bis 19.10. | #4374ARTatBerlin | BBA Gallery zeigt ab 06. September 2024 die Gruppenausstellung Echoes of tomorrow. yes, today! der Künstler*innen Verena Bachl, Rhys Himsworth, Chirag Jindal, Sven Windszus und WHYIXD.
Angesichts des raschen Wandels neuster technologischer Entwicklungen in Verbindung mit einer sich ständig weiterentwickelnden Medienlandschaft, sind wir ständig auf der Jagd nach dem Neuesten. Mitunter springen wir auf bestimmte „Trends“ auf, hüllen sie in ein neues Gewand und bezeichnen das als „Kunst“. Den grundlegenden, tieferen Fragen jender Kunst, die eine Galerie präsentiert, ihren Zweck ihre Existenz vergessen dabei oft. Jenem, was gerade angesagt ist zu folgen, hat wenig mit dem Kern der zeitgenössischen Kunst gemein.
Viele Künstler*innen sind neugierig auf neue Technologien und neue Medien. sind experimentierfreudig und nutzen die Technik und Medien, um ein kreatives Ergebnis zu erzielen. Doch wem gelingt es, etwas nachhaltiges zu erschaffen, was über die einfache Konzeptualisierung oder den technischen Nervenkitzel hinausgeht? Die Kunst wird schließlich auch an ihrer Fähigkeit gemessen, über die kurze Lebensdauer eines bestimmten Tech-Hypes hinaus zu bestehen.
Die Künstler, die in der BBA Galerie Berlin ausgestellt werden, widersetzen sich diesen „Trends“ indem sie unsere Beziehung zu uns und zur Natur hinterfragen. Die Vorstellungskraft und die Erinnerung sind grundlegende Aspekte der menschlichen Wahrnehmung. Sie werden durch die Technologie und Medien beeinflusst.
Medien und Technologien werden eingesetzt, um Grenzen zu verwischen, Genres zu verbiegen, das Unsichtbare zu dokumentieren und die Kunst in unerforschte Bereiche zu führen. Dabei beeinflussen sich die Vorstellungskraft und die Erinnerung gegenseitig.
Die Künstler der Gruppenausstellung „Echos von morgen, schon heute!“ nutzen das kollektive und persönliche Gedächtnis, um die Vorstellungskraft anzuregen. Die Vorstellungskraft kann, wenn sie wiederholt abgerufen wird, als lebendige oder verzerrte Erinnerung dienen, sich in Form eines persönlichen Mythos herauskristallisieren oder dazu dienen, neue Perspektiven in unser kollektives Denken mit einzubringen. Ein ambitionierter und geschickter Umgang mit technologischen Werkzeugen und mit der Orientierung innerhalb einer sich rasant wandelnden Medienlandschaft. Diese Künstler und ihre Werke bremsen unsere aufmerksamkeitsorientierte Wirtschaft und Gesellschaft aus. Sie stehen im Stillstand und testen den Takt der Zeit.
Verena Bachl
● Deutsche Staatsbürgerin, lebt und arbeitet in Berlin.
● Nominiert für die Shortlist des BBA-Künstlerpreises 2023
Aesthetica Art Prize Nominiert | Ars Electronica Art
Verena Bachl, Everthing Will Be Fine / Alles wird gut, Installation
Die Installation Everything will be fine ist der Bewahrung der Vergangenheit und der Vergänglichkeit unserer biologischen Vielfalt gewidmet. Sie zeichnet ein radikales, aber wahrscheinliches Bild des Massensterbens, das weitgehend unbemerkt abläuft oder ignoriert wird. Das Kunstwerk besteht aus 500 natürlich verstorbenen Insekten, die konserviert und mit Gold überzogen wurden, um ihren wahren Wert für ein funktionierendes Ökosystem widerzuspiegeln. Trotz der unbestrittenen Ästhetik werden wir vom schönen Schein geblendet, denn unter einer goldenen Schicht verbirgt sich der Beweis für jenes, was der Mensch um seiner Existenz willen zu opfern bereit ist. Die Erinnerung und der Beweis für ihre Existenz, sowie ihr genetischer Code werden in ihrem goldenen Grabmal eingeschlossen, dem die Zeit nichts mehr anhaben kann.
Das Stillleben verschmilzt Erinnerung und Fantasie mit einer minimalistischen Darstellung von Antidepressiva-Pillen, die wie ein Kalender angeordnet sind und die monotone Routine einer chronischen Krankheit betonen. Versteckte Symbole und Wörter, die allenfalls sichtbar sind, wenn das Licht im richtigen Winkel auf sie trifft, verraten Botschaften über Licht.
