post-title Noémie Goudal | Inhale Exhale | alexander levy | 02.05.–31.05.2025

Noémie Goudal | Inhale Exhale | alexander levy | 02.05.–31.05.2025

Noémie Goudal | Inhale Exhale | alexander levy | 02.05.–31.05.2025

Noémie Goudal | Inhale Exhale | alexander levy | 02.05.–31.05.2025

bis 31.05. | #4688ARTatBerlin | Galerie alexander levy zeigt ab 02. Mai 2025 die Ausstellung Inhale Exhale der Künstlerin Noémie Goudal.

Noémie Goudal spricht in Bezug auf die Herausforderungen ihres Werks von einer schwindelerregenden Aufgabe: Wie kann man durch das Prisma der Paläoklimatologie die Welt in Bewegung verstehen, eine Realität, die der zeitgenössischen Vorstellung von unserem Planeten als einer festen Einheit mit klar definierten Kontinenten und festen Grenzen widerspricht?

Die Künstlerin nähert sich dieser großen Fragestellung – der Landschaft in Bewegung und unserer Schwierigkeit, dies zu begreifen – aus unterschiedlichen Perspektiven, in Form von Fotoserien, Videos und immersiven Installationen. Die Paläoklimatologie fasziniert Noémie Goudal, weil sie die Vergangenheit untersucht, um die Zukunft zu verstehen. Sie nutzt dieses Forschungsfeld als Sprungbrett für die Kapitel einer visuellen Erzählung, die sich nun in der Ausstellung Inhale Exhale entfaltet.

IN EX HALE: Eine Neonarbeit im Schaufenster der Galerie greit den Ausstellungstitel auf und bringt ihn durcheinander, indem die beiden Präpositionen IN und EX abwechselnd aufleuchten. Von einer harmonischen Atmung sind wir jedoch weit entfernt, das Licht flackert und stottert, wie ein synkopierter Atem, eine Extrasystole. Was suggeriert dieses hektische Atmen, zwischen dem Widerstand der konkreten Materie und einem metaphorischen Kommentar zur Welt?

ART at Berlin - alexander levy - Noémie Goudal - Photo by Andy Keate - 2

Noémie Goudal, Origins I, 2023, Inkjet print, 110 x 82.5 cm, edition 5 + 2 A.P.,  © Noémie Goudal. Courtesy the artist and Edel Assanti. Photo by Andy Keate

Für diese Ausstellung hat Noémie Goudal eine Hängung konzipiert, die ihre bisherige Recherche konzeptuell weiterführt: Die Künstlerin greift in einer szenografischen Geste die Arbeitsweise auf, die zur Entstehung des Werks selbst beigetragen hat, und verschiebt sie. Wie in ihren Fotografien und Videos bevorzugt die Künstlerin eine Form des Bühnenhandwerks, um ihre visuellen Dispositive aufzubauen: Sie verschweigt nicht die strukturellen Archaismen, verschmäht aber auch nicht die magische Dimension der mise en scène. Hier kleidet sie mehrere Wände mit schwebenden Farbfiltern aus, die unweigerlich an Filmbänder erinnern, gelatineartige Streifen, die buchstäblich die Zeit des Bildes in Metern messen. Auf diesen Wänden aus vertikalen Lamellen, die die Luft zirkulieren lassen und das Licht formen, scheinen die Fotografien der Künstlerin auf geheimnisvolle Weise zu schweben.

In diesem mentalen Projektionsraum hat Noémie Goudal eine Auswahl von Werken getroffen, die sich alle mit der Frage nach der Konstruktion des Bildes befassen. Ob neuere oder ältere, fotografische oder videografische Werke, sie alle untersuchen die physische und philosophische Struktur des Abbilds. Die Künstlerin beherrscht die Kunst der Illusion und lässt den aufmerksamen Betrachtenden dennoch die Hinweise auf ihre Artefakte sichtbar. Die Ausstellung gleicht einer Untersuchung: Durch Wasser und Feuer und die lebendige Materie der Landschaft enthüllen die Bilder ihre zahlreichen Schichten sowie ihren Off-Screen, während sie zugleich die Rolle des Menschen in seiner Umwelt ausloten.

