bis 19.07. | #4706 ARTatBerlin | Kristin Hjellegjerde Gallery Berlin zeigt ab 12. Juni 2025 (Vernissage: 11.06.) die Einzelausstellung „Point of No Return“ mit dem Künstler Michael Dohr.
Mystische Gestalten, synthetische und organische Formen treffen in den Arbeiten des österreichischen Künstlers Michael Dohr aufeinander und evozieren Systeme und Prozesse im Wandel – wie das Entstehen oder Vergehen. „Point of No Return”, der Titel seiner ersten Einzelausstellung in der Kristin Hjellegjerde Gallery Berlin, verweist auf die Idee eines unumkehrbaren Wendepunkts, verkörpert durch das wiederkehrende Motiv eines fallenden Tropfens. Ob es sich um eine Träne, ein Leck, Blut, Regen, Tinte oder Industrieabfälle handelt, der Tropfen ist ein Symbol für eine ausgesetzte Konsequenz, schön und gleichzeitig dem Untergang geweiht.
Seine Arbeiten reagieren auf eine Welt, die von entscheidenden Momenten geprägt ist: von der Pandemie bis zum Klimanotstand, von einer neuen geopolitischen Situation bis zur künstlichen Intelligenz, von der synthetischen Biologie bis zum Metaverse. Wir wissen, dass der Zusammenbruch bevorsteht; doch der Tropfen muss erst noch den Boden erreichen. In diesem Raum der Erwartung bietet Dohr keine Lösung oder Rückkehr an, sondern lädt uns ein, darüber nachzudenken, was nach dem Zusammenbruch kommen könnte. Die Arbeiten deuten darauf hin, dass im Kollaps das Rohmaterial für etwas Neues enthalten sein könnte: Lebensformen und Sinn sind noch nicht bekannt.
Im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht eine Neugestaltung des Körpers als hybrides und anpassungsfähiges Wesen, das nicht länger eine einzelne Einheit darstellt, sondern Teil eines sich entwickelnden Systems ist. Insbesondere Dohrs Zeichnungen erinnern an körperliche Substanz: rote Pastellstriche erinnern an fleischige, faserige Materialien und ziehen uns in dichte und chaotische Räume, in denen verzweigte Strukturen an Knochen, Baumwurzeln, neuronale Netze, Tunnel oder Schalttafeln erinnern. Wir folgen diesen Linien auf der Suche nach Zusammenhang oder Klarheit, nur um festzustellen, dass sie ins Stocken geraten, verblassen oder sich in Sackgassen auflösen. Es ist ein Hin und Her zwischen Struktur und Unordnung, Präzision und Zusammenbruch, mit mehrfachen Variationen, die auf obsessive, fast verzweifelte Versuche hindeuten, eine Lösung zu finden.
In „Stacks“, einer Serie von großformatigen Mixed-Media-Arbeiten, wird diese Fragmentierung auch haptisch erkennbar. Zerrissene Leinwände werden mit Leinen, Pappe und Metall überlagert, was sowohl Zerstörung als auch Rekonstruktion suggeriert. Diese Werke funktionieren wie Rätsel ohne feste Lösung, die Ungewissheit und Überraschung zulassen. Dohr hat diesen Prozess als eine Form der Problemerstellung beschrieben, bei der unterschiedliche Elemente zusammenwirken, bis sie sich zu einer fragilen Logik zusammenfügen. Es ist ein Prozess, der sowohl intuitiv als auch alchimistisch ist und das Chaos einer Welt im Wandel widerspiegelt.
Dohr schöpft aus einem breiten Spektrum an Quellenmaterial, das von medizinischen Bildern über Bauschutt und Pflanzen bis hin zu geologischen Schichten reicht, um Werke zu schaffen, die einen beunruhigenden Raum zwischen Organischem und Anorganischem, Menschlichem und Posthumanem besetzen. Seine Nest-Skulpturen beispielsweise lassen sich von natürlichen Formen inspirieren, um hybride Objekte zu schaffen, die gleichzeitig mechanisch und lebendig, verletzlich und bedrohlich wirken. Innenräume aus Silikon erinnern an Körpergewebe oder Fruchtfleisch, an Hohlräume, aus denen etwas entfernt wurde oder bald wieder auftauchen könnte.
In der gesamten Ausstellung herrscht eine Spannung zwischen Oberfläche und Tiefe, Symbolen und Materie, der Flachheit von Codes und dem Gewicht des Fleisches. Dohr hat ein Gespür für die Metaphern, die in den Materialien verschlüsselt sind: Flecken, die von Unfällen sprechen, zerrissene Leinwände, die einen Bruch andeuten, Tropfen, die fallen, aber nie landen. Seine Arbeiten setzen sich mit einer Welt auseinander, in der der Körper immer mehr aus dem Gleichgewicht gerät, und bleiben doch in der physischen Erfahrung, in der Textur und der Beharrlichkeit der Form verwurzelt. Auf diese Weise bietet Dohr einen Raum, in dem der Bruch Raum für ungewohnte Schönheit und Neuerfindung schafft.
Vernissage: Mittwoch, 11. Juni 2025, 18 – 20 Uhr
Ausstellungsdaten: Donnerstag, 12. Juni- Samstag, 19. Juli 2025
Bildunterschrift Titel: Michael Dohr Stack 8 – Inside the landscape, inside the body there’s a code I can’t decipher III, 2025 Oil, acrylic, oil pastels, shellac, pigment powder, raw linen, paper, raw cotton, wood, aluminum panel 180 x 280 cm
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