bis 15.10. | #3567ARTatBerlin | Esther Schipper zeigt ab 9. September 2022 die Ausstellung Radiant Exposures der Künstlerin Rosa Barba.
Esther Schipper freut sich, Radiant Exposures anzukündigen, die erste Einzelausstellung von Rosa Barba mit der Galerie. Zu sehen sind Filme und Arbeiten, die Film als skulpturales und malerisches Medium verwenden.
Die Ausstellungsarchitektur von Radiant Exposures leitet Besucher durch den Raum und bildet mit zwei angewinkelten Wänden einen architektonischen Rahmen, in welchem Barbas Filme gezeigt und die skulpturalen Arbeiten der Künstlerin in einem präzise inszenierten Arrangement installiert sind. Ein Zeichen für die Bedeutung von Film und Sound als wichtige Motive in Rosa Barbas Praxis, setzt die Arbeit Wirepiece, 2022, welcher Besucher als erstes – oder letztes – in dem durch das Wandelement geschaffenen Vestibül begegnen.
Wirepiece, 2022 besteht aus einer Trommelsaite, die straff zwischen Decke und Säule gespannt ist und von einem Streifen Filmmaterial, das von einem modifizierten Projektor im Loop abgespielt wird, berührt – ja, gespielt – wird. Das Stück Zelluloid, welches dadurch einen silbrigen Farbton erzeugt, nimmt eine unerwartete Rolle ein: Es ist ein Medium, auf dem Licht Informationen kodiert, und dient hier als mechanisches Instrument zur Erzeugung eines Tons. Dieser komplementiert das akustische Zusammenspiel von Filmen, skulpturalen und performativen Objekten im Ausstellungsraum.
Cinematische Skulpturen – wie Color Response, 2022, zwei Projektoren, die ihre Lichtkegel kreuzen und deren geloopte Filme ein Objekt aus Glasscheiben und Rollen durchqueren, um Register von gefilmten Farbfiltern zu projizieren – manipulieren das Instrumentarium des Kinos und unterwerfen die Maschinen und Materialien den Anforderungen ihrer neuen Formen.
Einige Arbeiten scheinen zu malen oder zu zeichnen: Mending Clear Positions, 2022, zum Beispiel, das durch das Anziehen und Lockern von Zelluloidstreifen ein ständiges Spiel von horizontalen Linien erzeugt, die sich anspannen und wieder lösen, oder Stellar Populations, 2017/2022, welches mit Film Metallkugeln sanft in Bewegung hält und diese Aktivität in sich kontinuierlich verändernde Zeichnungen verwandelt.
In Barbas Praxis wird Zeit nicht als feste Größe aufgefasst, nicht als eine lineare Ausdehnung. Stattdessen scheint Barba sie in ihren Werken zu modulieren. Zeit wird in Filmen verlangsamt und durch stotternde Geräte durchbrochen oder angehalten. A Shark Well Governed, 2017, spricht dieses Thema in Barbas Werk direkt an: Zelluloidstreifen, auf denen handgeschriebene Texte mit Spekulationen der Künstlerin über die Zeit zu lesen sind, bewegen sich über die Seiten eines beleuchteten quadratischen Lichtkastens. Die Filmstreifen übernehmen eine Doppelfunktion als Wissensspeicher und als Projektionsfläche, durch welche Licht dringt und geformt wird.
Barba versammelt in Radiant Exposures Werke, die alle ihren eigenen Rhythmus zu haben und in ihrer eigenen Zeit zu existieren scheinen, aber auch integraler Bestandteil eines choreografierten Ganzen sind. In diesem Zusammenhang nimmt der Film Solar Flux Recordings, 2022, eine zentrale Rolle in der Ausstellung ein. Für ihre Einzelausstellung 2017 im Palacio de Cristal des Museum Reina Sofia konstruierte Barba einen filigranen Rahmen (eine Rekonstruktion des formalen Vokabulars des Palacio) im Inneren des Bauwerks aus dem 19. Jahrhundert und platzierte Formen mit Filtern hoch oben im Dach. Die Anordnung, der aus mundgeblasenem farbigem Glas gefertigten Filter, war exakt dem Lauf der Sonne entsprechend berechnet worden. Das Gebäude „wurde zu einer Art Maschine“, wie Barba bemerkte, und verwandelte den gesamten Palacio de Cristal in eine Sonnenuhr. Solar Flux Recordings, 2022 fängt den Lauf der Zeit durch Schatten und die Bewegung der Sonne ein, die im Laufe der Madrider Ausstellung entstanden. In der Galerie wird der Film in Anlehnung an seine Konzeption durch Glasfilter projiziert, die denen nachempfunden sind, die Barba im Palacio de Cristal installiert hatte, und welche die Projektion des Films nun brechen.
