post-title Žiga Kariž | Freud, Marx und Ich | cubus-m | 30.04.-11.06.2016

Žiga Kariž | Freud, Marx und Ich | cubus-m | 30.04.-11.06.2016

Žiga Kariž | Freud, Marx und Ich | cubus-m | 30.04.-11.06.2016

Žiga Kariž | Freud, Marx und Ich | cubus-m | 30.04.-11.06.2016

bis 11.06. | #0515ARTatBerlin | cubus-m freut sich, ab dem 30. April 2016 mit ‚Freud, Marx und Ich‘ die erste Einzelausstellung des slowenischen Künstlers Žiga Kariž in der Galerie zu präsentieren.

Karižs komplexes Gesamtwerk entwickelt sich zum Teil aus einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit der Tradition der Moderne und ihren Bild- und Werkfindungsstrategien. Von diesen ausgehend formuliert der Künstler seinen eigenen künstlerischen Standpunkt, in dem er die eigene Erinnerung (als ein Grundpfeiler des ‚Ichs’), den visuellen medialen Einfluss, Pop und gesellschaftspolitischen Diskurs auf allen Ebenen seiner Werke miteinander in Beziehung bringt.
In der Ausstellung präsentiert der Künstler eine Reihe neuer Arbeiten auf Leinwand sowie skulpturale Objekte. Die im vorderen Ausstellungsraum präsentierten Gemälde lassen sich in zwei große Werkgruppen gliedern: eine Serie von Akten aus dem Jahr 2015 und eine Serie neuer Arbeiten, die nicht verwendete Skizzen einer früheren Werkgruppe von 2009 neu interpretiert. Die Arbeiten beider Serien reichen vom kleinen bis zum monumentalen Format und nehmen, in einer Petersburger Hängung nicht hierarchisch oder thematisch gegliedert, die Wände des Raumes komplett ein. Ähnlich arrangiert wie die Gemälde, in den Worten Martin Kippenbergers in einer „Petersburger Stellung“, besetzt Kariž den hinteren Ausstellungsraum mit den Objekten, die formal auch Bezug auf frühere skulpturale Arbeiten des Künstlers nehmen. Bereits die Werkauswahl und Präsentationsform sind Ausdruck Karižs künstlerischer Strategie, in der er den immensen visuellen Fundus des Informationszeitalters und die selbstreflexive Betrachtung der eigenen Bildwelt (im Falle des Künstler Kariž bedeutet dies den Rückgriff auf das eigene Werk) in Verbindung bringt und überblendet.
Seine Serie der Akte lehnt Kariž unverhohlen an die Serie Nu Bleu I – IV (1952) von Matisse an, benutzt für seine Version der „cut-outs“ allerdings pornographisches Material aus dem Internet, aus denen er die weiblichen Körper auf einem grün-gelben Hintergrund aus Acrylfarbe zusammensetzt. Wie bei allen seinen Arbeiten auf Leinwand wird das Bildmaterial, das die Motive liefert, zunächst am Computer bearbeitet, und dann aus Prints im Standardformat 10 x 15 cm auf der bemalten Leinwand aufgebracht, was im Falle der Akte eine fast haptische Qualität der Haut bewirkt. Neben der expliziten Sexualität ist die Reduktion der Farbigkeit der Leinwände augenscheinlich und mag an die Greenscreen-Technologie erinnern, durch die Bildausschnitte vor einen beliebigen Hintergrund gesetzt werden können. Der Künstler verschafft sich so die größtmögliche Neutralität und überlässt es dem Betrachter, vor welchem Setting die Figuren sich ihm präsentieren. So reflektieren Karižs Akte über den (männlichen) Blick auf den weiblichen Körper und die Tradition des Aktes (bis hin zu Porno) und bleiben nicht im offenkundigsten Moment seiner Kunst hängen, dem Clash zwischen Hoch- und Trivialkultur, mit dem der Künstler grundsätzlich spielt. Die Reminiszenz an die Popkultur der 70er Jahre, die sich schon in der Ästhetik der Akte andeutet und der Kariž loyal verbunden zu sein scheint, überhöht er in der zweiten Serie der Gemälde noch um ein Vielfaches. Der Künstler bezieht sich in den Arbeiten explizit auf die Ära seiner Kindheit in den 70er Jahren, die er ohne Angst vor kitschiger Nostalgie vor dem Betrachter ausbreitet. Auf orange-grünen und in Brauntönen gehaltenen Leinwänden sieht man Motive aus Werbeanzeigen dieser Zeit (z.B. LEGO), die kombiniert werden mit Bildern von Pilzen, Zügen, verträumten Akten in der Natur, ein klischeebehaftetes Bildmetaphernvokabular der erwachenden kindlichen Sexualität. Es mag der Versuch sein, die kindliche Unschuld, den unverdorbenen Blick, wiederherzustellen, doch ist der Zweifel am Gelingen dieses Vorhabens den Werken immanent. Zwar bieten die Arbeiten auf den ersten Blick einen Kontrapunkt zur krassen Deutlichkeit der Akte, sind aber vielmehr als ihre Komplementierung zu verstehen. Um Sex geht es Kariž nur vordergründig, er erscheint als Abziehbild, das jegliche Intimität oder echte Sinnlichkeit vermissen lässt. Vielmehr reflektiert der Künstler auf der Projektionsfläche des Sex die Macht des medialen Bildes und dessen Einfluss auf unsere Wahrnehmung, unseren Blick auf die Welt, die Rezeption und letztlich auch das Schaffen von Kunst. Die Bildwelten der Medien und deren Topoi sind in uns allen tiefgehend verwurzelt und im Informationszeitalter uns allen auch gleichsam gemein. Sie bestimmen unsere Erinnerung und unsere Wünsche und sind allumfassende Gleichmacher zwischen dem Hehrsten und dem Trivialsten. Der ‚unschuldige Blick’ scheint ebenso unmöglich, wie das Schaffen von etwas gänzlich Neuem. Es zählt zu Karižs großen Stärken, den Betrachter und sich selbst als Künstler gleichermaßen zu fordern, sich mit jedem neuen Werk an diesem Umstand abzuarbeiten.
