post-title Leda Bourgogne „Skinless“ | BQ Berlin | 28.04.2018-23.06.2018

Leda Bourgogne „Skinless“ | BQ Berlin | 28.04.2018-23.06.2018

Leda Bourgogne „Skinless“ | BQ Berlin | 28.04.2018-23.06.2018

Leda Bourgogne „Skinless“ | BQ Berlin | 28.04.2018-23.06.2018

bis 23.06. | #1996ARTatBerlin | BQ Berlin zeigt ab 28. April 2018 die Ausstellung „Skinless“ der Künstlerin Leda Bourgogne.

In Fragmente einer Sprache der Liebe beschreibt Roland Barthes unter Rückgriff auf Freud die „besondere Sensibilität des liebenden Subjekts“ als hautlosen Zustand: „Ich bin ein ‚Bläschen reizbarer Substanz’. Ich habe keine Haut (es sei denn für die Liebkosung).“ *1

Leda Bourgogne scheint in dem Bewusstsein zu arbeiten, dass alles, was sich in die Bildfläche oder den Ausstellungsraum einschreibt, etwas schmerzlich bloßlegt – Roland Barthes schreibt von „schwachen Stellen“ – eine Idee, ein Begehren, ein Gefühl, das gewissermaßen nackt einer Öffentlichkeit dargeboten wird. Ihre Arbeiten entfalten sich in diesem Sinne oftmals als ein Wechselspiel von Aktion – die von vornherein als Verletzung und Störung empfunden wird – und einer Pflege, einer Wiedergutmachung, welche aber die vormalige Aktion nicht tilgt, sondern auf eigenartige Weise unterstreicht und bestätigt.

In gewisser Hinsicht ähnelt dieses Vorgehen der von Melanie Klein und Wilfred Bion beschriebenen Beziehung zwischen paranoid-schizoider und depressiver Position. Während sich in der paranoid-schizoiden Position aggressive und ausbeuterische Impulse auf ein fragmentiertes und gespaltenes Objekt richten, so werden in der depressiven Position Liebe, Schuld und Wiedergutmachungsbedürfnis gegenüber einem ‚ganzen‘, als ambivalent erkannten Objekt empfunden. So lassen sich in Bourgognes Arbeiten Spuren von Hass und Sorge in Bezug auf das Objekt ablesen, das durchaus auch als ‚die Kunst’ aufgefasst werden kann.

Auf diese Weise entstehen Entitäten, die von einer integrativen Kraft zeugen und die sich am Rande eines Zusammensturzes, eines fehlenden Haltes und einer Unsicherheit behaupten. Die starke Sinnlichkeit der Gemälde, die sich ihrerseits an der Grenze zwischen Malerei und Plastik bewegen, zeigt sich zuallererst in der Wahl der Malgründe, mit denen die Keilrahmen bespannt sind: anstelle der frostigen Leinwand erscheinen weiche Stoffe wie Jersey und Samt, aber auch Latex, das sich besonders stark der menschlichen Haut annähert. Überhaupt ist die Idee einer Haut bzw. eines Körpers des Gemäldes allgegenwärtig in Bourgognes Arbeiten, auch im Sinne einer ‚zweiten Haut‘ der Kleidung.
Diese Haut ist nun verschiedensten Angriffen ausgesetzt: zum Teil ist sie mit eau de javel verätzt, zerschnitten oder auch einfach bemalt bzw. mit weiteren Stoffteilen und Geweben beschlagen. Handlungen, die in gewisser Weise die Integrität der Haut zerstören, Handlungen, in denen die Künstlerin selbst skinless wird, indem sie ausstellt. Mit diesen Spuren von Verwüstung inszeniert Leda Bourgogne in Skinless eine Art Thriller.

In einem zweiten, ‚entschuldigenden’ Schritt werden diese Negationen nun oftmals wieder vernäht, verklebt oder sogar geküsst, (was eindeutige Lippenstiftspuren beweisen). Auch der Aspekt der Einkleidung spielt hierbei eine Rolle – eine Art freundschaftlicher Impuls. Leda Bourgogne nimmt dabei Ideen der informellen Kunst auf, der arte povera, des Tachismus, der feministischen Theorie und der Psychoanalyse. Doch diese Dialoge werden immer wieder unterbrochen zugunsten einer quasi haptischen Erlebnisweise, einem Dialog der Körper, was eine auffällige Lyrizität der Arbeiten bewirkt, wobei die Stoffe und Texturen eine eigene Sprache zu entfalten beginnen. Das Wechselspiel von Verneinung und Bejahung, von Zurückweisung und sorgsamer Wiederaufnahme geschieht in träumerischen Geweben aus Verletzungen und  iedergutmachungen. Auf diese Weise gelingt es Bourgogne in ihren Arbeiten so etwas wie ein zwiegespaltenes, aber zusammengeflicktes Leben freizusetzen – was sich nicht selten mit Humor in einer Art Würde des Dinglichen ausdrückt, als eine Bejahung des Unvollständigen, Verletzten, Begehrenden: Mit Gürtel umschnallte Leinwände reklamieren eine quasi persönliche Integrität und einen inneren Zusammenhang für sich; auch wenn dieser Zusammenhang in einer Mechanik von Widersprüchen besteht.

Bourgognes Chewing Gum-Poems, womit auf dem Boden des Ausstellungssaals platzierte Kaugummis gemeint sind, welche die Künstlerin in den letzten Wochen in einem fort gekaut hat, sind wie Sprechblasen mit kurzen Gedichten beschrieben, was Wort und Mund auf eine eigenartige Weise wieder zusammenführt und im selben Moment Coolness und erschöpfenden Bruxismus evoziert. Malereien, die sich selbst betasten oder vampiresk auf ein Liebesobjekt lauern, schweben dabei aber selbstgenügsam in seltsamen atmosphärischen Erscheinungen. In den Readymades der Backbone-CD-sculptures richten sich dieser Tage obsolet gewordene CD-Ständer wie verbogene Wirbelsäulen auf, welche die Verbindung zum Gehirn gekappt haben und nun einen schlangenartig züngelnden Verführungstanz beginnen. Aufgehängte Fetzen von Kleidungsstücken, in denen man die Künstlerin noch vor einigen Monaten auf den Straßen Frankfurts oder Berlins antreffen konnte, streifen den Besucher beim Durchschreiten der Türen zwischen den Ausstellungsräumen und machen sozusagen ihren ‚Pinselstrich’ spürbar. Man könnte sagen, dass Bourgogne neben der von ihr ausgeloteten Ästhetik der Taktilität (der Lyrizität ihrer Gemälde, die für sich spricht) auch gewisse Denk- und Lernprozesse veranschaulicht, die nicht nur auf das Kunstschaffen beschränkt bleiben, sondern letztlich etwas wie ein psychisches Leben abbilden, das zwischen Desintegration und Integration changiert.

Sascha Rothbart

*1 Roland Barthes: Fragmente einer Sprache der Liebe. Frankfurt am Main 2015, S. 125.

Vernissage: Freitag, 27. April 2018

Ausstellungsdaten: Samstag, 28. April  2018 bis Samstag, 23. Juni 2018

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Bildunterschrift: „Killing For Company“, 2018 Boxhandschuhe, Watte, Strumpfhose, Latex, Lederjacke 136 x 59,5 x 37,5 cm Courtesy BQ, Berlin Fotos: Roman März, Berlin

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