„Out and About“ heißt es im Haus der Kulturen der Welt von September 2016 bis Januar 2017. Umbau bedingt ist das HKW dann unterwegs mit Kooperationen in Berlin, Hamburg und München.
Aufgrund von laufenden Umbaumaßnahmen arbeitet das HKW von September bis zur Wiedereröffnung des Hauses im Januar 2017 – out and about – an anderen Orten und baut seine Kooperationen aus. Ungewöhnliche Orte und experimentelle Formate fügen sich zu spannenden Konstellationen in Berlin, Hamburg und München. Und auch über die Wiedereröffnung im Januar 2017 hinaus führen Kooperationen nach New York, Düsseldorf, Dresden, Zürich und weitere Städte.
Mit den Begriffen „Ding“ und „Körper“ wird das „Wörterbuch der Gegenwart“ fortgeschrieben. Am 10.10. 2016 setzen sich die postkoloniale Vordenkerin Gayatri Spivak, die Museumswissenschaftlerin Sharon Macdonald und der Kultursoziologe Tony Bennett im Ethnologischen Museum mit dem „Ding“ auseinander. Der Anthropologe Arjun Appadurai wird diese letzte öffentliche Diskussionsveranstaltung in Dahlem kommentierend begleiten, bevor die Sammlung ins Humboldt-Forum umzieht. Vor 100 Jahren wurde der weltkriegsversehrte Körper Wegbereiter für die Entwicklung der ästhetischen Chirurgie. Im ältesten anatomischen Hörsaal der Charité entwickelt Kader Attia am 03.11.2016 drei Erzählungen über den „Körper“ und zeigt im Gespräch mit der Politikwissenschaftlerin Françoise Vergès und dem Schönheitschirurgen Maurice Mimoun Grenzen des Körperbegriffs auf. Attias Konzept der ‚Reparatur‘ als eine Konstante des Lebens wirft in unmittelbarer Nachbarschaft einer der umfangreichsten historischen Präparatesammlungen grundlegende ethische Fragen auf.
Zu den Anfängen der Popkultur in der Bundesrepublik der 60er Jahre führt „50 Jahre Beat und Prosa – Reenacting Hubert Fichte“. Fichte thematisierte als erster Autor in der bundesdeutschen Literatur so etwas wie den Underground, die Gegenkultur. Der queere Ethnograf, Wanderer zwischen den Welten und präziser Beobachter der Gesellschaft, las am 02.10.1966 im Hamburger Star-Club aus seinem noch nicht fertiggestellten Roman „Die Palette“. Im Wechsel mit seinen Beiträgen traten die Liverpooler Beatgruppe „Ian & The Zodiacs“ und der Folksänger Ferre Grignard aus Antwerpen auf. Das HKW feiert den 50. Jahrestag dieses Abends mit einem zeitgenössischen Reenactment am 01. und 02.10.2016 im ACUD, Berlin, einem der ältesten Kunst- und Kulturhäuser in Berlin-Mitte, und im Golem, Hamburg, ein nächtliches Wohnzimmer der Hamburger Bohème, wo gepflegte Konversation und ausschweifender Exzess sich nicht ausschließen.
