bis 30.01. | #2924ARTatBerlin | EFREMIDIS GALLERY präsentiert ab 28. November 2020 die Ausstellung ! mit Arbeiten der Künstlerin Marte Eknæs. Im [erp], dem project space der Galerie, werden zeitglich Arbeiten von Gerry Bibby, Marte Eknæs und Emanuel Rossetti zu sehen sein.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen eine Reihe von Pollern sowie Wartungswerkzeuge, Isoliermaterialien und aufblasbare Objekte. In der Stadt aufgestellt dienen die einheitlich kleinen Poller als Unterbrechung: um Verkehr zu begrenzen oder Durchgang zu behindern. Das bunte Pollerensemble von Marte Eknæs macht auf ihre individuellen Strukturen und Macharten aufmerksam.
Marte Eknæs manipuliert ihre Materialien in unterschiedlichem Maße. Mit der Zeit setzt sie verschiedene Elemente so oft zusammen, wie sie sie auch wieder auseinandernimmt. Dabei saugt das Material Informationen auf, die Arbeiten werden anpassungsfähig und übernehmen viele Rollen: Aktivator, Bindeglied, Besetzer, Behältnis, Kommunikator, Körper und Material. Die Installation ist an sich ein System; das System ist mehr als eine Ansammlung von Objekten.
Wie ein gezogener Zahn nimmt ein verschobenes Element Bezug auf seinen Ursprungs- und Verwendungsort; der beabsichtigte Zweck lässt sich noch an ihm ablesen. Das vergangene Leben des Objekts zeigt sich in Markierungen und Spuren. Doch während es seine ursprüngliche Bedeutung behält, fehlt ihm der Kontext, um seine Funktion zu verwirklichen. Marte Eknæs betont die Instabilität der Ortsspezifität und hinterfragt somit quasi die Idee der Zugehörigkeit. Die Autorin und Kunstkritikerin Kirsty Bell fasste diese Dynamik im Gespräch mit der Künstlerin zusammen: „Trotz der materiellen Spezifität deiner Skulpturen wirken sie wie Köder, durch die man zu anderen, allgemeineren Anliegen oder Schwierigkeiten kommt, die durch Assoziation sichtbar werden“, worauf Eknæs hinzufügte: „und auch durch Übertreibung.“
Im [erp]: Emanuel Rossetti, Patch, digital c-print on Fuji Archive paper, 2020
2008 schrieb Marte Eknæs ihr erstes Temporary manifesto (Temporäres Manifest) mit dem Untertitel strategies for new work (Strategien für neue Arbeiten). Seitdem hat die Künstlerin den Text mehrfach abgeändert und überarbeitet. Die verschiedenen Versionen skizzieren die formbare Morphologie ihrer künstlerischen Ideen und verfolgen deren anschließende Weiterentwicklung. “Systems created will be corrupted.” („Geschaffene Syteme werden korrumpiert werden.“) (2008) wurde zum Beispiel erst zu “Systems established can be corrupted.”(„Etablierte Systeme können korrumpiert werden.“) (2009) und dann umgeändert in “The work is a system.”(„Die Arbeit ist ein System.“) (2010). Manche Ideen leben länger als andere. Was zunächst als “All the works will be reversible.” („Alle Arbeiten werden umkehrbar sein.“) (2008) betitelt wurde, durchlief mehrere Stadien: “The work is temporary. It can be changed, moved or removed when it has become an integral part of its environment.” („Die Arbeit ist temporär. Sie kann verändert, bewegt oder entfernt werden sobald sie zum integralen Bestandteilt ihrer Umgebung geworden ist.“) (2009), “The work creates situations that can be continuously transformed and translated, not awareness which is singular and shortsighted.” („Die Arbeit schafft Situationen, die kontinuierlich transformiert und übersetzt werden können, keine singuläre und kurzsichtige Erkenntnis.“) (2012)— und gipfelte, möglichweise, in “Flexible ideas, like flexible materials will over time turn brittle.” („Flexible Ideen, wie flexibles Material, wird mit der Zeit brüchig.“) (2016).
Während das Manifest ursprünglich als Leitfaden für neue Arbeiten diente, wurde es später zu einem Rahmen, um kritische Fragen zu Objektivität, Politik und Ortsspezifität zu stellen. Die späteren Untertitel des Manifests Formlessness (Formlosigkeit), Flexibility (Flexibilität) und solation/absorption (Isolation/ Integration) beschreiben den wiederholten Einsatz der Künstlerin, neue Konfigurationen von Ideen und Objekten herzustellen. Es zeigt eine künstlerische Position, die sich ständig in Zweifel stürzt und den „instabilen Boden“untersucht, auf dem das zeitgenössische Leben stattfindet. Für eine Künstlerin, die überwiegend mit dem Medium Skulptur arbeitet, ist es keine leichte Aufgabe, die konzeptionelle und skulpturale Stabilität ihrer Objekte konsequent loszulassen.
Marte Eknæs, Excerpt 1 (detail), engraving on rainforest marble, 2020
Marte Eknæs verbindet die Melancholie, die ihrem Beharren auf Vergänglichkeit innewohnt, mit dem Optimismus des sofortigen Handelns. Sie formt, korrumpiert und verdrängt. Der Hauptort ihrer Überlegungen ist die Stadtlandschaft. Der öffentliche Raum, wie diese Künstlerin ihn sieht, ist eine Bühne für das Fortschreiten des Kapitalismus: „Städte sind besetzt und unterliegen der Politik der Besetzung und damit grundsätzlich einem Kampf um Raum.”[1]
[1] “Cities are occupied and become subject to the politics of occupation and with that, fundamentally, to a struggle for space.” Interview mit Joseph Vogl von Michael Amstad & Marte Eknæs, 2017 http://formsofflexibility.space/interview-with-joseph-vogl/
Vernissage: Samstag, 28. November 2020, 12:00 – 19:00 Uhr
Ausstellungsdaten: Samstag 28. November – Samstag, 30. Januar 2021
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