ORIGIN I, II, III
Noémie Goudal beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit der sogenannten Wiege der Menschheit: Die Entwicklung der menschlichen Spezies lässt sich in Kenia beobachten, an der südlichsten Spitze des Großen Grabenbruchs. Hier sind uralte Sedimentschichten durch intensive tektonische Aktivität an die Oberfläche gelangt. Der in Afrika anhaltende Prozess der Austrocknung wurde in diesem Gebiet immer wieder durch plötzliche klimatische Veränderungen unterbrochen: Geologische Stabilität für tausend Jahre, dann ein heftiger Vulkanausbruch, die Bildung eines Sees für fünfhundert Jahre, gefolgt von einer Dürreperiode, dann kehrt der See zurück. Diese Erkenntnisse inspirierten eine neue Theorie: Schnelle Klimaveränderungen Schnelle Klimaveränderungen könnten ein entscheidender Katalysator der menschlichen Evolution gewesen sein, indem sie unsere Vorfahren zwangen, sich zum Überleben ständig an extreme Umweltbedingungen anzupassen.

ART at Berlin - alexander levy - Noémie Goudal - Photo by Andy Keate - 1

Noémie Goudal, Origins II, 2023, Inkjet print, 110 x 82.5 cm, edition 5 + 2 A.P.,  © Noémie Goudal. Courtesy the artist and Edel Assanti. Photo by Andy Keate

Die Fotoserie Origin greift diese Hypothese auf und bestätigt zugleich Noémie Goudals geschickte Bildkonstruktionen – ihre Poesie bescheidener Spezialeffekte und die erfinderische Schichtung visueller Ebenen, die die Materialität des Bildes hervorheben. Die Künstlerin inszeniert einen Dschungel auf rotem Boden, bevölkert von Baumfarnen, Palmen und anderen prähistorischen Pflanzenarten: ein Biotop, das abwechselnd von Trockenheit und Überflutung geprägt zu sein scheint, gedeiht in etwas, das wie ein großes Terrarium aussieht, abgeschottet hinter einer Glaswand.

Sind diese Fragmente der Wildnis, die im Querschnitt aufgenommen wurden, die Keimzelle der menschlichen Spezies? Wie treten sie im Schaufenster der Galerie in einen Dialog mit dem Strom des städtischen Lebens, der auf der anderen Seite der Glasscheibe fließt?

PHOENIX
Die Fotoserie Phoenix ruft durch die Anspielung in ihrem Titel erneut die Metapher des Feuers als Symbol für Tod und Wiedergeburt auf. Die Fotografien verwenden das Motiv der Palme als thermischen Marker im Lauf der Erdzeitalter und sind durch ein besonderes Verfahren entstanden: Die Künstlerin fotografiert einen Palmenhain, den sie mit weißem, künstlichem Licht beleuchtet, und produziert einen Abzug im Maßstab 1:1 von dieser elektrifizierten Landschaft. Dieses Foto wird anschließend in Streifen geschnitten, auf einen Rahmen gespannt und vor der ursprünglichen Palmenlandschaft aufgestellt, um erneut fotografiert zu werden, in einer verstörenden mise en abyme. Durch diesen komplexen Aufbau schafft Noémie Goudal eine Art visuelle Intarsienarbeit oder ein verwirrendes fotografisches Gewebe, das sowohl die Gesetze der Schwerkraft als auch der Perspektive auf den Kopf stellt.

ART at Berlin - alexander levy - Noémie Goudal - Photo by Andy Keate - 3

Noémie Goudal, Phoenix VIII, 2021, Inkjet print, 200 x 149.5 cm, edition 5 + 2 A.P., © Noémie Goudal. Courtesy the artist and Edel Assanti. Photo by Andy Keate

Diese Fotografien, die abwechselnd auftauchen und verschwinden, laden dazu ein, die vielen Schichten zu erkunden, aus denen sie bestehen, ohne die Bedeutungsvielfalt ihres Titels zu vergessen: Die Dattelpalme wurde von dem Botaniker Linné 1734 Phoenix dactylifera benannt – vielleicht, weil die alten Griechen sie für den Baum der Phönizier (Phoinix) hielten; vielleicht weil die Palme die Fähigkeit besitzt, auch nach partieller Verbrennung zu überleben, wie ein Vogel, der aus seiner Asche aufersteht.

