bis 22.02. | #4561ARTatBerlin | Meyer Riegger präsentiert ab 17. Januar 2025 (Vernissage 16.01) die Gruppenausstellung „I though I had lost a soul here“ der Künstler*innen Tamina Amadyar, Hangama Amiri, Horst Antes, Katinka Bock, Miriam Cahn, Eva Koťátková, Jeewi Lee, Paulo Nazareth, Salvo, Michael Schmidt, Mike Silva, Feier Yu und Meng Zhang.
Die Gruppenausstellung I thought, I had lost half a soul here thematisiert die vielen möglichen Bedeutungen von „Home“ sowie die Erfa rung, keinen solchen Zufluchtsort zu haben. Aus den Perspektiven von zwölf Künstler*innen erkunden die Gemälde, Zeichnungen, Fotogr fien, Textilarbeiten und Skulpturen Themen wie Zugehörigkeit, Schutz, Heimatlosigkeit, Zuflucht und Koexistenz. Der Titel der Ausstellung stammt aus dem Gedicht Aachen (2016) von Meng Zhang (*1983, Tianjin, China). Zhang studierte Literatur, bevor sie sich der bildenden Kunst zuwandte. Ihre poetischen Zeichnungen und Drucke erinnern oft an Karten oder verzweigte Wege, die ihren Balanceakt zwischen westlichen und chinesischen Kunsttraditionen und Lebensweisen widerspiegeln. In ihrem Werk At Nowhere No.1 (Nirgendwo) (2020) erze gen die Kohle- und Wachsspuren auf dem zarten Transparentpapier ein Gefühl des Verlorenseins – physisch, geografisch und kulturell – s wie gleichzeitig die Sehnsucht, einen eigenen Platz zu finden.
Meng Zhang At Nowhere No.1 (Nirgendwo) 2020, charcoal, wax on transparent paper 120 x 180 cm
Meng Zhang At Nowhere No.1 (Nirgendwo) 2020, charcoal, wax on transparent paper 120 x 180 cm. Installation view
Tamina Amadyar (*1989, Kabul, Afghanistan) hat für ihr Textilwerk buji (2024) bemalte Leinwandreste zu Stoffbeuteln vernäht. Diese erinnern an Reissäcke auf Märkten. Das Kochen und Wiederentdecken afghanischer Gerichte – oft mit Reis als Zutat – verbindet Amadyar mit ihren Wurzeln. buji ist Teil einer Serie, in der die Künstlerin die Intimität, Weichheit und Wärme von Stoffen erforscht, darunter auch Materialien wie Matratzen, Decken oder Kissen.
Tamina Amadyar buji 2024, pigments and glutin on canvas, filled with polyester cotton 28 parts, 40 x 50 x 12 cm each; overall 72 x 130 x 50 cm
Tamina Amadyar buji 2024, pigments and glutin on canvas, filled with polyester cotton 28 parts, 40 x 50 x 12 cm each; overall 72 x 130 x 50 cm. Installation view
Auch in Eva Koťátkovás (*1982, Prag, Tschechien) Installation What if… (2022/25), die gemeinsam mit ihrer Mutter Dana Koťátková (*1956, Prag, Tschechoslowakei) entstanden ist, spielen Textilien eine zentrale Rolle. Die Arbeit verweist auf die kontinuierliche Zusammenarbeit der Künstlerin mit ihrer Mutter, die ihr beim Schneiden, Heften und Nähen der Objekte für ihre Installationen hilft – eine Tätigkeit, die häufig im Schlafzimmer der Mutter stattfindet. Die Installation spiegelt die Gespräche der beiden Frauen in dieser intimen Umgebung über die Erfahrungen der Mutter während des Aufwachsens in ihrer Heimatstadt in Zeiten des kommunistischen Regimes wider.
Eva & Dana Koťátková What if…2022/25, wood, metal, fabric, shoes, clothes, paper approx. 175 x 330 x 220 cm
Eva & Dana Koťátková What if…2022/25, wood, metal, fabric, shoes, clothes, paper approx. 175 x 330 x 220 cm
Das Bild eines Bettes als Symbol für Wärme und Geborgenheit wird in Miriam Cahns (*1949, Basel, Schweiz) Werk k-bett (1982) durch die rauen Kohlestriche und die gedeckten Farben aufgebrochen. Die Darstellung eines Krankenhausbettes zeigt, wie unterschiedlich ein Objekt je nach Kontext wahrgenommen werden kann. Während ein Bett zuhause Sicherheit vermittelt, bleibt dieser Ort vielen Menschen durch Krankheit, häusliche Gewalt, Obdachlosigkeit oder Vertreibung versagt.
