bis 25.02. | #3695ARTatBerlin | galerie probst präsentiert ab 17. November 2022 die Gruppenausstellung „Papierzauber – Kreativität gibt auch dem Leichten Gewicht“, nach einem Zitat von Karl-Heinz Karius.
Die Erfindung des Papiers liegt ca. 2.000 Jahre zurück. Im Laufe von mehr als 1.000 Jahren gelangte dieses Wissen von China über Mittelasien und Arabien nach Ägypten und schließlich im 11. Jahrhundert von dort aus nach Italien. Die erste deutsche Papiermühle wurde 1390 in Nürnberg in Betrieb genommen. Papier hat den Fortschritt der Menschheit maßgeblich vorangetrieben und somit eine enorme historische und kulturelle Bedeutung
Neben der Informationsbeschleunigung hat Papier auch entscheidend zur Entwicklung der bildenden Kunst beigetragen. Durch die Beschaffenheit und die besondere Haptik des Papiers, werden Bilder auf eine einmalige Weise sichtbar und erlebbar. Dabei spielen die Saugfähigkeit und die Opazität des Papiers eine wesentliche Rolle. Viele Menschen lieben den Geruch von frisch bedrucktem Papier. So kann auch Kunst auf Papier gleich mit drei Sinnen erlebbar werden: sehen, fühlen und riechen!
Fu Xiaotong, 1 89700孔 手工宣纸, 2020, Handpaper, 115 x 65 cm
Was man sonst noch Außergewöhnliches aus und mit Papier kreieren oder „zaubern” kann, zeigen Ihnen in der Ausstellung Papierzauber die Künstlerin FuXiaotong, mit ihren Bildern aus Papierperforationen und die Künstlerin Julia Sossinka, mit ihrer großflächigen, begehbaren Papierinstallation. Dieses temporäre Unikat, können Sie nur während der Ausstellung in der galerie probst besichtigen, begehen und befühlen. Vielleicht erwischen Sie sogar noch einen Hauch vom typischen Duft der Aquarellfarbe.
Papier wird zu 95 Prozent aus dem heute immer kostbarer werdenden Rohstoff Holz hergestellt. Somit steigt auch der Wert eines Kunstwerkes, welches auf oder aus besonders hochwertigem Papier kreiert wurde. Zum Thema „Kunst als Wertschaffung” bietet galerie probst regelmäßig Vorträge an. Der Sachwert Kunst hat in Zeiten von Inflation schon immer eine attraktive Rolle gespielt. Gerne berät die Galerie beim Kauf eines Kunstwerkes auch zu diesem Thema.
Teilnehmende Künstler*innen: FuXiaotong: Perforationen in Xuan-Papier I Karl Kunz: Bleistift auf Zeichenkarton I Gabriele Hiller: Sumpfkalk auf handgeschöpftem Seidelbastpapier I Mariella Kerscher: Bleistift und Buntstift auf Papier I Julia Sossinka: Raum-Installation aus Aquarell-Papier I May Carro Cabaleiro: Hochpigmentierte Farben auf selbst entwickeltem, lichtdurchlässigem Papier.
Mariella Kerscher, N2,53°56’51.0_N 9°29’47.8 _E, 2022, Buntstift auf Papier, 29,7 x 21 cm
Mariella Kerscher, 1991 in Augsburg geboren, lebt und arbeitet in München Sie nutzt das aus einem natürlichen und nachwachsenden Rohstoff hergestellte Material Papier, um in ihrer Serie „Nature” Momente des Wachstums und des Zerfalls festzuhalten. In dieser ständig wachsende Serie untersucht sie gleichzeitig Momente in der Natur wie: Stehende Gewässer, die kurz vor dem „Umkippen“ faulig und schaumig sind. Sprudelnde, kalte Gebirgsquellen stehen dem gegenüber. Verschiedene Zustände des Waldes werden dokumentiert und als Momentaufnahme konserviert.
Die Titel ihrer Bilder belegen die Koordinaten der dokumentierten Orte. Mariella nutz hochwertiges Zeichenpapier. Dieses Papier ist besonders schwer und hat eine körnige Oberfläche, was eine umfangreichere Tonvariation und Farbtiefe zulässt.
Mariella Kerscher, N4,47°57’52.9 N 11°31’15.5 E, 2022, Buntstift auf Papier, 29,7 x 21 cm
Gabriele Hiller wurde in Berlin geboren, lebt und arbeitet in Wildenbruch bei Berlin. Ihre Arbeitsweise ist intuitiv und spürend. Ihre Bilder entstehen durch das instinktive Einlassen auf das Unvorhersehbare und den Augenblick. Dabei arbeitet sie mit alten, aus der Freskenmalerei bekannten Materialen – dem Sumpfkalk und dem italienischem Marmormehl – auf handgeschöpftem Seidelbastpapier. Mit Rakeln trägt sie die Materialien auf das Mehrlagige Seidelbastpapier auf. Im Trocknungsprozess entstehen reliefartige Oberflächen mit ausgebildeten Strukturen und feinen Rissen. Die getrockneten Arbeiten werden mit selbst hergestellten Farben aus reinen, unverschnittenen Pigmenten weiterbearbeitet. Jeder weitere Farbauftrag führt zur Verfeinerung, Vertiefung Ihrer Kunstwerke in dem sie Strukturen hervorhebt und Details erscheinen lässt. Im nächsten Schritt bearbeitet sie ihr Werk mit Pastell- und Silikat-Kreiden. Ein abschließender Firniss bindet die Farben und fixiert das Bild. Aufgrund des nicht planbaren schöpferischen Prozesses, sind Ihre Kunstwerke unwiederbringliche Unikate. Die in fein angestimmten, meist in erdigen Farbnuancen, reliefartigen, plastischen Bilder, die oftmals an alte Mauern und putzgeschädigte Wände erinnern, vermitteln ein ästhetisches Bild der Vergänglichkeit von gebautem und erzeugen beim Betrachter den Wunsch nach haptischer Erfahrung.