Still Life spiegelt die Erfahrungen der Künstlerin mit psychischen Erkrankungen während des Covid-19-Lockdowns und verwandelt eine sterile Routine in eine Metapher für Widerstandsfähigkeit und Hoffnung, die den Betrachter dazu einlädt, eine tiefere Bedeutung zu entdecken.
Sie konstruiert Welten rund um das Konzept der Erinnerung und der Vorstellungskraft, indem sie Erzählungen webt, die etwa die Komplexität dessen erforschen, wo der Mythos beginnt und die Erinnerung versagt. Dazwischen liegt die rätselhafte Natur der Ungewissheit.
Ihre Arbeit beleuchtet drängende zeitgenössische Themen und stellt Stereotypen in Frage, indem sie eine spekulative Szenografie schafft, die den Betrachter in eine synthetische Atmosphäre eintauchen lässt, die an ihre natürlichen Gegenstücke erinnert. „Indem ich bewusst die Grenze zwischen Realität und Fantasie verwische, lädt meine Arbeit dazu ein, unsere Wahrnehmung der Realität zu hinterfragen und vielfältige Perspektiven und Schichten der Existenz aufzuzeigen“, sagt die Verena Bachl.
Rhys Himsworth
● Walisische Künstler lebt und arbeitet in Berlin
● Vertretener Künstler. Letzte Einzelausstellung in der BBA Galerie 2022
2023/ 20 Wales Arts International Award
VCUPresidential Research Quest Award
Conran Foundation Award
Land Securities Prize
R.K. Burt Prize
Runner Up Deutsche Bank Award
Rhys Himsworth, „Hyperaccumulator 04“
Die Arbeit besteht aus drei unterschiedlichen Werkgruppen, die sich alle auf die Begriffe Erinnerung und Vorstellung beziehen. Sämtliche Arbeiten befassen sich mit dem Begriff der Erinnerung und der Vorstellungskraft– und zwar aus der Perspektive der Landschaft. Sie beschäftigen sich damit, wie kulturelle, historische und geopolitische Erinnerung in technologische Materialien eingebettet sind.
Die Arbeiten zielen darauf ab, die Erinnerung auszugraben, indem sie ihre Materialien auf einer metaphorischen Ebene mit dem Land vereinen, aus dem sie stammen. Dabei entsteht ein Diskurs mit oftmals unsichtbaren und umständlichen Wegen des globalen Handels. Zentrales Thema ist die Kommunikation, den Konsums und um die Gewinnung von Rohstoffen.
Die ausgewählten Materialien bestehen aus Elektroschrott und fossilen Brennstoffen, die in der jüngeren Vergangenheit für Träume von utopischen Zukunftsvorstellungen gestanden haben. Die Anschauung, dass die Vorstellungskraft einen positiven Wandel bewirken kann, erscheint allenfalls als Erinnerung. In diesem Sinne spielt die Arbeit mit der Logik, aber auch mit der Vorstellungskraft und Erinnerung. Diese kreisen umeinander. Ein passender Hinweis auf Begriffe wie Zeit, die in Online-Kulturen neu konfiguriert werden. Lineare Zeitlinien werden neu rekonstituiert.
Das erste Werk stellt eine Flora dar, die am Rand der globalen Mineralienminen liegt. Die Bilder entstehen auf einem Bett aus zerkleinerten LCD-Bildschirmen, die Mineralien enthalten, die dem Werk zu einer dunkle Farbpalette verhelfen, während die schimmernde und perlmuttartige Qualität des Werks von zerkleinertem Quarzglas abgeleitet ist, aus dem einst die Bildschirme von Handys, Tablets und Computern bestanden.
Das Werk beinhaltet somit die Erinnerung an die ursprüngliche Existenz, die von der Vorstellung einer technischen Utopie geprägt wurde. Die Erinnerung an das Material legt die rohen Mineralien frei, aus dem es hergestellt ist. Und bezieht sich somit auch auf die Erinnerung an einen Ort und eine Reise. Doch wie bei der Rückkehr an einen Ort, der in einer anderen Zeit existierte, ist auch das Material nie mehr dasselbe. Es wurde durch den Konsum der Unterhaltungselektronik zerstört, die die Fantasie der Nutzer und Schöpfer einst beflügelte.