Der neue 16-mm-Film Radiant Exposures-Facts Run on Light Beams These Days, 2022, (der zweite Teil des Titels zitiert Donna Haraway) kehrt zu Rosa Barbas langjährigem Motiv der Wüste und ihrer Erkundung moderner Archive als Manifestation des menschlichen Wunsches nach Fortschritt zurück. Wie in vorangegangenen Filmen scheint Radiant Exposures-Facts Run on Light Beams These Days einen Ort außerhalb von Zeit und Raum darzustellen – entrückt, zeitlos und unirdisch.
Auch der Titel der Ausstellung, Radiant Exposures, spielt auf diese Dichotomie an: Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Schwelle von Schöpfung und Zerstörung, an der alles existiert. So muss einerseits die Belichtung von Zelluloid kontrolliert werden, um ein Bild zu erzeugen – lässt man zu viel Licht in die (analoge) Kamera, gehen die eingeschriebenen Bilder verloren -, andererseits gilt diese Balance auch für unsere Existenz und die Zukunft des Planeten, denn sowohl „radiance“ [DT Leuchten, Glanz; aber auch Radiant: Meteorschauer] als auch „exposure“ [DT: u.a. Belichtung, Ausgesetztheit, Entblößung, Preisgabe] sind in Zeiten von Klimakrisen mit einer gewissen Bedrohlichkeit verbunden. Gleichzeitig verweist der Titel auf die Schönheit und Zeitlosigkeit des Kosmos und spielt auf Barbas fortgesetzte Erforschung der Überschneidungen von Film und Astronomie an.
Rosa Barba wurde in Italien geboren. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Berlin. Sie studierte an der Kunsthochschule für Medien Köln und war anschließend Stipendiatin an der Rijksakademie van Beeldende Kunsten, Amsterdam. Barba promovierte zum Thema „On the Anarchic Organisation of Cinematic Spaces: Evoking Spaces beyond Cinema“ an der Malmö Faculty of Fine and Performing Arts der Universität Lund im Jahr 2018.
Ihre Arbeiten wurden weltweit in renommierten Institutionen und auf Biennalen ausgestellt. Zu den jüngsten Einzelausstellungen gehören: Neue Nationalgalerie, Berlin (2021-2022); Wäinö Aaltonen Museum of Art, Turku (2020); CCA Kitakyushu (2019); Armory Park Avenue, New York (2019); Kunsthalle Bremen (2018); Remai Modern, Saskatoon (2018); Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Palacio de Cristal, Madrid (2017); Pirelli HangarBicocca, Mailand (2017); Wiener Secession (2017); Malmö Konsthall (2017); CAPC musée d’art contemporain de Bordeaux (2016); Schirn Kunsthalle, Frankfurt (2016); Albertinum, Dresden (2015) und im MIT List Visual Arts Center, Cambridge, MA (2015).
2021 wurden Rosa Barbas Inside the Outset: Evoking a Space of Passage, 2021, eine permanente Open-Air-Kinoskulptur in der Pufferzone der Vereinten Nationen in Deryneia, Zypern, und Pillage of the Sea, eine permanente Skulptur im Meer in Ostende, produziert anlässlich der Beaufort Biennale, eingeweiht.
Vernissage: Freitag, 9. September 2022, 18:00 – 21:00 Uhr
Ausstellungsdaten: Freitag, 9. September – Samstag, 15 Oktober 2022
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Bildunterschrift Titel: Rosa Barba, Off Splintered Time, 2021 (detail), glass, motors, 35mm film, LED light, 70 x 80 x 80 cm (sculpture). Courtesy of Rosa Barba and Esther Schipper, Berlin. Photo © Andrea Rossetti
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