post-title David Claerbout | Hemispheres | Esther Schipper | 30.04.-28.05.2022

David Claerbout | Hemispheres | Esther Schipper | 30.04.-28.05.2022

David Claerbout | Hemispheres | Esther Schipper | 30.04.-28.05.2022

David Claerbout | Hemispheres | Esther Schipper | 30.04.-28.05.2022

bis 28.05. | #3424ARTatBerlin | Esther Schipper präsentiert ab 30. April 2022 (Vernissage am 29.04.) die Ausstellung Hemispheres des Künstlers David Claerbout.

Gezeigt werden zwei großformatige Videoprojektionen: The Close, 2022, und Aircraft (F.A.L.), 2015-21. Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf die zwei Gehirnhälften, die jeweils unterschiedliche Informationen verarbeiten und sich in ihren Funktionen ergänzen, um das Bewusstsein zu schaffen; ebenso haben die beiden in der Ausstellung gezeigten Arbeiten unterschiedliche Schwerpunkte, repräsentieren aber gemeinsam reziproke Teile von Claerbouts Werk.

The Close verbindet die Rekonstruktion eines Amateurfilms aus der Zeit um 1920 mit einer digitalen 3D-Darstellung dieses Films. Die Stummfilmszene, die barfüßige Kinder zwischen eilenden Passanten in einer mit Backsteinmauern gesäumten Gasse – im Englischen als „close“ bezeichnet – zeigt, scheint kurzzeitig zu stocken. Als sich der Film auf ein kleines Kind konzentriert, das ein ungewöhnliches Lächeln in die Kamera wirft, friert der Film erneut ein, dieses Mal für eine unangenehm lange Zeit. Einige Augenblicke vergehen, bis ein sehr langsames Zoom auf das körnige Standbild einsetzt. Unmerklich hat sich das körnige Zelluloid in ein hochdetailliertes, quasi-technisches Porträt verwandelt, das Gesicht, Augen und Körper objektiviert. Während der Film das kleine Kind wie gebannt fixiert, es heranzoomt und umkreist, erklingen singende Stimmen. Die Musik, eine spezielle Aufnahme von Arvo Pärts Acapella-Komposition Da Pacem Domine aus dem Jahr 2004 für 24 Sängerinnen und Sänger, verleiht dem Film eine beschwörende Qualität und fügt dem Wunsch des Zuschauers nach einer authentischen Darstellung der Vergangenheit ein Element der sensorischen Kohäsion hinzu. The Close ist als eine kurze, emotionale Geschichte der Kamera gedacht und thematisiert das, was Claerbout als “dunkle Optik” bezeichnet: eine tiefgreifende, wenn auch chaotische Neukalibrierung der gängigen Vorstellungen von Bild, Information und Sprache, die sich derzeit vollzieht.

ART at Berlin - courtesy of the artist and Esther Schipper - David Claerbout - Hemispheres - Foto Andrea Rossetti 1 Exhibition view: David Claerbout, Hemispheres, Esther Schipper, Berlin, 2022,
Courtesy the artist and Esther Schipper, Berlin, © VG Bild-Kunst, Bonn, 2022,
Photo © Andrea Rossetti

Die in Aircraft (F.A.L.) dargestellte Hangarszene ist eine hybride Darstellung, die die Illusion einer fotografischen Realität erzeugt. Die Szene ist aus einer Kameraaufnahme einer leeren Fabrikhalle entstanden, die mit Hilfe eines aufwendigen 3D-Modells ergänzt wurde. Das Flugzeug in Aircraft (F.A.L.), ein Objekt, das zur Überwindung der Schwerkraft bestimmt ist, ruht auf einem provisorischen Holzgestell, dessen Fähigkeit, dieses zu tragen, zweifelhaft erscheint. Der glänzende Flugkörper wirkt zugleich unvollendet und redundant. Eine menschliche Präsenz fungiert als Avatar des Betrachters in diesem phantasmatischen Raum: dort sitzen zwei Wachleute, die gelegentlich von ihren Stühlen aufstehen und um das Flugzeug herumgehen; ihre hallenden Schritte geben einen hörbaren Eindruck der Weite des Hangars und fungieren als räumliche Orientierungspunkte. Darüber hinaus führt die Langeweile der Wachleute ein Element der vergehenden Zeit ein, das paradoxerweise für eine gewisse Spannung sorgt. Betrachter, die mit erzählerischen Strukturen des Kinos vertraut sind, suchen nach Hinweisen und finden kleine Abweichungen: ein Tisch, der in einer anderen Ansicht verschwindet, oder eine fehlende Spiegelung. Ähnlich wie bei The Close spielt David Claerbout mit unseren Erwartungen, indem er auf subtile Weise die visuellen Tropen einsetzt, die wir mit unterschiedlichen Medien zu assoziieren gelernt haben, um unser Vertrauen in das, was wir zu sehen glauben, zu unterminieren.

