post-title Henrike Naumann | Einstürzende Reichsbauten | Kunsthaus Dahlem | 08.08.-28.11.2021

Henrike Naumann | Einstürzende Reichsbauten | Kunsthaus Dahlem | 08.08.-28.11.2021

Henrike Naumann | Einstürzende Reichsbauten | Kunsthaus Dahlem | 08.08.-28.11.2021

Henrike Naumann | Einstürzende Reichsbauten | Kunsthaus Dahlem | 08.08.-28.11.2021

bis 28.11. | #3144ARTatBerlin | Kunsthaus Dahlem zeigt derzeit die Ausstellung „Einstürzende Reichsbauten“ der Autorin und Künstlerin Henrike Naumann.

Henrike Naumann thematisiert in ihrem Werk den »Widerschein gesellschaftlicher Umbrüche im Möbel« (SZ, 2019). Sie interessiert, wie sich Ideologie und Design verbinden, wie sich politische Realitäten ebenso wie Systemwechsel und andere einschneidende historische Ereignisse – häufig unreflekiert – in der Alltagsästhetik zum Ausdruck kommen.

Mit ihrer aktuellen Ausstellung Einstürzende Reichsbauten inszeniert sie im Kunsthaus Dahlem ein privat anmutendes Interieur. Sitzgruppen, Beistelltischchen, Schränke und Kommoden aus den 1930er bis 1990er Jahren verteilen sich im weitläufigen Raum. Für ein diffuses Gefühl der Wohnlichkeit sorgen allerlei Nippes, Deko-Objekte und Spiezeuge, die nicht nur die Grenzen des »guten Geschmacks« ausreizen, sondern bei genauerer Betrachtung die vermeintliche Harmlosigkeit des Arrangements gezielt unterlaufen.


Henrike Naumann Einstürzende Reichsbauten, 2021 Ausstellungsansicht, Berlin, Kunsthaus Dahlem, 2021
Foto: © Moritz Jekat; courtesy Henrike Naumann & KOW Berlin

Insgesamt wirkt die Möblierung etwas verloren in den Dimensionen des ehemaligen repräsentativen Staatsateliers des NS-Bildhauers Arno Breker. Und das hat System. In ihrer Installation Ruinenwert, die sie erstmals 2019 in der Ausstellung Innenleben im Münchner Haus der Kunst zeigte und mit der ihre Auseinandersetzung mit dem ideologischen Gehalt von Mobiliar aus der NS-Zeit begann, zitiert Henrike Naumann historische Räume der Macht. Sie orientiert sich an Interieurs, die durch schiere Größe zu beeindrucken suchen: dem Empfangssaal von Adolf Hitlers Residenz auf dem Obersalzberg, in dem sich der Diktator als Privatmann inszenierte; dem Display auf der Deutschen Architektur- und Kunsthandwerksausstellung von 1938, die einen idealen nationalsozialistischen Einrichtungsstil propagierte und schließlich an Angela Merkels Büro im Kanzleramt mit der Sitzgruppe, über der bis vor kurzem noch Emil Noldes Gemälde Brecher hing, bevor es wegen der Verbindung des Künstlers zum Nationalsozialismus entfernt wurde. In Naumanns Installation wurde das Bild durch ein Video ersetzt, für das die Künstlerin unter anderem das Motiv der sich brechenden Welle in Plüsch nachbildete. Ihr Material bezieht Henrike Naumann zumeist aus zweiter Hand. Sie verwendet vorzugsweise Möbel, die keiner mehr braucht oder haben will und die sie in neuen Kontexten mit neuer Bedeutung auflädt. Im Kunsthaus Dahlem mischt sie das Originalmobiliar aus einem ambitionierten Repräsentationsbau der NS-Zeit, dem Haus der Deutschen Kunst, heute Haus der Kunst in München, mit Einrichtungsgegenständen aus den 1980er und 1990er Jahren, aus der Zeit der »Wende« also, welche die Künstlerin als Jugendliche erlebt hat. Damit hat sie nicht nur die Kamingruppe des Berghofs nachgebaut, sondern auch das Alpenpanorama, auf das man von dort durch ein riesiges, im Boden versenkbares Fenster blickte. Bei Naumann wird die spektakuläre Gipfelkette zur Schrankwandkulisse, aus der das Volkslied »Der alte Barbarossa« erschallt. Gedichtet 1817 von Friedrich Rückert und für die Ausstellung von Bastian Hagedorn bearbeitet, ruft es den Mythos des im Kyffhäuser schlafenden Kaisers in Erinnerung, der seit dem 19. Jahrhundert bis heute immer wieder von völkischen Bewegungen instrumentalisiert wurde.

