post-title Friedrich Kunath | Sensitive Euro Man | König Galerie (Nave) | 15.08.–18.10.2020

Friedrich Kunath | Sensitive Euro Man | König Galerie (Nave) | 15.08.–18.10.2020

Friedrich Kunath | Sensitive Euro Man | König Galerie (Nave) | 15.08.–18.10.2020

Friedrich Kunath | Sensitive Euro Man | König Galerie (Nave) | 15.08.–18.10.2020

bis 18.10. | #2807ARTatBerlin | König Galerie (Nave) präsentiert ab 15. August 2020 die Solo Show SENSITIVE EURO MAN mit noch nie gezeigten Arbeiten und einer überlebensgroßen Skulptur des Künstlers Friedrich Kunath. Es ist seine erste Einzelausstellung in Deutschland seit 2016.

Die deutsche Romantik ist die deutscheste aller deutschen Kunstideen. Sie ist Ausdruck und Opposition der aufziehenden Moderne. Die Romantik ist ein vermutlich letztes Rückzugsgefacht gegen die Allmacht von Fortschritt, Aufklärung und Industrialisierung. Die deutsche Romantik hat 150 Jahre vor Horkheimer und Adorno die „Dialektik der Aufklärung“ thematisiert.

In jenem Moment, in dem die gefühlt harmonischen Kulturlandschaften von den Segnungen des Fortschritts von der Zerstörung bedroht werden, findet die Malerei eine tiefe Verbundenheit mit jener Schönheit, die nicht bleiben wird. Dieser Abschiedsschmerz trägt die deutsche Kultur seit über 200 Jahren. Er ist die Seele der deutschen Seele und ist in seiner Verdrehtheit, Kaputtheit und Radikalität anschlussfähig in jede politische Sortierung. Friedrich Kunath zitiert die deutsche Romantik aus seinem kalifornischen Rückspiegel als Blick auf die Heimat, die er verließ um ganz im Westen anzukommen, wo die Romantik nur als Surrogat existiert. In Western ist die Urlandschaft Bedrohung und Ort des Unheils. In „The Searchers“ von John Ford ist die Natur eine Bühne radikaler Leere, eine Abenteurparcours für Sinnsuchende. Ethan Edwards und der einsame Mönch am Meer sind nur vereint in ihrer radikalen Einsamkeit. Der deutsche Romantiker geborgen in der Natur, der Westernheld gefordert und auf der Flucht.

ART at Berlin - Courtesy of KOENIG GALERIE - Friedrich Kunath_Caroline No
Friedrich Kunath, Caroline, No, 2020, oil and acrylic on canvas, 243,84
x 198,12 x 4,44 cm, courtesy the artist and KÖNIG GALERIE Berlin,
London, Tokyo

Friedrich Kunath glaubt der Romantik nichts und bleibt doch in ihr künstlerisch behütet. Bei Schlegel hat er die Ironie als ästhetisches Grundprinzip der Romantik erlernt. Diese romantische Ironie beschert dieser subjektivistischen Kunstform einen konzeptionellen Abgrund. Die Ironie ist entweder Meta-Ebene der Kunst oder ihr doppelter Boden – oder beides.  Die Ironie findet in der romantischen Kunst seine eigenen Charaktere oder Kunstkniffe: Den Buffo, in der Oper als Clown und heiterem Dekonstrukteur, und die Parekbase, eine eigens in ein Werk eingezogene Folie der Reflexion, die den Künstler, die Bedingungen und Prinzipien seiner Entstehung und Darstellung nennt.

Zum philosophischen Schwergewicht wird die Ironie durch ihr Umschlagen in einen tiefen Ernst. Die vollendete Ironie hört auf, Ironie zu sein und wird ernsthaft, schreibt der junge Schlegel, der nach seinem Übertritt zum Katholizismus als stolzer Reaktionär stirbt, der zurück in die Ständegesellschaft will. So wie die romantische Malerei mit den Nazarenern auch den Rückwärtsgang eingelegt hat, aber poppiger.

Alles ist Prozess, nichts ist wahr. Alles ist subjektiv. Der Weg ist ein Ziel. Bei Kunath gibt es jenen Augenblick, wenn er das Bild in seine eigene Mündigkeit überlässt und es sich selbst fertigmalt. Ein gutes Bild, so Kunath, hat seiner Meinung das richtige Timing des Loslassens. Im Dickicht der falschen Gefühle sucht Kunath nach dem Ausgang aus den Romantiksurrogaten. Oft genug überlässt er den Bildern das Rückwärtsausparken.

Dazu scheint ihm nahezu jedes Mittel recht. Er überzuckert, untergräbt, torpediert, exekutiert, überdreht und überzieht. Kämpft und schlägt zurück. Und dennoch ist das romantische Urgefühl der Sehnsucht nicht totzukriegen. Es überlebt all das. Es ist unzerstörbar. Das ist das Wunder. Kunath hat zum Schlegelschen Buffo den Crashtest-Dummy dazu sortiert. Immer und immer wieder lässt er seine Gemälde gegen dieselbe Mauer des naiven Kunst-Schönheits-Perfektions-Pathos krachen. Alles bleibt Fragment, die Bilder sind fertig, wenn sie als Fragment ihren Crash und dessen Wucht dokumentiert haben.

Die klassische Moderne hat mit den beiden Philosophen Marcel Duchamp und Francis Picabia zwei Säurebad-Produzenten gegen die Unmittelbarkeit des Gefühlten und Gedachten für die Autonomie der Kunst ins Rennen geschickt. Besonders Picabia lachte, weinte und träumte in Anführungszeichen und in den Bildern von Kunath folgt auf jedes verlogene, verklebte Gefühl ein Bruch, der den Raum hinter dem Verlogenen aufscheinen lässt.