ART at Berlin - courtesy of the artist and Esther Schipper - David Claerbout - Hemispheres - Foto Andrea Rossetti
Exhibition view: David Claerbout, Hemispheres, Esther Schipper, Berlin, 2022,
Courtesy the artist and Esther Schipper, Berlin, © VG Bild-Kunst, Bonn, 2022,
Photo © Andrea Rossetti

David Claerbout, ursprünglich in Malerei und Zeichnung ausgebildet, ist für seine Arbeiten bekannt, in denen er Fotografie, Video, Digitaltechnik und Sound einsetzt. Seine Werke beschäftigen sich mit den Konzepten von Zeitlichkeit und Dauer, mit Bildern, die in einem Spannungsverhältnis zwischen Stillstand und Bewegung stehen, sowie mit der Erfahrung von gedehnter Zeit und der Erinnerung. David Claerbout selbst sagt, dass er “in der Dauer modelliert. Die Definition von Dauer ist eine andere als die von Zeit: Dauer ist kein eigenständiger Zustand wie die Zeit, sondern ein Zwischenzustand”. Mit seinen großformatigen videobasierten Installationen macht der Künstler den Betrachter zu einem Teil des Werks: sei es, indem er eine Verbindung zwischen den projizierten Bildern auf der Leinwand und dem Publikum herstellt, sei es, indem er eine räumliche Beziehung zwischen der Leinwand selbst und dem Ausstellungsraum herstellt, oder einfach, indem er einen Prozess zulässt, durch den sich “eine einzelne Szene durch die Anwesenheit des Betrachters und ein kleines bisschen Zeit zu einer anderen entwickeln kann.”

Eine parallele Ausstellung von David Claerbout mit dem Titel Dark Optics wird vom 27. April bis 4. Juni 2022 in der Sean Kelly Gallery in New York zu sehen sein.

ART at Berlin - courtesy of the artist and Esther Schipper - David Claerbout - The Close 3
David Claerbout, The Close, 2022. Still, single channel video projection, black & white,
6 channel surround sound, duration: 15:00 min, Edition of 7, © David Claerbout

David Claerbout wurde 1969 in Kortrijk, Belgien, geboren. Er studierte an der National Academy of Fine Arts in Antwerpen und an der Rijksakademie of Visual Arts in Amsterdam. Er lebt und arbeitet in Antwerpen und Berlin.   Im Jahr 2007 wurde David Claerbout mit dem Will-Grohmann-Preis der Berliner Akademie der Künste ausgezeichnet, 2010 erhielt er den Peill-Preis der Günther-Peill-Stiftung. Von 2002 bis 2003 nahm er am Berliner Künstlerprogramm des DAAD teil.

Zu den jüngsten Einzelausstellungen des Künstlers gehören: Kunstmuseum Basel ǀ Gegenwart (2020); David Claerbout, De Pont Museum, Tilburg (2021); David Claerbout: Unseen Sound, Garage Museum of Contemporary Art, Moskau (2021); David Claerbout, Olympia, Samstag Museum of Art, Adelaide (2020) and Galerie Rudolfinum, Prag (2020); David Claerbout: Laziness of Action, Kunst Museum Winterthur, Winterthur (2020); David Claerbout, Les Abattoirs, Toulouse (2018–19); David Claerbout, Kunsthaus Bregenz, Bregenz (2018); David Claerbout, Talbot Rice Gallery, University of Edinburgh, Edinburgh (2018); Olympia, Schaulager, Laurent Stiftung, Münchenstein (2017); David Claerbout: KING and The Pure Necessity, Pinacoteca de São Paulo, Sao Paulo (2017); Olympia, KINDL–Centre for Contemporary Art, Berlin (2016); and Die reine Notwendigkeit, Städel Museum, Frankfurt (2016).

Werke von David Claerbout befinden sich u. a. in folgenden Sammlungen: Centre Pompidou, Paris; The Museum of Modern Art, New York; SFMOMA, San Francisco; De Pont Museum, Tilburg; Walker Art Center, Minneapolis; Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin; ARC / Musée d’Art moderne de la Ville de Paris, Paris; MMK–Museum für Moderne Kunst, Frankfurt; Städel Museum, Frankfurt; Emmanuel Hoffmann Stiftung, Basel; Pinakothek der Moderne, München; Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Washington, D.C.; Solomon R. Guggenheim Museum, New York.

Vernissage: Freitag, 29. April 2022, 18:00 – 21:00 Uhr

Ausstellungsdaten: Samstag, 30. April – Samstag, 28. Mai 2022

Sonderöffnung zum Gallery Weekend Berlin: Samstag, 30 April und Sonntag, 1. Mai 2022 – 11:00 bis 19:00 Uhr

Zur Galerie

 

 

Bildunterschrift Titel: David Claerbout, The Close, 2022. Still, single channel video projection, black & white, 6 channel surround sound, duration: 15:00 min, Edition of 7, © David Claerbout

Ausstellung David Claerbout – Esther Schipper | Zeitgenössische Kunst in Berlin | Contemporary Art | Ausstellungen Berlin Galerien | ART at Berlin

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