In „Monoliths“ (Arbeitstitel) wird der Künstler eine Reihe von hybriden Gemälden verwirklichen. Diese Gemälde werden die Bilder des Desktops, des Tablet-Hintergrunds und des Bildschirmschoners verwenden, um Werke in 2,5 Dimensionen zu erschaffen, die mit speziell entwickelten hybriden Materialien aus Elektroschrott hergestellt werden. Bei der Herstellung der Werke wird ein Substrat aus Schichten von Elektroschrott entwickelt, das einen hybriden Verbundwerkstoff bildet, der die Erinnerung an die Landschaft enthält, geologische Zeit suggeriert und in starkem Kontrast zur Hypergeschwindigkeit der technologischen Zeit steht. In Anlehnung an topologische Darstellungen, die üblicherweise mit Geologie und Daten assoziiert werden, wenden sie die wissenschaftliche Vorstellung von Erinnerung als etwas Empirisches an, während ihr Bezug zur Abstraktion Vorstellungen von einem Ort suggeriert, der in die Verflechtung von geschichteten Erinnerungen und Vorstellungen eingebettet ist, bei denen empirische Wahrheiten in den Hintergrund treten. Folglich befinden sie sich in einem paradoxen Bereich, der die Erinnerung der Vorstellungskraft nährt wie umgekehrt.
Das dritte Werk umfasst eine typologische Serie von monochromen Gletscherformen, die auf Kohlenstaub aus dem arktischen Grundgestein gedruckt sind. Die Bilder wurden im Rahmen der Arctic Circle Residency Expedition aufgenommen. Die Landschaft der Arktis erodiert kontinuierlich und wird zum großen Teil durch die technologische Entwicklung ausgebeutet. Die Landschaft, die den meisten Menschen aufgrund ihrer Abgeschiedenheit unbekannt ist, existiert in der Vorstellung, während ihre Erosion durch den technischen Fortschritt bedeutet, dass sie bald nur noch eine Erinnerung sein wird. Das Werk wirkt wie ein Memento mori für einen Ort der Vorstellung und der Erinnerung.
Chirag Jindal
● Neuseeländische Künstler lebt und arbeitet in Auckland
● 1.Preisträger des BBA Photography Prize 2019
● Vertretener Künstler. Letzte Einzelausstellung in der BBA Gallery 2021
● WinnerUnder30sAward,Royal Photographic Society | London UK
Runner Up Majaoja Prize | Tampere FINLAND
Winner RT Nelson Emerging Artist Award | Wellington NZ
Winner Interphoto Grand Prix | Bialystok POLAND
Winner BBA Photography Prize | Berlin GER
Winner LAB 13 Art Prize | Rome IT
Winner Schauerman Digital Art Prize | London UK
Finalist Bird in Flight Prize | Kyiv UKRAINE
Finalist Aesthetica Art Prize | London UK
Finalist Meitar Award | Tel Aviv ISRAEL
Finalist Arte Laguna Prize | Venice ITALY
Chirag Jindal, Ambury Road
Into the Underworld / Ngā Mahi Rarowhenua ist eine fortlaufende Serie (2018-2021), die unter Verwendung von LiDAR produziert wird – einer aufkommenden Form der linsenbasierten Bildgebung, die bei archäologischen Vermessungen und in der Kriminaltechnik eingesetzt wird. Jenes Instrument, welches das Licht als Medium verwendet, registriert seine Umgebung in Millionen von präzise gemessenen Punkten und übersetzt die Welt in ein digitales Faksimile.
Die Farbe wird in einem traditionellen fotografischen Prozess abgebildet, wobei die gesättigten Farbtöne von Texturen und Oberflächen auf jeden einzelnen Datenpunk übertragen werden. Die Technik wird eingesetzt, um die Lavahöhlen von Auckland zu dokumentieren – eine unsichtbare, verfallene Landschaft, die durch ein Jahrhundert der rasanten Ausbreitung der Städte verwüstet wurde.
Die Höhlen, in denen sich einst urupā (Begräbnisstätten) und Kriegsunterkünfte befanden, werden von mana whenua (lokalen Māori-Gruppen) als wāhi tapu (als heilig) betrachtet. Ihre Existenz gilt allenfalls als urbaner Mythos und ist nicht allgemein bekannt. Die laufenden Entdeckungen werden durch die Verdichtung der Vorstädte zunichte gemacht. Es wird erwartet, dass am Ende des Jahrhunderts nur noch wenige übrig sind.
Untersucht wird die Rolle der Fotografie bei der Dokumentation, der Erinnerung und der Projektion von „Wahrheit“. Mit Hilfe wissenschaftlicher Instrumente wird versucht, eine zum urbanen Mythos gewordene und folglich verfallene Landschaft, die weitgehend in der Erinnerung und in der Vorstellung existiert, zu versachlichen. Ein 3D-Kartierungsinstrument ermöglicht LiDAR auch die Untersuchung von zuvor unsichtbaren dichotomen Beziehungen: Oberfläche und Untergrund, Bekanntes und Unbekanntes, bebaute Umwelt und Landschaft.
