post-title Olaf Metzel | Berliner Kindheit | WENTRUP | 12.12.2020–23.01.2021

Olaf Metzel | Berliner Kindheit | WENTRUP | 12.12.2020–23.01.2021

Olaf Metzel | Berliner Kindheit | WENTRUP | 12.12.2020–23.01.2021

Olaf Metzel | Berliner Kindheit | WENTRUP | 12.12.2020–23.01.2021

bis 23.01. | #2936ARTatBerlin | WENTRUP zeigt ab 12. Dezember 2020 die Solo Show „Berliner Kindheit“ mit Arbeiten des Künstlers Olaf Metzel.

Ende 2019 kaufte ich mir die zweibändige Werkausgabe zu Walter Benjamins Berliner Chronik/Berliner Kindheit um 1900. In Erinnerung hatte ich eigentlich einen schmalen Band und war überrascht von den Hintergründen der Entstehung. Ursprünglich 1930 verfasst, hat er in den Jahren des Exils die einzelnen Stücke, wie er sie selber bezeichnet hat, immer wieder überarbeitet. So existieren unterschiedliche Versionen, was auch daran lag, dass er trotz intensiver Bemühungen von Freunden wie Theodor W. Adorno keinen Verleger gefunden hatte.
Natürlich habe ich mich bei der erneuten Lektüre an meine eigene Berliner Kindheit erinnert. Diese war zwar um 1960, aber es gibt bei Walter Benjamin einzelne Schilderungen, die mir durchaus vertraut waren. Die Speisekammer, der besondere Genuss von Bratäpfeln, das lärmende Ambiente der Stehbierhallen. Daran hatte sich nicht allzu viel geändert.

Etwas anderes waren aber die Ruinen zerstörter Häuser zwischen den Neubauten, die wie Fremdkörper wirkten. Diese hatten eine andere, nicht erklärbare Präsenz und Anziehungskraft. Trotzdem war ‚kaputt‘ das passende Wort, auch wenn viel gebaut wurde. Vielleicht waren deswegen die Wohnungen in den Neubauvierteln so begehrt, heute soziale Ghettos und Brennpunkte.
Oft hatte ich auf dem Schulweg ein Stück von einem abgebrochenen Ziegelstein, einer ‚Klamotte‘ in der Hand und zog Linien an den Hauswänden. Natürlich mit Unterbrechungen, wenn man beobachtet wurde und rennen musste, um nicht erwischt zu werden. Hat aber Spaß gemacht, die orangerote Farbspur machte sich auf den frisch verputzten Neubauten besonders gut. Wenn es Wellenlinien waren, hatte ich wahrscheinlich dabei gepfiffen oder mir eine Geschichte ausgedacht. Pausen gab es auch, denn dazwischen lagen immer mal wieder Trümmer gemauerter Wände oder zerbrochene Stahlbetonpfeiler.
Etwas merkwürdig waren anfangs die ‚modernen‘ Dekorationen an den Wänden der Neubauten, gemalt oder als Mosaik aus Kacheln, ebenso wie die immer öfter auf Plätzen, in Parks oder vor den neuen Wohnbauten auftauchenden abstrakten Skulpturen. Teilweise waren es immerhin gute Sitzgelegenheiten, klettern ging auch. Meist standen sie aber einfach nur im Weg, wurden dann doch zu einer vertrauten Umgebung und prägten sich mit der Zeit ein. Auf einer Brücke habe ich meist die Klamotte in den Kanal geworfen und zugesehen, wie das Wasser ein paar Kreise zog.

ART at Berlin - Courtesy of WENTRUP Gallery - Olaf Metzel - 2020 - 1
Olaf Metzel, Berliner Kindheit, 2020, aluminum cast,
130 x 100 x 115 cm / 51 1/4 x 39 1/3 x 45 1/4 in

Jedenfalls war es spannender, zu Fuß zur Schule zu gehen und auf dem Nachhauseweg zu trödeln, als mit der Straßenbahn zu fahren oder mit dem Auto gebracht zu werden. Damals regelte ein ‚Schupo‘ den Verkehr auf dem Hermannplatz, es gab noch keine Ampeln und zu Weihnachten stellten ihm die Autofahrer als Dankeschön und gegen die Kälte hochprozentige Getränke vor sein Podest. Biegt man heute vom Hermannplatz kommend in die Sonnenallee ein, wäre es aus damaliger Sicht die reinste Märchenwelt.

