bis 21.12. | #4112ARTatBerlin | Galerie Kewenig Berlin präsentiert momentan die Ausstellung des Künstlers William Tillyer.
Malerische Darstellungen von Realität und Illusion werden von William Tillyer (*1938) in einem herausfordernden Kontrast zu Materialien und Raumbezügen präsentiert. In der ersten Einzelausstellung des Engländers in Deutschland sind Gemälde, Aquarelle und Objekte seit den 1970er Jahren zu sehen. Kräftige Farben in Acryl und komplexe Strukturen, die die Oberflächen und Gitterkonstruktionen bestimmen, geben seinen Werken Texturen, die Natur und Technik gegenüberstellen, mit Zitaten aus Stillleben oder Landschaftsbezügen.
Tillyer schreibt der Farbe eine Energie zu, die aus der Natur kommt. Nach frühen, zeichenhaft reduzierten Gemälden, wie dem großformatigen Werk „Die blaue Vase mit gemischtem Arrangement“ (1975), gewinnt Tillyers Malerei in der Folge an materieller Substanz. Der Farbauftrag wird zunehmend pastos, die kräftigen Töne werden kontrastreich auf den Bildträger aufgetragen.
Die Konzentration auf das Material verlangt jedoch nicht ausschließlich nach Abstraktion. William Tillyer bezieht sich in seinem Werk immer wieder auf die Kunstgeschichte, etwa auf das kubistische Werk von Braque oder Picasso, auf De Stijl oder den russischen Konstruktivismus. Es gibt Reminiszenzen an gegenständliche Gattungen, Stillleben („Florist II“, 1977), Architektur- oder Landschaftsdarstellungen („Ebbe und Flut 2“, 1993).
Die Raster lassen nicht nur die Farbe, sondern auch den Blick des Betrachters durchdringen. Aufgrund ihrer Beschaffenheit sind sie daher geeignet, das Bild selbst und seine Wahrnehmung auf mehrere Ebenen zu erweitern. Wie zum Beispiel in „Das Haus von Karl Gustav“ (1979) wird auf diese Weise eine räumliche Dimension neu erschlossen, die die nun sichtbare Wand des Ausstellungsraumes mit einbezieht, die ihrerseits zum Thema des Bildes werden kann.
Die Raster kontrastieren die begrenzte Aufnahmefähigkeit der Farbe mit der Fähigkeit, Vielschichtigkeit und Tiefe zu erzeugen. Es ist ein Spiel mit Vorder- und Hintergrund, mit gemalter Leere und ungemalten Gegenständen. Landschaften, bei denen, wie in „Three Green Studio Shelves – The Mulgrave Tensile Wire Works“ (2020), der Titel auf mehr verweist, als unmittelbar als Thema lesbar ist, und die durch dieses gestalterische Mittel auf verschiedenen Ebenen aufgebrochen werden. Sie lösen sich aus erwarteten Zusammenhängen im Raum und fordern eine Betrachtung, die neue Bezüge zu erkunden sucht.
Die Motive scheinen in einer nachvollziehbaren, physischen Konfrontation der Farbe mit den unebenen, durchlässigen Rastern, auf denen sie zumindest teilweise aufgetragen wurde, und den Sieben, durch die sie gepresst wurde, in die Komposition einzugehen. Es ist ein ständiger, innerer Kampf, der letztlich nicht gelöst wird, denn auch die hier sichtbaren Gitter bleiben untrennbar mit dem Motiv verbunden.
Die Strategie, mehrere Ebenen zu schaffen, sie zunächst voneinander zu trennen, um sie in der Wahrnehmung wieder zusammenzuführen, kommt in den Objekten besonders zum Ausdruck – etwa in „Studio Shelf with Circle 27“ (1979) oder in der großen Assemblage „Packing to Avoid the Threat of Nothingness – The Farrago Constructs“, (2004), die mit Bändern zusammengezurrt ist. Solche konstruierten Anordnungen wie auch die industriell gefertigten Gitter können durch ihre geometrische Struktur als Verweis auf Ordnungssysteme verstanden werden, während die Malerei andererseits den gestischen Kontrapunkt darstellt.
In dieser Dialektik der Materialien entfaltet sich Tillyers Ehrgeiz, die Materialien mit Inhalten aufzuladen, Mensch und Natur in ein neues Zusammenspiel zu bringen, visuell, haptisch oder allgemein rezeptiv mit den Mitteln der Kunst. Auf diese Weise zeigt die Ausstellung den ungebrochenen Innovationsdrang des Künstlers und offenbart einen einzigartigen analytischen Ansatz bei der Suche nach Antworten auf die Frage, wie Raum, Farbe und Material in der Kunst wechselseitig erfahren werden können.
William Tillyer wurde 1938 in Middlesbrough, England, geboren. Seit den 1970er Jahren hat er international ausgestellt, vor allem in Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Seine Werke sind in den Sammlungen bedeutender Institutionen vertreten, darunter das Brooklyn Museum und das Museum of Modern Art, New York; die Art Gallery of Western Australia, Perth; die Arts Council Collection, die Tate und das Victoria & Albert Museum, London.
Vernissage: Samstag, 11. November 2023
Ausstellungsdaten: Samstag, 11. November bis Donnerstag, 21. Dezember 2023
Zur Galerie
Bildunterschrift: The Frobisher Paintings: Oranges on a Plate, 2014 Acrylic on acrylic mesh and canvas 180 x 180 cm
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