Miriam Cahn k-bett 1982, coal on parchment 285 x 400 cm
Michael Schmidt (*1945–2014, Berlin, Deutschland) begann seine Karriere als freier Fotograf für den Berliner Senat. Seine Serie Berlin Wedding (1977/78) dokumentiert in nüchternem Stil den Alltag im Westen der Stadt. Spätere Arbeiten wie Irgendwo (2001 04) zeigen hingegen düstere Bilder des Lebens in der deutschen Provinz und werfen die Frage auf, ob „Home“ immer mit Behaglichkeit verbunden ist.
Michael Schmidt Untitled (from Berlin Wedding)1977/78, gelatin silver bromide print toned gold framed by the artist, diptych 16,3 x 23,9 cm; each 45 x 47,3 cm, framed
Michael Schmidt Irgendwo 2001–2004, gelatin silver bromide print toned gold framed by the artist group of 9 photographs 32,3 x 40,7 cm each; 40,4 x 49,7 cm each, framed
Mike Silvas (*1970, Sandviken, Schweden) Gemälde Bedroom Interior (2024) hingegen strahlt Wärme und Zärtlichkeit aus. Seine ruhigen Arbeiten basieren auf Fotos, die in London in den 1990er und frühen 2000er Jahren entstanden sind. Sie wirken wie eingefrorene Erinnerungen an vergangene Orte, die ihm, seinen Freunden oder Partnern einst als Zuhause dienten.
Mike Silva, Bedroom Interior, 2024, Öl auf Leinen, 91,4 x 66 cm. Courtesy The Approach
Jeewi Lee (*1987, Seoul, Korea) greift in ihrer Serie Past Tense auf altes Hanji-Papier zurück, das traditionell als Bodenbelag in koreanischen Häusern genutzt wurde.Die handgefertigten Papiere tragen Spuren des Alltags wie Brand- und Teeflecken oder Bügelabdrücke. Diese Überreste erzählen von Koreas bodenorientierter Wohnkultur und lassen die Papiere wie abstrakte Landschaften wirken.
Jeewi Lee Past Tense_312025, Hanji Jangpan mounted on wood 82 x 72 cm framed
Jeewi Lee Past Tense (series)ongoing, Hanji Jang pan mounted on wood
Ebenso widmen sich die Skulpturen und Installationen von Katinka Bock (*1976, Frankfurt am Main, Deutschland) der Beziehung zwischen Menschen, den Objekten, die sie nutzen, und den Räumen, die sie bewohnen. Ihre Werke bewirken oft subtile Verschiebungen in der Wahrnehmung, indem sie Architektur, Objekte und Umgebungen auf mehr oder weniger offensichtliche Weise verändern – mit Auswirkungen darauf, wie wir uns verhalten – bewusst oder unbewusst. Ihr Werk Wesen (2024) besteht aus einem alten Gusseisenheizkörper, der die Basis für eine grün glasierte Keramik bildet.
Katinka Bock Wesen2024, glazed ceramic, glass, cast iron radiator, steel 43 x 63 x 87 cm
Katinka Bock Wesen2024, glazed ceramic, glass, cast iron radiator, steel 43 x 63 x 87 cm
Dass Alltagsmöbel Träger von Bedeutungen sein können, zeigt auch Feier Yus (*1995, Hangzhou, China) malerische Installationm Ripples (2024). Im Mittelpunkt steht ein antiker Spieltisch, der traditionell für das ostasiatische Brettspiel „Go“ genutzt wurde – ein Gegenstand, der in früheren Zeiten in vielen chinesischen, japanischen oder koreanischen Haushalten zu finden war. Zwei Seiten des Brettes zeigen Abbildungen von Ginsenglikör, einem in China und Korea weit verbreiteten Getränk. Die Kombination aus Tisch und Likör veranschaulicht, wie nicht nur Gegenstände, sondern auch Speisen und Getränke kraftvolle Symbole unserer kulturellen und geografischen Wurzeln werden können.
