post-title Hortensia Mi Kafchin | Death is Not a Piece of Cake | Galerie Judin | 15.02.-11.04.2020

Hortensia Mi Kafchin | Death is Not a Piece of Cake | Galerie Judin | 15.02.-11.04.2020

Hortensia Mi Kafchin | Death is Not a Piece of Cake | Galerie Judin | 15.02.-11.04.2020

Hortensia Mi Kafchin | Death is Not a Piece of Cake | Galerie Judin | 15.02.-11.04.2020

bis 11.04. | #2690ARTatBerlin | Galerie Judin zeigt ab 15. Februar 2020 die Ausstellung Death is Not a Piece of Cake der Künstlerin Hortensia Mi Kafchin.

2015 markierte eine wichtige Zäsur in Leben und Werk Kafchins. In jenem Jahr bekannte sich die Künstlerin, die unter dem Namen Mihuț Boșcu Kafchin in einem männlichen Körper aufwuchs, zu ihrer Transsexualität und begann mit dem langwierigen Prozess der Geschlechtsangleichung. Zunächst verkürzte die Künstlerin ihren Namen zu einem geschlechtsneutralen Mi Kafchin. 2019 wählte sie dann ihren neuen weiblichen Vornamen, den sie der rumänischen Dichterin Hortensia Papadat-Bengescu (1876–1955) entlehnte.

Mit den herausfordernden Schritten der Geschlechtsangleichung ging auch eine Veränderung der künstlerischen Praxis einher. Kafchin, die über Jahre mit diversen Materialen experimentiert und ihre Gemälde zumeist auf ungewöhnlichen Bildträgern angefertigt hatte, wandte sich allmählich der klassischen Leinwandmalerei zu, wobei sich Ihre Farbpalette deutlich aufhellte. In den Jahren 2016 und 2017 spiegelten zahlreiche kleinformatige Werke die emotionale Achterbahnfahrt, auf der sich die Künstlerin jener Zeit befand. Seither entstanden zunehmend großformatige, farbintensive Gemälde, in denen Kafchin die großen Fragen und Hoffnungen ihrer Selbstwerdung facettenreich aufgreift. Mit ihnen gelingt ihr ein beeindruckender Spagat zwischen Tradition und Zeitgenossenschaft: Die Gemälde könnten hinsichtlich ihrer Technik und Komposition kaum klassischer, hinsichtlich ihrer Thematik und Eindringlichkeit kaum aktueller sein. Es sind erzählgewaltige Bilder, die belegen, wie kraftvoll und zeitgemäß figurative Malerei sein kann.

Mit den vier großformatigen Gemälden ihrer zweiten Einzelausstellung in der Galerie Judin hat Kafchin ihre persönliche Entwicklung der letzten Jahre in symbolischer Gestalt reflektiert. Den Auftakt macht das Hochformat Social Anxiety. Es ist ein Selbstporträt der Künstlerin, die ihr Gesicht zu verdecken und einem angriffslustigen Rudel geflügelter Augäpfel zu entkommen versucht. Doch der Fluchtversuch ist aussichtslos: Wolken formen sich zu gaffenden Fratzen und verdunkeln den Himmel, die Körpermitte ist bereits von einem fliegenden Sägeblatt durchtrennt – und der nächste Schritt wird in den Abgrund führen. Es ist Kafchins schonungsloses Resümee der letzten Jahre. Die ersten wichtigen Schritte ihrer Geschlechtsangleichung hatten nicht zu der ersehnten Freiheit und Unbeschwertheit geführt. Das Gefühl, eigenen und fremden Ansprüchen nicht zu genügen, lähmte die Künstlerin geradezu. Auch mit dem Gemälde Ana Aslan thematisiert Kafchin die Schattenseiten ihrer Selbstbefreiung. Es ist jener doppelten Angst gewidmet, die eigene Jugend verpasst zu haben und nun, während ihrer „zweiten Jugend“, vom eigenen Alterungsprozess überrascht und gebremst zu werden. Kafchin hat sich dieses Dilemmas in Form eines modernen Mythos angenommen. So zeigt ihr Gemälde das schwebende Antlitz der rumänischen Ärztin Ana Aslan, die in den 1970er-Jahren weltweit mit einer Therapie für Aufsehen sorgte, die den Alterungsprozess verlangsamen sollte. Etliche Prominente pilgerten zu ihrem Institut nach Bukarest, darunter Salvador Dalí, Marlene Dietrich, Indira Ghandi oder Mao Zedong. Kafchin hat Aslan als Lichtbringerin porträtiert, die den von rechts oben ins Bild kommenden personifizierten Tod in die Schranken weist. Auch das drastische Werk The Blood Countess I thematisiert das Verlangen nach ewiger Jugend. Es zeigt die ungarische Gräfin Elisabeth Báthory, die 1611 als Serienmörderin verurteilt und als „Blutgräfin“ zur Legende wurde. Báthory soll Dutzende Mädchen in ihre Burg gelockt, zu Tode gefoltert und in deren Blut gebadet haben, um die eigene Jugend zu bewahren.