TROPIQUES
Die Fotoserie Tropiques übersetzt erneut den Zustand ständiger Veränderung, der jedem Landschaftsbild innewohnt: Sie verwebt und entfaltet verschiedene Zeitebenen innerhalb einer einzigen, dicht geschichteten Aufnahme. Als Täuschungsbastlerin baut Noémie Goudal unter freiem Himmel – in einem Wald am Rande von Paris – üppige Pflanzenkulissen vor ihrem Objektiv auf und lässt so vergangene Zeiten mit der Gegenwart verschmelzen, als würde der Geist des Dschungels, der einst tatsächlich in Vincennes wuchs, zurückkehren und die Landschaft heimsuchen. Nachdem das Pariser Becken einst die Höhenlagen großer Hochplateaus wie des tibetischen erlebt hatte, wurde es später von einem tropischen Meer geflutet – diese dramatischen, heute unsichtbaren Umbrüche sind in Goudals Fotografien eingeschrieben. Die Serie wurde durch die Entdeckung von Dschungelfossilien in Europa inspiriert: Paläoklimatolog:innen schätzen, dass diese versteinerte Flora etwa 390 Millionen Jahre alt ist – und damit zu den ältesten bislang bekannten fossilen Wäldern gehört.

ART at Berlin - alexander levy - Noémie Goudal - Photo by Will Amlot

Noémie Goudal, Tropiques III, 2020, Inkjet print, 100 x 80 cm, edition 5 + 2 A.P., © Noémie Goudal. Courtesy the artist and Edel Assanti. Photo by Will Amlot

INHALE, EXHALE
Mit der Videoinstallation Inhale, Exhale betreten wir eine ruhige Sumpflandschaft, geprägt vom dichten Pflanzenwuchs entlang der Ufer. Dort tauchen plötzlich verschiedene Kulissenelemente auf, die von einem System aus Seilen und Flaschenzügen emporgezogen und anschließend wieder unter die stille Wasseroberfläche abgesenkt werden. Diese in einer statischen Kameraeinstellung gefilmte Choreografie lässt nach und nach neue Schichten tropischer Vegetation erscheinen – Palmen, Bananenstauden –, die verschiedene Erinnerungsorte in der Landschaft bilden. Hier nimmt die Künstlerin subtil Bezug auf die Geschichte der Geologie, insbesondere auf die 1912 vom deutschem Klimaforscher Alfred Wegener formulierte Theorie der Kontinentaldrift. Diese Vorstellung eines sich ständig verändernden Territoriums war für den Menschen anfangs schwer zu fassen und wurde erst spät anerkannt. Inhale, Exhale übersetzt dieses Perpetuum mobile in eine meditative und choreografische Bewegung, die sich in einer Art vitalem und urzeitlichem Atemrhythmus entfaltet – verstärkt durch eine umhüllende Klanglandschaft und das beinahe komische Knarren der Mechanik beim Heben und Senken der Bühnenbilder. Unterschwellig bezieht sich die Künstlerin auch auf die zahlreichen Schwankungen des Meeresspiegels auf der Erde sowie das sogenannte „Nullniveau“ – eine hydrographische Größe, die in der Paläoklimatologie wenig Anwendung fand, heute jedoch als entscheidende Maßeinheit gilt. Dieses Wasserniveau markiert die Grenze zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem: Aus dem Wasser steigen die Kulissen und das Off-Screen empor – ein fruchtbarer Raum für Imagination und eine Poesie des unsichtbar Gewordenen.

ROCKS
In der Geologie gehört das Prinzip der Überlagerung zu den Methoden der Datierung und bildet eine wichtige Grundlage der Stratigraphie: Sedimentschichten lagern sich horizontal übereinander ab, und auf Grundlage dieses Überlagerungsprinzips schloss der Wissenschaftler Nicolas Sténon 1669, dass jede Schicht eine eigene Zeiteinheit darstellt. In ihrer Installation Rocks projiziert Noémie Goudal ein Video in einer Endlosschleife auf eine Fotografie, die exakt aus demselben Blickwinkel aufgenommen wurde. Das Video, in völlige Dunkelheit getaucht, fängt den Strahl einer Taschenlampe ein, der die Gesteinsschichten abtastet und sie so sichtbar macht. Dabei entsteht die Illusion, dass der Lichtstrahl des Beamers selbst die Fotografie beleuchtet. Mit dieser zugleich einfachen wie raffinierten Anordnung überlagert die Künstlerin zwei Zeitebenen des Bildes: Die 24 Einzelbilder pro Sekunde der Videosequenz lösen die Fotografie aus ihrer Starre und verleihen ihr durch ihre dynamische Schichtung eine neue Tiefe – und damit eine gesteigerte ikonografische Kraft, die den tief sedimentierten Zeithorizont des Gesteins spürbar macht.  So entsteht die visuelle Übersetzung einer scheinbar unbeweglichen Steinlandschaft, die sich dennoch in unaufhörlichem Wandel befindet. In ihrer Gesamtheit verkörpert die Installation Rocks ein perfektes Gleichgewicht zwischen konzeptueller Reflexion über das Wesen des Bildes und dem Zusammenspiel von Schrift und Licht.