Seit Herbst 2014 macht das HKW Projekte zusammen mit Geflüchteten und ist Mitbegründer von „Berlin Mondiale“, einer Initiative zahlreicher Berliner Kulturinstitutionen. Es entstanden Projekte wie „www.arriving-in-berlin.de“, eine Stadtkarte für Neuankommende, konzipiert und umgesetzt von Geflüchteten. Für die Reihe „Tonspuren“ hat die Kuratorin Nanna Heidenreich drei Projekte über Flucht und Migration ausgewählt, die als Video, Film oder Hörspiel das Grundrecht anzukommen und die Fähigkeit zuzuhören künstlerisch umsetzen. Am Wahl-Sonntag 18.09.2016 können Besucher_innen Constanze Fischbecks Work-in-progress „Terra Nova“ auf dem umgewidmeten Jerusalem Friedhof in Neukölln entdecken. Eine mobile Videoinstallation lässt nacherleben, was „hier modellhaft erprobt wird, aber gesellschaftlich noch nicht durchsetzbar ist.“ Die Gärtnerei.Berlin ist eine von Geflüchteten, Aktivisten, Expert_innen, Neu- und Alt-Berlinern betriebene Gärtnerei mit Café, Urban Gardening und vielem mehr. Weitere Einblicke vermittelt der moderierte „Tauschmarkt“ über das neue Leben rund um die Gärtnerei. Am 18.11.2016 zeigen der Filmemacher Philip Scheffner und Co-Regisseur Colorado Velcu bei „Eines Tages“ ihre Dokumentation „And-Ek Ghes…“ über das Ankommen von Velcu und seiner Großfamilie in Berlin. Beide Regisseure lassen die Grenzen zwischen Sujet und Dokumentierenden verschwimmen und in einander übergehen. Das anschließende Gespräch mit den Filmemachern wird ergänzt um Eva Ruth Wemme, die als Autorin über ihre Begegnungen mit rumänischen Roma in Berlin geschrieben hat, für die sie dolmetscht und die auch für den Film als Übersetzerin gearbeitet hat. „Achtung, Aufnahme“, von der Radioautorin Julia Tieke für die Kuppelhalle des Kulturquartiers „Silent Green“ entwickelt, erzählt vom 15.-16.12.2016 Geschichten über das Ankommen in Deutschland. Die Soundinstallation im Raum spielt mit verschiedenen Bedeutungsebenen von „Aufnahme“ und mit verschiedenen Aspekten von Zuhören und Übersetzung.
Fast 100 Jahre nach Gründung der Weimarer Republik erkunden Rimini-Protokoll die Demokratie als Großbaustelle. 2016-2018 entwickeln sie in Kooperation mit dem HKW in München, Düsseldorf, Dresden und Zürich Vor-Ort-Recherchen. Die erste Folge von Staat 1–4 ist eine Produktion von Rimini-Protokoll mit den Münchner Kammerspielen. „Top Secret International (Staat 1)“, koproduziert vom Goethe-Institut, führt ab dem 09.12.2016 in die Münchner Glyptothek, mitten hinein in das globale Netz der Staatsgeheimnisse und ihrer stummen sprechenden Zeugen und Mitwisser. Weitere Erkundungen der Phänomene der Postdemokratie treibt das Autoren-Regie-Kollektiv als Kooperationen zwischen dem Haus der Kulturen der Welt, dem Düsseldorfer Schauspielhaus Gesellschaftsmodell Großbaustelle (Staat 2), dem Staatsschauspiel Dresden Träumende Kollektive (Staat 3) (AT) und dem Schauspielhaus Zürich Weltzustand Davos (Staat 4) (AT). 2018 wird Staat 1–4 in Berlin am HKW und anderen Orten en suite gespielt werden.
Am 12.01.2017 folgt eine Kooperation mit dem HAU – Hebbel am Ufer. „Utopischen Realitäten“, rund um die erste sowjetische Botschafterin und schillernde Frauenrechtlerin Alexandra Kollontai. Vier internationale Theaterkünstler_innen hinterfragen die gesellschaftlichen und künstlerischen Umbrüche der Anfänge der Russischen Revolution. Im Januar 2017 wird das Haus der Kulturen der Welt mit einem großen Fest zur transmediale wiedereröffnet.
Ende 2012 bewilligte der Deutsche Bundestag für eine zweite Teilinstandsetzung 10 Millionen Euro Sonderförderung. Das aus einem offenen Wettbewerb hervorgegangene Hamburger Architekturbüro DFZ Architekten GmbH begann Anfang 2014 mit der Planung. Schwerpunkte der Bauarbeiten, die DFZ Architekten und das Ingenieurbüro INNIUS GTD durchführen, sind neben der bereits abgeschlossenen Dachsanierung die akustische Optimierung und flexible Nutzung des Auditoriums, seine auf drei Größen erweiterbare Bühne und eine neue, variable Bestuhlung. Die Modernisierung des Akustiksystems ist auf das breit gefächerte Programm zugeschnitten: von Diskussionen und Lesungen bis zu allen Schattierungen zeitgenössischer Musik. Ein weiterer Schwerpunkt ist die umfassende Modernisierung der Studiogalerie.
Das Haus der Kulturen der Welt wird durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie durch das Auswärtige Amt gefördert.
Bildunterschrift: ART at Berlin
„Out and About“ – HKW von 09/2016 bis 01/2017 – ART at Berlin