bis 16.01. | #0327ARTatBerlin | Sprüth Magers Berlin zeigt bis zum 16. Januar 2016 eine Ausstellung mit der Künstlerin Andrea Zittel.
In den letzten 25 Jahren habe ich eine Praxis entwickelt, die der Frage nachgeht, was es bedeutet, in
unserer heutigen Kultur zu leben und daran teilzuhaben. Dieser Diskurs gründet auf der Verflechtung
von Räumen, Objekten und Aktivitäten des Alltags. „Wie soll man leben?“ und „Wodurch erlangt das
Leben Bedeutung?“ sind zentrale Fragen, gleichermaßen für mein persönliches Dasein und meine
künstlerische Praxis. Die Beantwortung dieser Fragen beinhaltet die kritische Auseinandersetzung mit
sozialen Normen, Werten, Hierarchien und Kategorien – also mit hochentwickelten menschlichen
Konstruktionen, die alle auf seltsame Art bedeutungsvoll sind und gleichzeitig willkürlich scheinen.
Auch in meinen neuen Arbeiten geht es wieder um ebendiese Auseinandersetzung mit dem Leben
und unseren Lebensweisen, wobei sie weniger traditionell funktional sind, sondern stattdessen die
Natur der Realität sowie der menschlichen Wahrnehmung untersuchen. Während meine Interessen
grundsätzlichere – und existentiellere – Züge angenommen haben, sind die Formen an sich einfacher
und elementarer geworden.
Die materielle Form, die in diesem Kontext ein wesentlicher Bestandteil geworden ist, ist das
„Paneel“ (das synonym auch als „Fläche“ oder „Ebene“ bezeichnet werden kann). In unserer
physischen Umgebung ist jedes „planare“, also ebene Element mit geraden Rändern von
Menschenhand geschaffen: man denke an Sperrholz, Rigipsplatten, Druckerpapier, eine Tischplatte
oder selbst ein Badehandtuch. Unsere gesamte konstruierte Welt ist aus solchen Flächen oder
Paneelen zusammengesetzt, was diese zu den perfekten amorphen Formen macht und sie befähigt,
zwischen unterschiedlichen Kategorien und gesellschaftlichen Rollen zu changieren. Ich glaube, dass
solche Paneelen sowohl eine reale als auch eine psychologische Komponente aufweisen: Von einer
Realitätsebene zu einer anderen überzuwechseln kann so banal sein, wie das Umblättern einer Seite
in einer Zeitschrift, wobei jede Seite eine eigene Realität repräsentiert; oder es kann so körperlich
sein, wie vor einer Wand zu stehen, die unser Seherlebnis lenkt und isoliert.
Die bei Sprüth Magers gezeigten Werke präsentieren eine Auswahl meiner neuesten
Auseinandersetzung mit ebenen Formen. Einige der Skulpturen und Wandarbeiten kombinieren
handgewebte Textilien und dicke Aluminiumplatten, die mit schwarzem, hochglänzendem Autolack
beschichtet sind. Innerhalb einer solchen Verbindung birgt jedes einzelne Paneel mit seiner
eigenständigen Form und Ästhetik das Potential, eine eigene Realitätsebene zu repräsentieren. Sich
überlagernde Flächen können sogar als zwei parallele Realitäten verstanden werden (die Webereien
sind beispielsweise Ergebnis einer kunsthandwerklichen Produktion, während die Metallplatten
Erzeugnisse industrieller Massenproduktion sind).
Die zwei Skulpturen in der Ausstellung sind funktionale Environments, denen man auf formaler,
konzeptueller oder physischer Ebene begegnen kann. Bench (after Judd) ist eine Hommage an die
Arbeit Bench des amerikanischen Bildhauers und Vertreters des Minimalismus Donald Judd, welche
er für sein Wohnhaus und Atelier in der Spring Street in New York schuf. Ich konzipiere immer wieder
Variationen dieser modularen Arbeit, da mich die Art und Weise fasziniert, wie in Judds Bank die
unterschiedlichen Ebenen von Boden-, Sitz- und Tischflächen zusammengeführt, beziehungsweise
vertauscht werden.
Planar Partition ist eine aus rechteckigen vertikalen und horizontalen Paneelen zusammengefügte
Konstruktion, in der unterschiedliche Materialien aufeinandertreffen, wie sie in Möbeln oder der
Architektur Verwendung finden. Diese Skulptur erzeugt erfahrbaren Raum, der definiert wird durch
negativen und positiven Raum, sowie vertraute Oberflächen und Proportionen. Ich habe hier mit dem
Begriff und der Bedeutung von Horizontalität und Vertikalität gearbeitet, wobei ersterer eine
funktionale und letzterer eine visuelle Wirkung zukommt – das Leben spielt sich auf Tischen und
Betten ab, während Gemälde betrachtet werden und zum Nachdenken anregen. Planar
Partition hinterfragt diese inhärenten Hierarchien.
Wenn meine Praxis die Frage stellt „Wie soll man leben?“, dann regen diese Werke dazu an, dass wir
uns der Natur unserer gewählten, weitestgehend konstruierten Realitäten bewusst werden – sei es in
architektonischer, ökologischer oder gesellschaftlicher Hinsicht. (Text von Andrea Zittel)
Andrea Zittel (1965, Escondido, USA) lebt und arbeitet in Los Angeles und Joshua Tree, Kalifornien.
Ihre Werke wurden in Ausstellungen weltweit präsentiert, Einzelausstellungen aus jüngster Zeit waren
unter anderem The Flat Field Works, Middelheim Museum, Antwerpen (2015), Eye on Design:
Andrea Zittel’s Aggregated Stacks and the Collection of the Palm Springs Art Museum, Palm Springs
Art Museum (2015), Lay of My Land, Magasin 3, Stockholm Konsthall (2011) und Baltic Centre for
Contemporary Art, Gateshead (2012), A-Z Habitable Island, Indianapolis Museum of Art (2010), ihre
Retrospektive im Schaulager Basel (2008) sowie Small Liberties, Whitney Museum of American Art,
New York (2006). Die Ausstellung Critical Spaces tourte 2005-07 durch Nordamerika, Stationen
waren unter anderem das Contemporary Arts Museum, Houston, New Museum of Contemporary Art,
New York, Albright-Knox Art Gallery, Buffalo, Museum of Contemporary Art, Los Angeles, und die
Vancouver Art Gallery, Kanada.
Vernissage: Samstag, 31. Oktober 2015, 17 – 20 Uhr
Ausstellungsdaten: Dienstag, 03. November 2015 – Samstag, 16. Januar 2016
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Bildunterschrift: Andrea Zittel, Installation Parallel Planar Panels, Sprüth Magers Berlin 2015 02
Andrea Zittel Ausstellung – Sprüth Magers Berlin – ART at Berlin