post-title Thomias Radin | Hidden in Plain Sight | Esther Schipper | 15.03.-13.04.2024

Thomias Radin | Hidden in Plain Sight | Esther Schipper | 15.03.-13.04.2024

Thomias Radin | Hidden in Plain Sight | Esther Schipper | 15.03.-13.04.2024

Thomias Radin | Hidden in Plain Sight | Esther Schipper | 15.03.-13.04.2024

bis 13.04. | #4137ARTatBerlin | Galerie Esther Schipper zeigt derzeit die Ausstellung Hidden in Plain Sight des Künstlers Thomias Radin.

Unabhängig vom Medium ist Radins Praxis von einem verkörperten Wissen geprägt, das durch seinen Hintergrund in Tanz und sein Heranwachsen zwischen der Karibikinsel Guadeloupe und Frankreich geformt wurde. Für Radin sind die Schwarzen Subjekte seiner Gemälde, Skulpturen, Performances und Filme Träger von Erinnerung und Bewegung. Bewegung, die eine Geschichte von tiefer Spiritualität erzählt, überliefert, mit altem Wissen verwoben und dennoch stets im Werden begrifen und lebendig. Die Betonung des Wandels ist verbunden mit einer Hervorhebung der Veränderlichkeit von Bedeutung und der Allgegenwart des Immateriellen und Unfassbaren in Radins Praxis.

Mit Hidden in Plain Sight ist eine Umgebung entstanden, in der man Form unmittelbar erleben und über die weitere Bedeutung und tiefere Konnotationen der Werke nachdenken kann. Radins Kunst ist stark von seinem Geburtsort Guadeloupe und seiner Kindheit in Frankreich beeinfusst und umfasst handgeschnitzte Holzarbeiten sowie visuelle Referenzen wie Marmor und engelsgleiche Wesen, die seine Auseinandersetzung mit europäischem visuellem Erbe und sein Interesse an altägyptischen, griechischen und christlichen Mythologien widerspiegeln. US ICARUS, 2024, greift beispielsweise auf den antiken griechischen Mythos zurück, wobei Radin ihn in einem turbulenten Ozean neu inszeniert – möglicherweise in Anspielung auf seine Insel und auf den Handel mit versklavten Menschen zwischen Europa, Westafrika und Amerika. Die schwarze Hand, die auf die zentrale Figur herabreicht, könnte als helfende Hand Gottes gelesen werden, ebenso wie der halb angebissene Apfel auf die Verbannung von Adam und Eva verweisen könnte. Die Werke greifen antike Mythen und Glaubensvorstellungen auf und setzen sich dennoch auf pointierte Weise mit aktuellen sozialen und politischen Themen auseinander: So kann Ikarus hier als Symbol für die gegenwärtige Krisensituation verstanden werden. Radins Werke sind opulent und vielschichtig und enthalten nicht selten unterschiedliche und biswei-
len widersprüchliche visuelle Motive.

Als überzeugter Universalist zieht sich durch Radins Arbeit ein roter Faden, der in der Macht archetypischer Motive und uralter Erzählungen liegt und über die Grenzen ihrer Quellen hinweg mitschwingt. In Musik und Tanz zum Beispiel fndet er sowohl konkrete historische Bezüge als auch eine verbindende Kraft, die sein Publikum anspricht. Musik und Tanz fießen mit ihren fragmentierten Körpern, ihrem bewegten Leben, ihren gestischen Pinselstrichen und ihrem Sampling ebenso in die Malerei ein wie die Rhythmen von HipHop, Gwo Ka und Capoeira. Die Synkopen der Trommelklänge werden so in Form und Ausführung spürbar.