Feier Yu Ripples2024, antique chess board, oil paint, mixed media 36,2 x 32 x 25,4 cm
Feier Yu Ripples2024, antique chess board, oil paint, mixed media 36,2 x 32 x 25,4 cm
Hangama Amiris (*1989, Peschawar, Pakistan) Textilcollage Sahar, Nail Salon and Eyelash Extensions #3 (2020) erinnert an eine Werbeanzeige für einen Schönheitssalon. Seit ihrer Flucht aus dem von den Taliban kontrollierten Kabul im Alter von sieben Jahren ist „Home“ für Amiri weniger mit einer greifbaren Realität verbunden, als vielmehr mit Gefühlen und Erinnerungen, die sie gemeinsam mit Erfahrungen der Diaspora in ihren Arbeiten verwebt. Unter der Herrschaft der Taliban sind Frauen in Afghanistan im öffentlichen Raum weitgehend unsichtbar und stumm. Mit diesen Werken versucht Amiri, ein Gefühl für Zeit und Ort zu schaffen, während sie zugleich auf die aktuelle politische Situation verweist.
Hangama Amiri Haji Saleh Zadah, Goldsmith2020, cotton, chiffon, muslin, silk, velvet, table cloth, linen, wallpaper inkjet prints on paper, irid scent paper, marker, polyester, beads, plastic, acrylic paint, suede, and found fabrics 307 × 236 cm
Hangama Amiri Haji Saleh Zadah, Goldsmith2020, cotton, chiffon, muslin, silk, velvet, table cloth, linen, wallpaper inkjet prints on paper, irid scent paper, marker, polyester, beads, plastic, acrylic paint, suede, and found fabrics 307 × 236 cm
Gedanken zu erzwungener Vertreibung und staatlicher Unterdrückung sind auch wesentlich für die Arbeiten von Paulo Nazareth (*1977, Governador Valadares, Brasilien). Nazareths Schaffen umfasst Video, Malerei, Fotografie und Skulpturen, die auf seinen nomadischen Reisen entstehen. Sein kraftvollstes Medium sind jedoch die Beziehungen, die er unterwegs zu den Menschen knüpft. In seinem Werk Pueblos originarios de Sudamérica (2015) macht Nazareth auf Indigene Gruppen in Südamerika aufmerksam, die seit der europäischen Kolonialzeit oft Opfer von Vertreibung und Unterdrückung wurden.
Paulo Nazareth Pueblos originarios de Sudamérica 2015, graphite on paper, dimensions variable
Salvatore Mangione, bekannt als Salvo (*1947, Sizilien, Italien–2015 Turin, Italien), verbrachte seine Kindheit in Sizilien, bevor er im Alter von neun Jahren nach Turin zog. Die Landschaft Senza titolo (1991) zeigt eine Palme im warmen Licht des Sonnenuntergangs neben einem Minarett. Salvo ließ sich für seine Werke während Reisen durch Südeuropa, Nordafrika und Asien inspirieren. Seine verträumten Lan schaftsgemälde – Kompositionen aus vereinfachten und idealisierten Architektur- und Landschaftselementen – können als dyllische Repr sentationen seiner mediterranen Heimat betrachtet werden, einer Region mit einer reichen Geschichte kulturellen Austauschs und Zusammenlebens
Salvo Senza titolo 1991, oil on canvas 20 x 40 cm
Auch Horst Antes (*1936, Heppenheim, Deutschland) zeigt in seinen HausGemälden Gebäude, die auf ihre einfachsten Formen reduziert sind. Sie erinnern an case coloniche, traditionelle italienische Bauernhäuser, wie sie Antes seit Mitte der 1990er Jahre in dem kleinen Tal in Italien, wo er lebt, täglich sieht. Nachdem er nach dem Ausbruch des Falklandkriegs das menschliche Porträt aufgegeben hatte, begann Antes, Wohnstätten zu malen. Ohne Fenster und Türen wirken diese Häuser unzugänglich, wie heilige Tempel. Ähnlich wie bei seinen früheren „Kopffüßler“-Figuren sind sie abstrakte Symbole monumentale, zeitlose Archetypen eines der grundlegendsten und stärksten menschlichen Bedürfnisse: „Home“.
Horst Antes Rotes Haus 1990, acrylic with sawdust on wood 130 x 100 cm
Horst Antes Rotes Haus 1990, acrylic with sawdust on wood 130 x 100 cm
Vernissage: Donnerstag, 16. Januar 2025, 18:00 – 21:00 Uhr
Ausstellungsdaten: Freitag, 17. Januar bis Samstag, 22. Februar 2025
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Bildunterschrift Titel: I thought, I had lost half a soul here 2025, Installation view, Meyer Riegger, Berlin. Fotos: Oliver Roura
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