bis 29.08. | #3069ARTatBerlin | Meyer Riegger zeigt derzeit die Ausstellung Feste Erde, Flüssiger Wind der Künstlerin Ulla von Brandenburg anlässlich des Gallery Weekend und der Beteiligung der Künstlerin an der Gruppenausstellung „Der absolute Tanz. Tänzerinnen der Weimarer Republik“ am Georg Kolbe Museum.
Das künstlerische Werk Ulla von Brandenburgs ist gekennzeichnet durch die stetige Neuverhandlung des ontologischen Äquators zwischen Sein und Schein, Spiel und Ernst, Geschehnis und Erzählung, Diesseits und Jenseits: Zwei Welten, die durch den Schwellenraum ebenso getrennt wie verbunden sind. So gehört es bei Ulla von Brandenburg zum Wesen eben jener Grenze, dass sie die Dinge, zwischen denen sie verläuft, nicht einzig trennt und voneinander separiert, sondern gerade dadurch auch zusammenschließt. Der Schwellenraum ist für die Künstlerin der Ort, an dem Getrenntes immer miteinander im Konflikt steht, aufeinander Bezug nimmt und im Kontext ihrer Nachbarschaft seinen jeweiligen Sinn entfaltet.
Neben großformatigen Aquarellen lässt Ulla von Brandenburg aus farbigen Stoffen und vielerlei Requisiten ephemere Situationen und verschachtelte Korridore entstehen, in denen sie Filme zeigt, die ihrerseits wiederum auf theatrale Vorführungen oder tatsächliche Ereignisse verweisen.
Ulla von Brandenburg, Feste Erde, Flüssiger Wind 2021
super 16 mm film transferred to hd video, color, sound, 10 min (loop), Ed. 1 of 5 + 2 AP
Courtesy of the artist and Meyer Riegger Berlin/Karlsruhe
Der neue Film Feste Erde, Flüssiger Wind ist eine Hommage an die Anfänge des Ausdruckstanzes als kulturelles Prisma von Körper, Seele und Geist in den 10er Jahren des 20. Jahrhunderts. Ein Zentrum für diese Zurück-zur-Natur-Bewegung war die Künstlerkolonie Monte Verità in der Gemeinde Ascona in der Schweiz. Dort lehrte und arbeitete Rudolf von Laban. Er unternahm den Versuch, die Bewegungslehre des Ausdruckstanzes theoretisch zu festigen und eine Tanzschrift dafür zu entwickeln.
Für Ulla von Brandenburg ist der Tanz vor allem deshalb so interessant, da er als epochen- und kulturübergreifendes Phänomen neue Möglichkeiten der intuitiven Kommunikation und Selbsterfahrung erschließt. Es sind hierbei vor allem die Bewegungen des frühen Ausdruckstanzen, die Körper und Geist in den für das ekstatische Erleben notwendigen Zustand der Selbstentäußerung führen und transzendentale Verschmelzungserfahrungen evozieren können.
Durch künstlerische Transgressionen durch die Bereiche Architektur, Umgangssprache, Theater, Zirkus, Film und Tanz modifiziert Ulla von Brandenburg jede Repräsentation in eine Präsentation des Repräsentierten und verwandelt das Setting in eine zeitliche, räumliche und inhaltliche Unbestimmtheit. In diesem künstlerischen Koordinatensystem wird jeder Raum zur Bühne, zu einem Spielbrett, das nicht nur Figuren, Objekte, Muster, Farben und Akteure umfasst, sondern häufig auch das Publikum selbst, denn die Welt ist ein Rollenspiel, und wir alle – ob wir wollen oder nicht – sind Teil dieses Spiels.
Ulla von Brandenburg, Grosse Bühne 2021, hanging of various fabrics (550 x 400 cm),
cape on hanger, fishing rods, wicker circle, cardboard and rope, dimensions variable
Photo: Oliver Roura, Courtesy of the artist and Meyer Riegger Berlin/Karlsruhe
Ulla von Brandenburg beschwört in der Anordnung der Objekte, der Farben und Muster eine permanente Erwartungshaltung. Doch hinter dem Vorhang, am Ende der Treppe oder unter den Brettern der Bühne finden wir keine andere Welt als die unsere. Eindeutig beschriebene Spielregeln werden wir nicht finden und doch bleibt die Lust am Staunen und die Neugier. Die Regelhaftigkeit des Spiels bleibt eine Metapher, denn gerade durch jene Dialektik von Einschränkung und Offenheit markiert Ulla von Brandenburg ihre Installationen als Orte des Dazwischen – als Übergangsszenarien, in denen sich das Publikum als Individuum und als Kollektiv erproben kann.
Maximilian Rauschenbach
Ausstellungsdaten: Donnerstag, 29. April bis Samstag, 28. August 2021
Zur Galerie
Ausstellung Ulla von Brandenburg – Meyer Riegger | Contemporary Art – Kunst in Berlin – ART at Berlin