Ähnlich einer improvisierten Performance bezieht sich Radins malerischer Prozess sowohl formal als auch konzeptionell direkt auf seine Tanzpraxis. Die Gemälde scheinen oft in großen dynamischen Gesten ausgeführt zu werden, wobei die dargestellten Personen wie mitten in der Bewegung festgehalten erscheinen. Sie sind in der Regel Schwarz, jung und männlich oder androgyn und oft nur als Fragmente von muskulösen Körpern zu erkennen. Die Figuren sind in schnellen, energiegeladenen Posen gefangen und vermitteln den Eindruck großer physischer Stärke. Ihre Bewegungen sind voller Geschichte und werden zu Instrumenten des Erzählens. Für den Künstler sind Tänzerinnen und Tänzer in eine Art spiritueller Vereinigung verwickelt, in einem Dialog voller Verletzlichkeit und Gewalt, in dem jede Geste eine bestimmte Bedeutung hat.

Skulpturale Werke wie KA Spirit I, 2023, werden von Hand aus Holz geschnitzt, mit Figuren und Lasuren verziert und manchmal mit Applikationen versehen. Die Holzstruktur kombiniert Formen von Trommeln, wie sie in Guadeloupe (Ka) und in Kuba (Cajon) verwendet werden. Sowohl das Holzhandwerk als auch das Trommelspiel haben in der Kultur von Guadeloupe eine tief verwurzelte politische Bedeutung: Die charakteri-
stische Musik der Gwo Ka war für die versklavte Bevölkerung ein Akt des Gedenkens und des Widerstands. Die Titel der Skulpturen leiten sich vom altägyptischen Begrif „ka“ ab, einem wesentlichen Teil der Seele eines menschlichen oder göttlichen Wesens. Im alten Ägypten glaubte man, dass die Ka-Statuen die Verstorbenen repräsentierten, und eine Art Behältnis ihres Geistes darstellten, dem die Nachkommen Opfergaben darbringen konnten. Radins Arbeit basiert auf einer transformativen Kraft der Bewegung für Körper und Geist.

Im Sommer 2024 wird Thomias Radin eine Einzelausstellung im Kunstverein Göttingen haben.

Thomias Radin wurde 1993 in Abymes, Guadeloupe, geboren. Er erhielt seinen BFA und MFA an der Universität Rennes 2 in den Jahren 2015 und 2018. Der Künstler lebt und arbeitet in Berlin.

Zu Radins Einzelausstellungen gehören POLYCHROME – The Myth of Karukera & Cibuqueira, Galerie Wedding, Berlin (2023); Kimbé Rèd Pa Moli, Steve Turner, Los Angeles (2022); The Myth of Inner Landscapes, SAVVY Contemporary, Berlin (2019).

Zu seinen Gruppenausstellungen gehören Poly: A Fluid Show, KINDL- Centre for Contemporary Art, Berlin (2023 – 24); Embodied Spaces: The Body as Architecture, Strada Gallery, New York (2023); Les Enchantées, Frontview, Berlin (2023); The Garden, The Curators Room, Amsterdam (2023); Trangressive: Nonkonforme Zugänge zu Kunst and Stadt, Kühlhaus Berlin, Berlin (2022); Non Playable character, The Fairest, 59th Venice biennale, Venice (2022); Home Alone, ATM Gallery, New York (2020); Berlin-Lagos Mobility and Heritage, Galerie Wedding, Berlin (2018).

Zu den ausgewählten Performances gehören The Myth of a Trinity II, KINDL – Centre for Contemporary Art, Berlin (2023); Oversea Riddim, Deutsche Oper, Berlin (2023); What a Time to Be Alive, The Curators Room, Amsterdam (2022); Gospel of Wealth: Monumental shadow, Savvy Contemporary, Berlin (2021); The Myth of a Trinity, Oyoun, Berlin (2020); The Myth of a Trinity, Temps fort, Saint Domineuc (2019); The Myth of a Trinity, Performing Arts Festival, K77 Studio, Berlin (2018).

 

Ausstellungsdaten: Freitag, 15. März bis Samstag, 13. April 2024

Zur Galerie

 

 

Bildunterschrift Titel: Thomias Radin, DANCE OF FREEDOM, 2024 (detail). Photo © Jelena Jelly Luise

Ausstellung Thomias Radin – Esther Schipper | Zeitgenössische Kunst in Berlin | Contemporary Art | Ausstellungen Berlin Galerien | ART at Berlin

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