butlers Skulptur im Humboldthain, 1957
© Nachlass Reg Butler

Für einen Großteil des Publikums in Deutschland und wenig später auch in London stellten die künstlerischen Entwürfe jedoch eine kaum zumutbare ästhetische Belastungsprobe dar. Dennoch bekundete der damalige Bürgermeister von Berlin, Ernst Reuter, noch vor der finalen Jury-Sitzung in London das dezidierte Interesse der Stadt daran, Aufstellungsort der Siegerplastik zu werden. Im April 1957 entschied der Berliner Senat, Butlers Arbeit auf dem Trümmerberg am Humboldthain als Gegenentwurf zum Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park aufzustellen. Die Umsetzung dieser Pläne scheiterte schließlich aber am Widerstand aus der Bevölkerung und der mangelnden Finanzierung. 1964 schloss der Senat das Kapitel endgültig – mit Mauerbau und Kuba-Krise verschoben sich die Prioritäten und mit Beginn der Brandt-Ära setzte man auf Annäherung statt auf weitere Eskalation und Provokation.

Das Kunsthaus Dahlem rekonstruiert erstmals diesen historisch einmaligen und ambitionierten Wettbewerb mit zahlreichen nationalen und internationalen Leihgaben im Rahmen einer Ausstellung. Neben dem britischen Siegerentwurf werden Originalmodelle aus verschiedenen Ländern wie dem Irak, Island, Norwegen oder der Schweiz ebenso gezeigt wie Zeichnungen und zeitbezogene Dokumente zu den prämierten Werken.

ART at Berlin - Kunsthaus Dahlem - Gerour Helgadottir Foto Guomundur Ingolfsson
Gerður Helgadóttir, Modell für ein Denkmal des
unbekannten politischen Gefangenen, 1953, Eisen, H: 50 cm
Gerðarsafn – Kopavogur Art Museum
Foto: Guðmundur Ingólfsson

Einen besonderen Schwerpunkt der Ausstellung bilden sämtliche heute noch erhaltenen Modelle aus der deutschen Vorauswahl, die 1953 letztmalig in dieser Konstellation in Berlin zu sehen waren.

Das Ausstellungsdesign im Kunsthaus Dahlem wurde in Anlehnung an das vielbeachtete Design des MoMA-Kurators für Design und Architektur, Philip Johnson, für den amerikanischen Vorentscheid 1952/53 entworfen und konterkariert die Architektur des Hauses mit dezidiert modernistischer Sprache.

ART at Berlin - Kunsthaus Dahlem - Lynn Chadwick - Foto Nachlass Lynn Chadwick
Lynn Chadwick, Modell für ein Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen,
1952/53, Eisen, 36,8 x 48,9 cm, Nachlass Lynn Chadwick
© Nachlass Lynn Chadwick

Künstler*innen der Ausstellung

Internationale Sektion: Ørnulf Bast, Max Bill, Reg Butler, Wessel Couzijn, Emil Gehrer, Gerður Helgadóttir, Barbara Hepworth, Hugo Imfeld, Lazaros Lameras, Ulrika Marseen, F. E. McWilliam, Luciano Minguzzi, Jorge Oteiza, André Ramseyer, Theodore Roszak, Jewad Selim, Jorge Vieira.

Deutsche Sektion: Egon Altdorf, Karl Hartung, Bernhard Heiliger, Hans Jaenisch, Franklin Pühn, Erich F. Reuter, Zoltán Székessy, Hans Uhlmann.

Ausstellungsdaten: Freitag, 30. Oktober 2020 – Sonntag, 21. Februar 2021

Zum Museum

 

 

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