Nach diesen beiden ambivalenten Werken, in denen Kafchin ihre Hoffnungen und Ängste hinsichtlich ihrer zweiten Jugend gleichermaßen adressiert, hat sie im letzten Großformat einen plakativen tierischen Hoffnungsträger ins Bild gesetzt. Elagabalus‘ Lover zeigt den einstigen Sklaven Hierocles, der als Wagenlenker im Circus Maximus die Aufmerksamkeit und das Herz des römischen Kaisers Elagabal – vermutlich die erste Transgender-Person, die einen Staat lenkte – gewann. Hierocles wurde zum Geliebten und Günstling des unfähigen Kaisers. Die Verbindung sollte Geschichte schreiben: Die Verschränkung von vermeintlich „perverser“ Sexualität und politischer Macht wurde zum Sinnbild spätrömischer Dekadenz. Kafchin konterkariert dieses Narrativ, indem sie ein kraftstrotzendes, lebensfrohes Pferd in den Farben des Regenbogens zwischen den Wagenlenker und den sich auf der Tribüne befindlichen Herrscher setzt. Es lässt an das berühmte Porträt des Rennperds Whistlejacket (ca. 1762) von George Stubbs denken, das zu den Meisterwerken der National Gallery in London zählt. Als Darstellung einer kraftvollen, von zivilisatorischen Zwängen befreiten Kreatur wurde das Gemälde zu einer Ikone der britischen Romantik. Kafchin hat nun ein Pendant für das 21. Jahrhundert geschaffen: Ihr prächtiges Regenbogenpferd strotzt nur so vor stolzer, queerer Selbstbehauptung und Emanzipation. Mit Leichtigkeit vermag es sich auf der großen Bühne des Circus Maximus zu behaupten. Als optimistischer Antipode zu Social Anxiety schließt das Gemälde den Spannungsbogen Kafchins neuer Großformaten. Es ist eine Art Talisman für den letzten Schritt von Kafchins Selbstwerdung, jene Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit und etwaigen reaktionären Moralvorstellungen.

ART at Berlin - Courtesy of Galerie Judin - Hortensia Mi Kafchin 2020
Hortensia Mi Kafchin, Elagabalus‘ Lover, 2020 / © The Artist / Courtesy Galerie Judin, Berlin 

Kafchins lustvolle Aktualisierungen von mythologischen und historischen Stoffen laden nicht nur zum Hinterfragen gewohnter Lesarten von Vergangenheit und Gegenwart ein. Mit ihren monumentalen Gemälden hebt die Künstlerin geradezu eine neue Kunstgattung aus der Traufe. Kunsthistorische Traditionen, überlieferte Narrative und progressive gesellschaftspolitische Forderungen verbinden sich mit Kafchins eigensinnigem Motivspektrum zu einer neuen Form der Historienmalerei: Kafchin schafft mit ihren Werken eine queere Historienmalerei.

Hortensia Mi Kafchin (*1986 in Galați, Rumänien) schloss 2010 ihr Studium an der Abteilung für Keramik, Glass und Metall der Universität für Kunst und Design im rumänischen Cluj-Napoca ab. Anschließend assistierte sie dem Maler Adrian Ghenie, dessen Atelierräume sie später übernahm. Nach Einzelausstellungen in Cluj-Napoca, Stockholm, Los Angeles, Paris und Budapest hat ihr die Nationalgalerie für zeitgenössische Kunst in Bukarest im Herbst 2016 eine umfangreiche Werkschau gewidmet. Daneben waren Kafchins Werke in zahlreichen viel beachteten Gruppenausstellungen zu sehen, unter anderem im Musée de la Chasse et de la Nature in Paris (2019), im Centre Pompidou in Paris (2018), im Österreichischen Museum für angewandte Kunst in Wien (2015), im Espace Culturel Louis Vuitton in Paris (2013) und auf der Biennale in Prag (2013). Die Künstlerin lebt und arbeitet in Berlin.

Vom 15. Mai bis zum 5. Juni 2020 wird Elephant West, der Londoner Ausstellungsort des Magazins Elephant, eine Auswahl von Kafchins jüngsten Gemälden zeigen. Hierzu erscheint ein englischsprachiger Katalog.

Vernissage: Freitag, 14. Februar 2020, 18:00 – 21:00 Uhr

Ausstellungsdaten: Samstag, 15. Februar – Samstag, 11. April 2020

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Bildunterschrift: Hortensia Mi Kafchin, Elagabalus’s Lover, 2020 / © The Artist / Courtesy Galerie Judin, Berlin

Ausstellung Hortensia Mi Kafchin – Galerie Judin | Zeitgenössische Kunst in Berlin | Contemporary Art | Ausstellungen Berlin Galerien | ART at Berlin

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