WHITE PULSE
Der unvollendete Abenteuerroman Der Analog (Le Mont analogue) von René Daumal war die Inspiration für die Fotoserie White pulse. In dieser Erzählung beschreibt Daumal die Besteigung eines geheimnisvollen Berges in der südlichen Hemisphäre: ein Ort, der für gewöhnliche Sterbliche unerreichbar ist, der die Bergmassen der nördlichen Hemisphäre ausgleicht und allen Bergen entspricht, die in alten Traditionen erwähnt werden, wie Sinai, Meru, Olymp usw., Erhebungen, die es den Pilgernden, die sie besteigen, ermöglichen, durch verschiedene spirituelle Zustände zu schreiten. Im Laufe ihrer Lektüre wurde Noémie Goudal von dem Satz „Die Pforte zum Unsichtbaren muss sichtbar sein.“ beeinflusst. In White pulse setzt sie diese Raumkrümmung visuell um, denn die Kunst vermag das Tor in unbekannte Dimensionen zu sein. Wie kann man über diese unsichtbaren Kräfte sprechen, die im Inneren der Landschaft wirken? Wie kann man in neue, unverstandene Schichten und geistige Faltungen eines Bildes eindringen?

ART at Berlin - alexander levy - Noémie Goudal - 1

Noémie Goudal, White Pulse IV, 2023, Inkjet print, 60 x 45.2 cm, edition 5 + 2 A.P., © Noémie Goudal. Courtesy the artist and Edel Assanti

White pulse ist eine Anordnung von fünf identischen Fotografien in unterschiedlichen Größen, die den optischen Kegel nachbilden: Die Arbeit erkundet die freien Faltungen, die allein durch die Schwerkraft des Abzugs entstehen. Wie üblich lässt die Künstlerin die Requisiten ihres Vorgehens sichtbar (prosaische Metallklammern), als wolle sie die Verbindung zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem, der Materialität des Bildes und der kosmo-tellurischen Kraft betonen.

STUDY ON MATTERS AND FIRE
An einem Nicht-Ort im Freien, einer Betonplatte inmitten brachliegender Natur, sorgt Noémie Goudal für Verwirrung in den Maßstäben: Die Abfolge der anamorphen Kulissen, die mit ihrer Umgebung verschmelzen, geht allmählich in Rauch auf, als ob die verschiedenen Schichten der Landschaft enthüllt und gleichzeitig zerstört würden. Unerwartet tauchen an diesem nicht besonders bemerkenswerten Ort geometrische Formen auf: der Aufbau ist essenziell und enthüllt seine verborgene Abstraktion, ein fernes Echo auf Cézannes Ausspruch („Alle Formen in der Natur lassen sich auf Kugel, Kegel und Zylinder zurückführen.“). Während das Feuer die Szenerie verändert, vollzieht sich vor unseren Augen eine Choreografie von Zerstörung und Wiedergeburt: Es bleibt das zerbrechliche Gleichgewicht der Bildherstellung, das ebenso zerbrechlich ist wie die eingefangene Realität.

Text: Eva Prouteau, Übersetzung: Lydia Ahrens

Vernissage: Freitag, 2. Mai 2025, von 18:00 bis 21:00 Uhr

Ausstellungsdaten: Freitag, 2. Mai – Samstag, 31. Mai 2025

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Bildunterschrift Titelbild: Noémie Goudal, Inhale, Exhale, video still, Single channel HD video, sound, 8:16 min, edition of 5 + 2 A.P., courtesy of the artist and alexander levy, Berlin

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