post-title Ingo Mittelstaedt | Cella | Galerie koal | 08.09.-22.10.2016

Ingo Mittelstaedt | Cella | Galerie koal | 08.09.-22.10.2016

Ingo Mittelstaedt | Cella | Galerie koal | 08.09.-22.10.2016

Ingo Mittelstaedt | Cella | Galerie koal | 08.09.-22.10.2016

bis 22.10. | #0737ARTatBerlin | Galerie koal zeigt ab dem 08. September 2016 die Ausstellung „Cella“ des Künstlers Ingo Mittelstaedt.

„Was soll ich tun? Ich denke mir einfach komische Dinge aus.“

(Martel Schwichtenberg, 1940)

Manche Begegnungen sind schicksalhaft. Es gibt Objekte, deren Strahlkraft eine unbändige Neugierde auf ihren Urheber weckt. Und es gibt Stimmen, die so laut sind, dass man sie auch nach mehr als einem halben Jahrhundert noch deutlich hören kann. In der künstlerischen Auseinandersetzung Ingo Mittelstaedts mit Leben und Werk Martel Schwichtenbergs kommen alle drei dieser glücklichen Ausnahmefälle zusammen.

Eine Bahlsen Keksdose brachte Mittelstaedt auf die Spur einer schillernden Künstlerbiographie zwischen Höhenflügen, Abstürzen, deutscher Finsternis und der Lichtfülle Afrikas. Nach der Ausstellung Martel S., die Anfang diesen Jahres im Kunstverein Hannover gezeigt wurde, führt der Künstler mit Cella seine Sondierung von Schwichtenbergs Vermächtnis fort.

Dabei geht es Mittelstaedt nicht primär um die Wiederentdeckung des Werks einer marginalisierten Künstlerin. Stärker noch als die Qualität ihrer Arbeiten beeindruckt ihn die Intensität von Schwichtenbergs persönlichen Aufzeichnungen. Ausgangspunkt von „Cella“ bilden Briefe, Textfetzen und tagebuchartige Notizen der Künstlerin, auf die Mittelstaedt im Zuge seiner Recherchen auf Schloss Gottdorf in Schleswig-Holstein stieß. In zwei dicken Ordnern breitete sich das Panorama eines für seine Zeit untypischen Frauenlebens aus, das gerade deshalb ein wichtiges, und bei aller Beklemmung oft auch brüllend komisches, Zeitdokument darstellt.

Martel Schwichtenberg wurde am 5. Juni 1886 Hannover geboren. Eigentlich hieß sie anders. Dass sie als Pseudonym den Namen ihrer liebsten Cognacmarke Martell wählte, sagt bereits einiges über sie aus. Frei von Selbstmitleid und mit analytischer Schärfe gewappnet, notiert sie Episoden ihres Lebens. Etwa, wie sie nach dem Genuss einiger Gläser besagten Cognacs auf einer Gesellschaft „hochpiekfeiner Leute“ „im Arztwagen“ abtransportiert werden musste. Ihre persönlichen Briefe signierte Schwichtenberg nicht mit ihrem Künstlernamen, sondern mit dem Kürzel Cella, das der Ausstellung ihren Namen gibt.

Mittelstaedt transformiert Schwichtenbergs Selbstzeugnisse ins Bildhafte, indem er ausgewählte Textpassagen mittels des alternativen Belichtungsverfahrens der Cyanotypie auf fließende Stoffbahnen überträgt. Dieses Verfahren bietet den Vorteil, dass die Notwendigkeit eines reproduktiven Zwischenschritts entfällt. So entstanden die hier gezeigten Arbeiten unmittelbar in Mittelstaedts Atelier. Die Materialwahl ist auch als Hommage an eine Frau zu verstehen, für die das Spiel mit der textile Selbstinszenierung noch in dunkelster Stunde stets Gegenstand ihrer Betrachtungen bildete.

Über Martel Schwichtenberg:

In ihrem künstlerischen Schaffen war Schwichtenberg bereits früh erfolgreich: Sowohl als Portraitmalerin in Berlin, wo sie in Bohème-Kreisen verkehrte, als auch in dem, was man heute Grafikdesign nennt. Ihre Entwürfe prägten die Corporate Identity der Keksfabrik Bahlsen entscheidend. Bis heute zeigt das Logo der Hannoveraner Firma ihre Handschrift. Zu den bekanntesten Objekten dieser Zusammenarbeit zählt eben jene Keksdose, die Mittelstaedt in einem Museum entdeckte.

Schwichtenberg, die mit einem jüdischen Künstler verheiratet war und deren Bilder in der NS-Propagandaausstellung Entartete Kunst gezeigt wurden, floh 1933 vor den Nazis nach Südafrika, wo sie eine glückliche Zeit durchlebte. Sechs Jahre später erfuhr ihr Leben eine tragische Wende: Ein Brand in ihrem Atelier vernichtet 400 ihrer dort gelagerten Arbeiten. Bei einem privaten Besuch in München schnitt der Kriegsausbruch ihr den Rückweg nach Afrika ab. Sie versteckte sich im Schwarzwald und lebte dort, von Depressionen und Alkoholsucht geplagt, zeitweilig in einem Sanatorium. Kurz nach Ende des Krieges verstarb sie an den Folgen einer Krebserkrankung im Alter von 49 Jahren.

Text Diana Weis / 2016
Vernissage: Mittwoch, 07. September 2016, von 19 bis 21 Uhr
Ausstellungsdaten: Donnerstag, 08. September bis 22. Oktober 2016

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Bildunterschrift: Ingo Mittelstaedt / Cyanotypie auf Seide / Maße variabel

Ausstellung Ingo Mittelstadt – Galerie koal – Kunst in Berlin ART at Berlin

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