bis 15.04. | #1096ARTatBerlin | Galerie Kornfeld präsentiert ab dem 11. März 2017 die Ausstellung „Narziss und Goldgrund“ des Künstlers Hubertus Hamm.
die kritische Auseinandersetzung mit dem Format des fotografischen Portraits ist ein zentrales Sujet im Werk von Hubertus Hamm. Sie gipfelt in der Installation Portrait IV, die der Kunstwissenschaftler Thomas Zaunschirm in seiner im Herbst 2017 erscheinenden Publikation „Narziss und Goldgrund“ wie folgt einordnet:
Portrait IV (2016) ist das epochale Werk des Fotografen und Künstlers Hubertus Hamm. Es handelt sich um eine Holzstele mit dem ersten goldenen Spiegel der Kunstgeschichte. Das minimalistische, einfach wirkende Werk ist einerseits die Vollendung des Lebenswerkes von Hamm und seinem Bestreben, die Grenzen der Fotografie zu erweitern. Andererseits setzt das Verständnis dieser Installation mit der 18 kg schweren Platte aus 24-karätigem Gold die Kenntnis der Geschichte(n) des Sehens (Bewusstseins), der Perspektive (des Raumes), des Spiegels, des Porträts, des Goldes und seines (Geld-)Wertes voraus.
Der Titel „Narziss und Goldgrund“ bezieht sich im Sinne des Renaissance-Theoretikers Leon Battista Alberti (1435) sowohl auf Narziss, also das Motiv der Spiegelung als Ursprung der Kunst, als auch auf das damit einhergehende Ende des mittelalterlichen Goldgrundes. Das Sehen und das Gold stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander, das in Ägypten einsetzt, in der Renaissance, im Barock, in der Romantik seine Metamophosen und in der Gegenwart seinen Abschluss findet.
Durch eine einfache Stele aus Holz isoliert die Installation Portrait IV den Betrachter vom umgebenden Raum. Sie fordert ihn so zur Begegnung mit seinem im Wortsinne vergoldeten Spiegelbild, zu einem Dialog mit den mannigfaltigen Mythen und Bedeutungen des zugleich transzendenten wie höchst irdischen Materials „Gold“ und nicht zuletzt auch zur Reflexion über den Wert der eigenen Person auf.
Unsere Ausstellung zeichnet mit ausgewählten Werken den Weg nach, der Hubertus Hamm zu dieser singulären Installation geführt hat.
Die Werke der Serie Portrait I, die 1990 in der Münchner Villa Stuck und in den Deichtorhallen in Hamburg mit großem Erfolg präsentiert wurden, vereinen Hubertus Hamms Portraitaufnahme einer Person mit der manuellen Weiterbearbeitung des fotografischen Ab-Bildes durch den Portraitierten selbst. Portrait II kombiniert in einer klassischen Doppelbelichtung die individuelle und unveränderliche Zeichnung des Fingerabdrucks mit der Portraitaufnahme derselben Person: beide Motive überlagern und verbinden sich zu einem neuen Bild.
Mit seiner Serie Portrait III verschiebt Hubertus Hamm die Parameter der Portraitfotografie noch weiter in Richtung Objektivität: er hat eine mobile weiße Box konstruiert, die denjenigen, der sich in ihr fotografieren lässt, von der Welt isoliert und einem mechanisierten Aufnahmeprozess aussetzt: einmal in Gang gesetzt, nimmt die Kamera in regelmäßigen Abständen Bilder auf. Zwei Blitze, die im Winkel von 45 Grad die weiße Box ausleuchten, stellen dieselbe neutrale Lichtsituation her, wie sie auch bei der Reprofotografie zur Ausleuchtung von Gegenständen aller Art gebräuchlich ist. Die Aufnahmen zeigen ein Bild, das ohne das bewusste Eingreifen des Fotografen entstand.
In den Werken der Serie Diamonds (Portrait V) splittert eine Vielzahl kleiner Kristalle das fotografische Bild in unzählige, kaleidoskopartige Sinneseindrücke auf. Das Funkeln und Glitzern steht in einem scheinbaren Widerspruch zum Motiv: ältere Menschen, in deren Physiognomien das Leben deutlich sichtbar seine Spuren hinterlassen hat, werden als (Bild)Objekte nobilitiert. Die faltige Haut spiegelt die Endlichkeit des Lebens und fragt, gerade auch im Kontrast zur Kostbarkeit des Materials, nach dem Wert, den unsere Gesellschaft dem Alter zugesteht.
Im Kontrast dazu steht die Aufnahme eines Buddhas und damit das Portrait des Göttlichen selbst. Die Größe und Mächtigkeit des Gottes wird durch die manuelle Bearbeitung des Fotos gebrochen. Analog zum Abblättern der goldenen Fassung des antiken Buddhakopfes, der ja für die Ewigkeit hergestellt wurde, ist die perfekte Oberfläche der Fotografie deutlich sichtbar zerstört. Die Zeit hat sich in das Motiv und in den fotografischen Anzug sichtbar eingeschrieben.
Eine Installation mit dem Smartphone als dem Spiegel unserer Zeit rundet die Ausstellung ab: Das Smartphone ist unsere Nabelschnur zur Welt und mit seiner Selfie-Funktion auch Spiegel unseres Ichs – oder zumindest des Bildes, das wir von uns vermitteln möchten. Richtig ausgeleuchtet wirkt das schwarzglänzende Display eines Smartphones auch im ausgeschaltete Zustand wie ein dunkler Spiegel. Hubertus Hamms Installation spielt mit dieser Beobachtung.
Als folgerichtige Erweiterung des Prinzips „Fotografie“, vom Künstler als „Dimensioning Photography“ bezeichnet, binden die Werke von Hubertus Hamm den Ausstellungsbesucher in einen Dialog ein und fordern ihn so zur Selbstreflexion und zur Auseinandersetzung mit ihrer Identität ebenso wie zum Hinterfragen des eigenen Standpunktes auf. Die Werke des Künstlers wurden in bedeutenden Häusern wie der Villa Stuck in München, den Deichtorhallen in Hamburg, der Neuen Sammlung der Pinakothek der Moderne in München oder im Juan Art Museum in Peking ausgestellt. Temporäre Installationen gab es u.a. im Nationaltheater München, in der Allianz Arena und bei der acatech, der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften (alle in München).
Vernissage: Samstag, 11. März 2017, 18:00 bis 21:00 Uhr
Ausstellungsdaten: Samstag, 11. März bis Samstag, 15. April 2017 – verlängert bis 19.04.2017
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Bildunterschrift:Portrait IV, 2016, Gold (18kg, 24 Karat), Holz, 200 x 120 x 33 cm; Unikat (Detail)
Ausstellungen Berliner Galerien: Hubertus Hamm – Galerie Kornfeld | ART at Berlin