Kunath hat ein sequentielles Getriebe emotionaler Samples, die in rasender Geschwindigkeit durch ein Bild rattern. Es gibt keinen geraden Weg mehr, Reales und/oder reale Gefühle zu vermitteln. Die visuelle globale Kultur hat nahezu alle optischen Signale zu Emojis eingedampft. Kunath flieht in diesen Repräsentationstornado hinein. Er driftet mit Paradoxien, Sarkasmen, Thekenhumor aus dem Erhabenen ins Nichts und dennoch hinterlässt jedes einzelne Gemälde, jede Zeichnung, jede Installation den Weg erahnen, der mit der Sehnsucht nach einem romantischen Gefühl beginnt. „Why does melancholy require exteriour infinity“ steht als eine Art tagebüchlicher Reflexion unter dem Gemälde „A Shady Paste of White” (2012). Kein Werk nutzt eine intakte Kommunikationslandschaft. Kunath benutzt die Schlegelsche Ironie wie ein Hooligan. Er zerschlägt alles, was eine Art Idyll, Versenkung, bürgerlich-idealistische Kulturkonsum-Routine sich so sehr wünscht. Er ist wie der Bieber seiner Installation/Skulptur, der einen der vier Beine eines Barhockers hin zur radikalen Fragilität angenagt hat. Niemand kann es sich in und mit Kunaths Arbeiten bequem machen. Er f**** seine Betrachter. Und lächelt sie dabei freundlich an. Denn: Not every clown belongs in the circus, wie es unter dem Bild “Wenn ein Mensch lebt”, heißt.

Das zeitgenössische Paradigma der Kommunikation ist: Sie ist noch unwahrscheinlicher geworden, als das Niklas Luhmann vermutet hat. Massenmedien haben in Verbindung mit einem monströsen kulturindustriellen Komplex, dem Sprechen, Schreiben, Malen, Filmen jede Unschuld geraubt. Und mit jedem kulturellen Schub folgt die zeitgenössische Kunst mit immer abstrakteren Ableitungen. Duchamp und Picabia waren die erste Ableitung, Warhol die zweite, Richter, Polke und Kippenberger die dritte und Kunath nun wagt die vierte Ableitung. Alle Mathematiker wissen: das ist ganz schön kompliziert und oft genug ist das Ergebnis: Null. Kleines Beispiel gefällig? Sehnsucht nach Liebe in totaler Einsamkeit und ohne jede Hoffnung. Erste Ableitung: Das Gefühl illustrieren in hübschen Klischees. Zweite Ableitung: die Popkulturelle Referenz zitieren: einen Popsong als Video oder Tonspur in eine Installation. Dritte Ableitung: einen Songtext von zB. Morrissey zitieren und hinschreiben. Vierte Ableitung: Friedrich Kunath schreibt: Morrissey Lyrics, (Fünfte Ableitung: Aus den beiden RRs des Sängers die Anfangsbuchstaben von Rolls Royce machen)

I dreamed it was a dream… that you were gone.

Kunath flowt durch die vierte Ableitung. Er hat sich locker gemacht und tanzt.

Am Ende ist es eben doch ganz große Romantik. Ganz am Ende. Nach allem. Nur wer all das andere, störende, dumme, beschissene, verkackte, zugekleisterte in das Säurebad der Dekonstruktion gelegt hat, sieht dann das einfache Glück. NOW IT’S JUST YOU AND ME. Steht dann auf einem abgerissenen Notizzettel einer Autovermietung. Oder die Skulptur, wo ein Grabkreuz das andere liebevoll in den Arm nimmt.

Kunaths großes Herz kann seinen Verstand als Todesstreifen nutzen, damit da bei Herz und Seele nix kaputt geht. Im Ideal. Nur im Ideal. Aber man sieht nach all den Dutzenden und Hunderten seiner Bilder, das da ganz viel ist. Dahinter. Und die Kunst ist die Mauer, über die jeder drüber klettern kann und will, der sich anfängt für diese wundervolle Werk zu interessieren. Es ist Arbeit, aber man lacht viel und am Ende steht man nach hundert Jahren Einsamkeit an einem schönen Strand, die Sonne geht unter. Und ja, dann ist da noch jemand. So einfach.

Friedrich Kunath (*1974) wurde in Chemnitz/Deutschland geboren und lebt und arbeitet in Los Angeles. Seine Malerei ist gleichermaßen von der deutschen Romantik und der amerikanischen Popkultur inspiriert. Kunath studierte an der Universität der Künste in Braunschweig, entschloss sich jedoch schon wenig später dazu, Deutschland zu verlassen. Sein künstlerisches Werk, das neben neben Malerei auch Skulpturen und Installationen umfasst, nutzt er um immer wiederkehrende Themen wie Sehnsucht, Einsamkeit, Euphorie und Furcht zu verhandeln.

Kunaths Arbeiten wurden bereits in Einzelausstellungen verschiedener bedeutender Institutionen gezeugt, darunter die Sammlung Philara, Düsseldorf, die Kunsthalle Bremerhaven, das Sprengel Museum, Hannover, der Schinkel Pavillon, Berlin, das Hammer Museum, Los Angeles, die Kunsthalle Baden-Baden und das Aspen Art Museum.

2012 wurde ihm der Sprengel-Preis für bildende Kunst der Niedersächsischen Sparkassenstiftung verliehen.

Text: Dr. Ulf Poschardt

Ausstellungsdaten: Samstag, 15. August – Sonntag, 18. Oktober 2020

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