Eigentlich war alles irgendwie grau, fehlt nur noch das Wetter, besonders im Winter wurde es monatelang nicht richtig hell. Eine einzige Palette von schmutzigen Grautönen. In den Altbauten waren viele Fenster von Innen gefroren, man wusste, wer Kohlen hatte und wer nicht.
Für diese Jahreszeit gab es zu Hause den Stabilbaukasten, bestehend aus schmalen perforierten Metallschienen, die zusammengeschraubt werden konnten mit ebenfalls am Rand perforierten dünnen, rechteckigen Plastikflächen. Ein endloser Systembaukasten und damals schon ein absoluter Hit. Der Inhalt war laut Anleitung zum kreativen Nachbau von Kränen und technischem Gerät gedacht, es ließen sich aber genauso gut Schachteln – ineinander verschraubt – stapeln und verbiegen. Das Material war ziemlich arbeits- und damit zeitaufwendig, so dass am Ende bei mir aus dem Schachtelsystem meist zertretener Kubismus wurde.

Anfang der 1960er Jahre hatte mich mein älterer Bruder zum ersten Mal mit ins Kino genommen. Wir sind in Richtung Tiergarten an der Mauer entlanggewandert, die damals die Tristesse noch verstärkt hatte. Die großen weißen Holztafeln mit der schwarzen Schrift You are leaving the American sector waren eigentlich überflüssig geworden. Der Film, den wir sahen, hieß Mon Oncle von Jacques Tati und das Kino war die Kongresshalle, jetzt das Haus der Kulturen der Welt. Ich war gleichzeitig irritiert und begeistert, von der Architektur und dem Film.
Ein ähnliches Erlebnis hatte ich dann Ende der 60er Jahre – schon als Jugendlicher – in der Neuen Nationalgalerie. Sie war damals gerade eröffnet worden. Am Wandertag der Schulen und um die Besucherquote zu erhöhen, wurden die Schüler durchgeschleust. Nicht nur die Architektur, sondern auch ein Gemälde von Mark Rothko hatten es in sich. Alles in Rot bis auf die verschwimmenden Ränder und dann der Titel: Nr. 5 (Reds), ich dachte, was soll das denn? Jedenfalls kein Grau… Es war mein erster Museumsbesuch.

Kindheitsmuster als Kontrastprogramm — Anlass und Ausgangspunkt für eine Serie neuer Skulpturen in unterschiedlichen Techniken und Materialien.

Olaf Metzel, 2020

ART at Berlin - Courtesy of WENTRUP Gallery - Olaf Metzel - 2020 - 2
Olaf Metzel, lockdown, 2020, aluminum, steel, 216 x 292 x 11 cm / 85 x 115 x 4 1/3 in

Olaf Metzel hatte zahlreiche internationale Einzelausstellungen, zudem war er Teilnehmer der documenta 8, Kassel (1987), der Skulptur Projekte Münster (1987 und 1997); Sydney Biennale (1990); Istanbul Biennale (1995 und 2017), sowie der Sao Paulo Biennale (2002). Skulpturen im öffentlichen Raum befinden sich in Deutschland, Europa und Asien. Er kuratiert Ausstellungen und publiziert Beiträge in Magazinen sowie Zeitungen.

Werke von Olaf Metzel befinden sich in den Sammlungen der Bayrischen Staatsgemäldesammlung, München; Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf; Staatsgalerie Stuttgart; Museum Ludwig, Köln; Hamburger Kunsthalle; Sammlung  Deutsche Bank, Frankfurt und Berlin;  Sammlung Falckenberg, Hamburg; Sammlung Hollweg, Bremen; Sammlung Philara, Düsseldorf; Sammlung Ackermans, Düsseldorf; Sammlung René Block, Berlin; Sammlung für zeitgenössiche Kunst der Bundesrepublik Deutschland, Bonn; Böckmann Collection, Berlin; Munich Re Art Collection, München, ZKM Karlsruhe; Collezione Sandretto Re Rebaudengo, Turin; Martin Z. Margulies Collection, Miami und andere.

Wentrup freut sich, die vierte Einzelausstellung des in München lebenden Bildhauers Olaf Metzel (*1952 in Berlin) in der Galerie zu präsentieren.

Vernissage: Freitag, 11. Dezember 2020, 11-18 Uhr

Ausstellungsdaten: Samstag, 12. Dezember 2020 – Samstag, 23. Januar 2021

Zur Galerie

 

 

 Ausstellung Olaf Metzel – WENTRUP | Zeitgenössische Kunst in Berlin | Contemporary Art | Ausstellungen Berlin Galerien | ART at Berlin

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