bis 26.04. | #4618ARTatBerlin | Kristin Hjellegjerde Gallery Berlin präsentiert ab 28. März 2025 (Vernissage: 27.03.) die Einzelausstellung „My Child’s Nth Finger“ der Künstlerin Tae Kim.
Mit ihrer Vielzahl an Köpfen, Augen und Gliedmaßen erscheinen Tae Kims weiche, elfenhafte Figuren wie ein Glitch, gefangen in einem scheinbar endlosen Transformationsprozess, der es ihnen erlaubt, in verschiedenen Formen und Zuständen gleichzeitig zu existieren. „My Child’s Nth Finger“, die Einzelausstellung der koreanischen Künstlerin in der Kristin Hjellegjerde Gallery Berlin, erweitert ihre laufenden Untersuchungen zur Hybridität und hinterfragt, wie wir Menschlichkeit im digitalen Zeitalter definieren oder quantifizieren. Während sie sich neue und sich verändernde Formen der Figuration vorstellt, setzt Kim den Prozess der Porträtmalerei mit einer Geburt in Verbindung und bezeichnet die Figuren als ihre Babys. Der Titel der Ausstellung verweist auf die Intimität und Anstrengung des Schöpfungsakts und vermittelt auch die Idee eines sich entwickelnden Prozesses oder einer ungewissen Zukunft, die sowohl transformativ als auch monströs sein kann.
Für diese jüngste Gemäldeserie griff Kim nicht nur auf die Ästhetik von Online-Avataren und Computerspielen zurück, sondern auch auf mythologische Geschichten und Kreaturen, insbesondere auf den neunschwänzigen Fuchs, der in der ostasiatischen Folklore vorkommt und für seine Fähigkeit zur Verwandlung bekannt ist. In „Dysfunctional Night“ erscheint der Fuchs als Geist oder Komplize der Figur, wobei sein vielgestaltiger Körper einen Strudel aus Farben und Bewegungen erzeugt, der einen flüchtigen oder wechselhaften Zustand symbolisiert. Die Figur im Zentrum des Bildes scheint sich währenddessen zwischen verschiedenen menschlichen, tierischen und cyborgischen Formen zu wandeln. Wie alle von Kims Figuren sind sie androgyn mit transparenter Haut, was auf eine Existenz jenseits der Grenzen von Geschlecht und Ethnie hindeutet, während die skizzierten Umrisse der Knochenstruktur der Wirbelsäule die Vorstellung von menschlicher Körperlichkeit und Unvollkommenheit oder Zerbrechlichkeit widerspiegeln.
Das Gefühl der Unsicherheit wird auch durch die weichen, errötenden Farbtöne der Haut der Figuren und ihre Nacktheit hervorgerufen. Obwohl wir sie als „erwachsen“ verstehen könnten, wirken sie zerbrechlich und unbeholfen, wie ein Fohlen, das gerade geboren wurde und noch den Gebrauch seiner Gliedmaßen lernt. Am deutlichsten wird dies in Werken wie „Support“ und „Support-not“, wo die Figuren vor dem weiß gestrichenen Seidenhintergrund kaum sichtbar sind. In „Support“ wird der geneigte Kopf der Figur durch eine Handfläche unter dem Kinn aufrecht gehalten – ob es sich dabei um den eigenen Arm oder den eines anderen handelt, ist unklar -, während in „Support-not“ die Rückenansicht der Figur an die Kurven und die Körperlichkeit von Renaissance-Akten erinnert und gleichzeitig gespenstisch und kaum vorhanden erscheint.
Diese körperliche und materielle Weichheit ist eine neuere Entwicklung in Kims Werk, die ihr Einfühlungsvermögen – oder ihre Liebe – für die von ihr geschaffenen Figuren offenbart und gleichzeitig über die Art und Weise reflektiert, in welcher der Körper selbst immer durchlässiger und fluider wird. Wir sehen dies in den Darstellungen von schmelzenden Substanzen, Rauchwolken und Wasserlachen sowie in Flächen mit diffundierenden Pigmenten veranschaulicht. In „Ninefacedfox-gravity“ erscheint die Figur wie eine ozeanische Gottheit, die von einer federartigen weißen Gischt gehalten wird und von der eine eisig anmutende Flüssigkeit tropft, während wellenförmige türkisfarbene Weihrauchschwaden die zweiköpfige Figur in „Poison Spring“ umgeben. In der koreanischen Kultur wird Räucherwerk mit der Vorstellung vom Übergang zwischen Leben und Tod assoziiert und bei Gedenkfeiern verwendet, um die Geister der Verstorbenen zu beschwören. Für Kim wird es zum Memento mori, zur Erinnerung an ihre eigene Sterblichkeit im Gegensatz zur Unsterblichkeit ihrer digitalen Persona und ihrer Kunst.
Auf diese Weise laden uns Kims Arbeiten in ein Reich ein, in dem die Transformation sowohl eine Notwendigkeit als auch ein Spiel ist, eine feinfühlige Verhandlung zwischen dem Virtuellen und dem Körperlichen. Ihre Figuren, die zwischen verschiedenen Zuständen schweben, erinnern uns daran, dass Identität – wie der Akt der Schöpfung selbst – nie feststeht, sondern immer im Fluss ist, eine kontinuierliche Entfaltung von Möglichkeiten.
Vernissage: Donnerstag, 27. März 2025, 18 – 20 Uhr
Ausstellungsdaten: Freitag, 28. März – Samstag, 26. April 2025
Bildunterschrift Titel: Tae Kim, Buoyancy not, 2025, Farbe auf Seide, 85 x 122 cm
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