Auch mit den Objekten im hinteren Ausstellungsraum öffnet der Künstler zunächst vielfältige Bezüge zur Kunstgeschichte. Sie bestehen zum Großteil aus Heinekenflaschen und deren Verpackungsmaterialien, gelegentlich auch aus Nutellagläsern, die zu modernistischen anmutenden Konstruktionen zusammengesetzt werden. Der Flirt mit Duchamp ist offensichtlich, man mag auch an Warhols Brillo Boxes denken. Die Flaschen und Kartons sind teilweise bemalt, so dass an machen Stellen nur noch der rote HeinekenStern zu sehen ist. Natürlich kennt er die Macht der Logos. Und weiß noch mehr von deren Austauschbarkeit – am Ende verkauft ein roter Stern eben alles: Bier und Weltanschauung. Kariž spielt auch hier mit den sexuellen Konnotationen, die Bierflaschen eben wecken können und versenkt in einer seiner vielleicht vulgärsten und gleichzeitig schönsten Gesten der Ausstellung zwei von ihnen in einem Nutellaglas. Der rote Stern des HeinekenLogos, die psychoanalytischen Deutungsmöglichkeiten der im Glas versenkten Flaschen… man scheint den Titel Freud, Marx und Ich endlich fassen zu können.
Natürlich haben Freud und Marx, ähnlich wie Matisse und Duchamp, Porno und Bier, alles und nichts mit dieser Ausstellung zu tun. Der Künstler benutzt auch mit den zwei Säulenheiligen der Theorie der Moderne nur Abziehbilder und Images und spielt auch hier mit der eigentlichen Widersprüchlichkeit dieses Zusammentreffens. Auf eine lange Tradition von Fehlinterpretationen und Umdeutungen zurückblickend sind, aber selbst philosophische Positionen und wissenschaftliche Theorien in der kollektiven Rezeption kaum mehr als Klischees und lassen sich fast ebenso beliebig kombinieren und austauschen, wie die Bilder auf einem Greenscreen. Der Betrachter kann auch hier die Folie wählen, er liegt mit keiner wirklich falsch. Und mit keiner wirklich richtig. Kariž, der sich mit dem Titel selbstbewusst neben „Giganten“ stellt und gleichsam suggeriert, die Ausstellung könne etwas über ihn als Person preisgeben, zieht sich aber auch mit diesem Kniff augenzwinkernd aus der Affäre. Auch er selbst ist nur als Klischee zu fassen.
Žiga Kariž benutzt und bedient Images. Ihn interessieren dabei weniger die Kategorien, Festschreibungen und Traditionen, aus denen sein Material stammt, als die Kontexte, in denen er sie überführen kann. Die Uneindeutigkeit, die sein Werk bestimmt, ist keine Indifferenz oder der Rückzug in den sicheren Hafen der Ironie, sondern ergibt sich vielmehr aus der Gleichzeitigkeit und dem gleichberechtigten Zugriff auf sein visuelles Material und dessen Quellen. Mit dieser Strategie, wie mit seiner künstlerischen Praxis, gibt er eine Antwort auf die Frage, was das Medium Malerei, die zeitgenössische Kunst an sich, noch leisten kann, wenn weder der Blick des Künstlers noch der des Betrachters frei sind – von den Traditionen der Kunstgeschichte, den Missverständnissen der westlichen (Geistes-) Geschichte, den Allgemeinplätzen der Medien, der Oberfläche des Pop und allen Einschränkungen und Unausweichlichkeiten, die damit einhergehen. Seine Arbeiten ordnen sich dem medialen Bild nicht unter. Und er selbst ist zu clever, sich oder sein Werk einem künstlerischen, politischen oder theoretischen „-ismus“ anzudienen. Kariž reflektiert unsere visuelle Welt, den medialen Bild- und Theoriekanon, und löst in dieser Rolle als Beobachter sein Werk aus einer sich noch immer mehr und mehr beschleunigenden Massenkultur heraus und zeigt damit vor allem eines: die Möglichkeit des eigenen Standpunkts.

Vernissage: Freitag, 29. April 2016, 19 Uhr

Ausstellungsdaten: Samstag, 30. April – Samstag, 11. Juni 2016

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Bildunterschrift: Žiga Kariž: Freud, Marx und Ich © Žiga Kariž

Ausstellung Žiga Kariž – cubus-m – Kunst in Berlin ART at Berlin  

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