bis 15.04. | #1146ARTatBerlin | Daniel Marzona präsentiert ab dem 18. März 2017 die Ausstellung „Summer which was not there“ des Künstlers Vajiko Chachkhiani.
Im Zentrum der zweiten Einzelausstellung von Vajiko Chachkhiani steht sein neuer, bislang wohl ambitioniertester Film mit dem Titel Winter which was not there, der als Metapher einer Befreiung von entwicklungsgeschichtlichen Zwängen gelesen werden kann. In der Eröffnungsszene sehen wir einen Mann, der das langsame Herausziehen einer monumentalen Betonskulptur aus dem Meer beobachtet. Die Skulptur verweist einerseits auf klassische Heldenmonumente, sieht aber andererseits dem beobachtenden Protagonisten auf beunruhigende Weise erstaunlich ähnlich. Ausgehend von dieser Szene entspinnt sich ein sonderbares Narrativ, das Fragen aufwirft, die den Künstler immer wieder umtreiben. Wie lässt sich die Beziehung zwischen historischen und politischen Umständen und deren Effekte auf die psychologische Entwicklung eines Individuums angemessen beschreiben und verstehen? Wie verschränken sich die öffentliche und die private Sphäre in ihrem Einfluss auf die Bewusstseinsbildung? Wovon reden wir, wenn wir ‚ich‘ sagen?
Für die Installation But Ah my foes and oh my friends hat der Künstler Kerzen in georgischen Straßencafes gesammelt, in denen die Leute ihre Freizeit verbringen, sich streiten und verlassen, oder einfach nur warten. Der Titel der Arbeit bezieht sich auf das berühmte Gedicht First Fig von Edna Millay. Es ist daher kein Zufall, dass die verwendeten Kerzen von beiden Enden an der Wand abbrennen, um schließlich eine abstrakte Wandinstallation hervorzubringen, die der Abstraktheit von historischen Zeitläufen entspricht. Diese prägen unser Dasein als Individuen dennoch entscheidend, bedingen psychologische Entwicklungen mit und sind den alltäglichen Dramen aber auch der Poesie des Alltags als Basis unterlegt.
Eine Gruppe mit Moos bewachsener Steine von unterschiedlicher Größe fügt sich auf dem Boden liegend zu einer Serie von Skulpturen mit dem Titel You touch parts of me I did not know before. In jedem Stein finden sich im Abstand von circa 8 cm Metallkeile. Die Spaltwerkzeuge sind so in die Steine eingehämmert, dass der jeweils nächste Schlag den Stein spalten würde. So entsteht neben der sichtbaren Skulptur noch eine imaginierte – das Bild eines zukünftig geteilten Steines, dessen einst Inneres nun nach außen tritt und den ganzen Prozess erneut in Gang setzt.
Der Film We drive far, you in front zeigt bis zu sieben Tonnen schwere Basaltblöcke, die aufeinander fallen und dabei teilweise auseinanderbrechen. Gefilmt in 20-facher Verlangsamung konstruiert der Film ein dissonantes Szenario, indem die Darstellung extremer physischer Präsenz gleichsam als Metapher der Zerbrechlichkeit der menschlichen Psyche lesbar wird. Die rohen im Steinbruch aufeinander stürzenden Steine werden später bearbeitet und letztlich zu Architektur und damit zum Innen und Außen des uns umgebenden Raumes und zur Bühne unserer bewältigten oder unbewältigten menschlichen Dramen.
Vajiko Chachkhiani (geboren 1985 in Tiflis, Georgien) lebt und arbeitet in Berlin. Einzelausstellungen (Auswahl): Georgischer Pavilion, 57. Biennale Venedig (2017), 15th Istanbul Biennial (2017), Museum für Gegenwartskunst, Siegen, (2014), Staatliches Literaturmuseum, Tiflis, Georgien (2013). Gruppenausstellungen (Auswahl): Hamburger Kunsthalle, Hamburg (2017), Carré d’Art–Musée d’art contemporain, Nîmes (2017), Bundeskunsthalle, Bonn (2015), Museum für Gegenwartskunst, Wolfsburg (2014).
Vernissage: Freitag, 17. März, 18:00 bis 21:00 Uhr
Ausstellungsdaten: Samstag, 18. März bis Samstag, 15. April 2017
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Bildunterschrift: Vajiko Chachkhiani: Winter which was not there, 2017, Film Stills, Single Channel HD Video
courtesy of the artist and Daniel Marzona, Berlin
Ausstellungen Berliner Galerien: Vajiko Chachkhiani – Daniel Marzona | ART at Berlin