May Carro Cabaleiro wurde 1961 in Galicien, Spanien geboren, lebt in Berlin und arbeitet in Potsdam. Das Licht in Ihren Kunstwerken spielt eine elementare Rolle. Damit die Lichtstrahlen auf natürlichem Weg in Ihr Kunstwerk eindringen, sich integrieren können und auf eine besondere Art das Kunstwerk zum Strahlen bringen, ist es essenziell, das Trägermaterial unsichtbar erscheinen zu lassen. Daher entwickelte die Künstlerin ein eigenes Papier und einen einzigartigen Träger mit einer transparenten Platte aus synthetischem Material, die Sie passgenau auf Ihre Werke abstimmt. Ihre auf den ersten Blick monochrom erscheinende Farbpalette für ihre groß- und kleinformatigen Arbeiten variiert die Künstlerin phasenweise. Mit breitem Pinselduktus trägt Cabaleiro die fein abgestimmten, hochpigmentierten Farben in unterschiedlich vielen Schichten auf. Im Prozess des Malens lässt sie sich fast ausschließlich von sich selbst leiten, verfällt dabei in einen meditativen Zustand, der sie aus einer inneren Ruhe und Stärke heraus malen lässt.
FuXiaotong – Perforationen in Xuan-Papier
FuXiaotong, 1976 in der Provinz Shanxi, China geboren, lebt und arbeitet in China. Sie ist eine Meisterin der Perforation. Durch eine eigens von ihr entwickelte Technik setzt sie mit Hilfe eines Stanzwerkzeuges zunächst simpel erscheinende Löcher in traditionelles chinesisches Reispapier. Sie variiert dabei die Einstichwinkel und Durchmesser dergestalt, dass das Licht unterschiedlich durch die Durchbrüche dringt. Die dabei entstehenden Schatten von unterschiedlicher Länge sind von ihr für die Entstehung ihrer Landschaften somit visuell vorausberechnet. Mehrere hunderttausende feinster Durchbrüche lassen auf diese Weise wie von Zauberhand fantastische Reliefs entstehen. Indem FuXiaotong wegnimmt, bahnt sie den Weg für ihre wunderbaren Lichtlandschaften!
Karl Kuhn – Bleistift auf Zeichenpapier
Karl Kunz, wurde 1905 in Augsburg geboren und starb 1971 in Frankfurt. Seine Kunst wurde erst vor kurzem wiederentdeckt und ist heute u. a. in der Neuen Nationalgalerie, Berlin mit seinen Gemälden zu sehen. Von 1930 bis zu seiner Verhaftung durch die Gestapo 1933, war er Meisterschüler und Assistent bei Prof. Erwin Hahs an der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle/Saale. Karl Kunz erhielt 1933 Malverbot und zählte fortan zu den „entarteten Künstlern“. Während des Krieges malte er heimlich im elterlichen Furnierhandel weiter. Nach Ende des zweiten Weltkrieges erhielt er einen Lehrauftrag an der Staatlichen Kunstschule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken, wo er jedoch unerwartet 1949 entlassen wurde. Karl Kunz Malerei blieb nach 1945 figurativ, gegenständlich. Damit stellte er eine Gegenposition zu der nach 1945 dominierenden abstrakten Malerei dar. 1951 erhielt er den Donmick-Preis, 1954 nahm er an der Biennale teil, 1969 war er Ehrengast der Villa Massimo in Rom, um nur einige wichtige Stationen seines künstlerischen Schaffens zu nennen. Papier spielt bei Karl Kuhn sowohl bei seinen Ölgemälden mit eincollagierten Drucken aus Zeitungen und Zeitschriften als auch bei seinen zahlreichen Zeichnungen eine große Rolle. 1950 schreibt er einem Freund: „Ich zeichne, weil ich kein Geld für Farben habe“.
Julia Sossinka, 1983 in Hattingen geboren, lebt und arbeitet in Berlin. Sie reißt 400 g starkes Aquarellpapier in Bahnen, welches sie zuvor mit Schelllacktusche bemalt hat und verklebt diese miteinander. So entstehen ihre wuchernden, von beeindruckender Größe anwachsenden Installationen, die zu eigenen Räumen werden. Deren verblüffende Stabilität lässt uns auf dem ersten Blick kaum glauben, dass wir es mit dem Material Papier zu tun haben. Beim näheren Betrachten und Hindurchschreiten der Installation, erkennt man jedoch die typischen weißen Reißkanten des empfindlichen Materials. Ihre Papierinstallationen lassen uns für einen Moment die Außenwelt vergessen und in farbefrohe Zwischenwelten aus einem Meer von Papier hineinzaubern.
Ausstellungsdaten: Donnerstag, 17. November 2022. bis Samstag, 25. Februar 2023
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Bildunterschrift Titel: Julia Sossinka, on the move, Installation, Schwartzsche Villa, 2015, Detailansicht 3
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