Noch wichtiger ist, dass es sich um ein Werkzeug handelt, um etwas in der Fantasie Erfundenes zu indexieren und somit als Beweis zu präsentieren. Millionen von Punkten rekonstruieren den Gegenstand als digitales Faksimile, wobei jeder Punkt das Produkt einer präzisen, empirischen Beobachtung durch das Instrument ist. Diese Punkte stellen Koordinaten dar, eine konzentrierte Gewissheit als räumliche Tatsache.
Sven Windszus
● DeutscherStaatsbürger, lebt und arbeitet in Berlin
● 1.Preisträger des BBA-Künstlerpreises 2022
● Vertretener Galeriekünstler.
● LetzteEinzelausstellung in der BBA Galerie 2022
London Art Biennale, Award for Digital Work & Video | London UK
PRIX ARS ELECTRONICA | Linz AUSTRIA
Second Prize Winner YICCA international Contest of Contemporary Art | Milan ITALY
Sven Windszus, „Bewegungsapparat“
Das Thema Erinnerung und Vorstellungskraft steht in seinen Werken im Mittelpunkt. Windzus untersucht, wie Geschichte und Interpretationen unsere heutige Realität formen und wie alternative Erzählungen zu anderen Ergebnissen führen könnten. Sven stellt eine radikal andere Welt. Etwa: wenn in der christlichen Geschichte eine göttliche Tochter anstelle eines Sohnes aufgetaucht wäre. Damit fordert er traditionelle Erinnerungen mit neuen imaginativen Möglichkeiten heraus. Das Bild von Maria mit dem Finger an den Lippen deutet auf verborgene Wahrheiten hin und unterstreicht den Kontrast zwischen historischen christlichen Lehren und modernen Ansichten über die Rolle der Frau.
In ähnlicher Weise nutzt er Interaktion zwischen Menschen und Maschinen, um über den industriellen Fortschritt nachzudenken und somit zu zeigen, wie unsere Zukunftsvorstellungen die greifbaren Folgen des technischen Fortschritts beeinflussen.
Beide Werke verwischen die Grenzen zwischen dem, woran man sich erinnert, und dem, was man gewillt ist, sich vorstellen zu können. Sie betonen die Macht der Neuinterpretation und der Kreativität bei der Gestaltung unseres Verständnisses der Welt.
WHYIXD
● Taiwanisches Künstlerkollektiv lebt und arbeitet in Taipei City
● Nominiert für die Shortlist des BBA-Künstlerpreises 2024
Italian A‘ Design Award Platinum
German RedDot Design Award
Swiss LIT Lighting Design Award
UKdarc Award
Taiwan’s top 100 designs Nomination
WHYIXD, Heaven bloom 2
Das Kollektiv erforscht die Erinnerung und Vorstellungskraft, indem es die Essenz der Natur in einem dynamischen Dialog mit dem Betrachter einfängt. Inspiriert vom unverwüstlichen Leben in den Bergen, symbolisiert das Kunstwerk die Ewigkeit als eine sich entwickelnde organische Einheit.
Die Einheiten, die Azaleen nachahmen und sich an Mosaiken und Ewigkeitsknoten orientieren, suggerieren die ewige Existenz durch ineinandergreifende geometrische Formen.
Mechanische Blumen mit verborgenen Metalladern öffnen und schließen sich, simulieren die Jahreszeiten und schaffen ein elegantes Raum-Zeit-Kontinuum. Diese Mischung aus mathematischer Präzision und organischem Fluss zieht den Betrachter in den Bann und verwandelt das Mechanische in ein scheinbar lebendiges Wesen.
Durch die Verschmelzung von Erinnerung und Fantasie reflektiert die Serie Heaven Bloom über die Ewigkeit hinaus das Zusammenspiel der natürlichen Welt und menschlicher Kreativität. Es lädt den Betrachter dazu ein, das Kunstwerk im Einklang mit seiner Umgebung zu betrachten und es zu transformieren.
Vernissage: Freitag. 06. September, 18-21 Uhr
Ausstellungsdaten: Freitag, 06. September, bis Samstag, 19. Oktober 2024
Finissage: Freitag, 18. Oktober 2024, 18-20 Uhr
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Bildunterschrift Titelbild: WHYIXD, ‘Heaven Bloom’, 2024. Installation
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