Henrike Naumann Einstürzende Reichsbauten, 2021 Ausstellungsansicht, Berlin, Kunsthaus Dahlem, 2021 (Detail)
Foto: © Moritz Jekat; courtesy Henrike Naumann & KOW Berlin

Henrike Naumanns Installation ist von Anachronismen durchzogen, die historische Kontinuitäten bis in die Gegenwart markieren oder Querverweise zu anderen historischen Epochen aufzeigen. Dabei setzt sich die Künstlerin mit faschistischem Gedankengut auf der Ebene einer scheinbar harmlosen Alltagsästhetik ebenso auseinander wie mit einigen Protagonistinnen, die jene Ideale in genau diese Ästhetik überführten, so etwa Hitlers Innenarchitektin Gerdy Troost, von der die Möbel aus dem Haus der Kunst stammen oder die Filmemacherin Leni Riefenstahl, deren athletisches Körperbild bis heute die Fitnesskultur prägt. In der Zusammenschau wird deutlich, wie die einzelnen Objekte an politische Ereignisse und gesellschaftliche Realitäten gebunden sind, wie Ideologien sich unbemerkt und unhinterfragt über den privaten Raum verbreiten können.

ÜBER DIE KÜNSTLERIN

Henrike Naumann, geboren 1984 in Zwickau (DDR), lebt und arbeitet in Berlin. Sie studierte Bühnen- und Kostümdesign sowie Szenografie in Dresden und Potsdam. Naumann reflektiert in ihrem Werk gesellschaftspolitische Probleme auf der Ebene von Design und Interieur. Ihr künstlerisches Material sind meist Second-Hand-Möbel, aus denen sie, in Kombination mit Video und Sound, ihre raumgreifenden Installationen baut. Ihre Beschäftigung mit Alltagsästhetik reflektiert die Mechanismen der Radikalisierung und deren Zusammenhang mit persönlicher Erfahrung, aber auch Facetten der (deutschen) Geschichte. In den letzten Jahren hat sie zahlreiche Ausstellungen gezeigt, u.a. im Belvedere, Wien, im Kunstpalast Düsseldorf, im Museum Abteiberg, Möchengladbach; im MMK, Frankfurt am Main und im Haus der Kunst, München.

BUCH ZUR AUSSTELLUNG

»In Einstürzende Reichsbauten entwickeln die Künstlerin Henrike Naumann, die Kunsthistorikerin Agela Schönberger und der Architekt und Designtheoretiker Andreas Brandolini ein Projekt, das Naumanns Arbeit Ruinenwert (2019) in ein diskursives Verhältnis zu Schönbergers Recherchen über Albert Speer und Brandolinis postmoderner Designtheorie setzt.«
(Ankündigung des Distanz Verlags)

Henrike Naumann mit Angela Schönberger und Andreas Brandolini
Einstürzende Reichsbauten
Berlin: Distanz 2021 (Reihe »Kontext«)
112 Seiten | zahlreiche Farbabbildungen

Ausstellungsdaten: Sonntag, 8. August – Sonntag, 28. November 2021

Zum Museum

 

 

 

Ausstellung Henrike Naumann – Einstürzende Reichsbauten | Kunsthaus Dahlem | Ausstellungen Berlin Museen – Kunst in Berlin | ART at Berlin

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