bis 13.01. | #4107ARTatBerlin | FeldbuschWiesnerRudolph (FWR) präsentiert ab 18. November 2023 die Ausstellung „Midnight Sun“ der Künstlerin Marta Djourina.
Der Titel „Mitternachtssonne“ beschreibt nicht nur ein natürliches Phänomen, das an beiden Polen der Erde auftritt, wenn die Rotation der Erdachse eine bestimmte Ausrichtung zur Sonne erreicht, sondern steht auch für das Verschwinden der Dualität zwischen Tag und Nacht, zwischen Entfernung und Bewegung, zwischen Dunkelheit und Licht.
Marta Djourina
Die Ausstellung „Midnight Sun“ von Marta Djourina in der FeldbuschWiesnerRudolph Galerie vereint die Synthese und Schaffung vielschichtiger Dialoge zwischen verschiedenen Medien, Techniken, Räumen, Objektrealität, Licht, Statik und Dynamik.
Es ist kein Zufall, dass die aktuelle Ausstellung rückblickend das Ergebnis einer Reihe bemerkenswerter Projekte Marta Djourinas im laufenden Jahr 2023 ist. Sie folgt auf die Ausstellung „Outer Glow“ (Junge Kunst e.V. in Wolfsburg im Juni), die Video, Fotografie und Lichtinstallation kombinierte, das Kunst am Bau „Projekt Ashes“ of Ice (Europäische Kulturhauptstadt Tartu/ Estland 2024) mit seinen beeindruckenden Dimensionen, dem Projekt EE TETRIS (Scope BLN im Juni) als ein Experiment skulpturaler Objekte im Installationskontext sowie den jüngsten Eindrücken der Künstlerin anlässlich ihrer aktuellen artist-inresidence am Cité Internationale des Arts in Paris (im Rahmen des EIB).
All diese sehr unterschiedlichen Ansätze wurden nun für die Präsentation von „Midnight Sun“ zu einem homogenen Parcours in den Ausstellungsräumen der Galerie zusammengeführt. Ein solch ausgefeiltes Verständnis von Synthese schafft die Grundlage für die kategorische Monumentalität des Ausstellungskonzepts. Die Künstlerin hebt nicht nur ihre Forschungen zu den Bildern, sondern auch zu deren Wahrnehmung durch einen bewusst geschaffenen und bewusst manipulierten Raum-/Lichtkontext auf eine neue und viel komplexere Ebene. “Mitternachtssonne” wird als Synonym für “Polarlicht” verwendet, das auch als “Aurora borealis” bekannt ist. Und wenn die magischen Lichter um den Nord- und Südpol das Ergebnis der Sonnenaktivität und des Magnetfelds sind, so stammt der spezifische Magnetismus in Djourinas Werken aus ihrer umfangreichen Arbeit und ihren Experimenten mit Licht und den damit verbundenen Explosionen von Farben und Formen.
Die im ersten Ausstellungsraum installierten großformatigen Bilder sind repräsentativ für die Art und Weise, wie die Künstlerin arbeitet. So handelt es sich hierbei um Ausbelichtungen auf Fotopapier, die Djourinas Werkserie der „Filtergramme“ zuzuordnen sind und die Werkstrategien von Malerei, Fotografie und Performance miteinanderverschmelzen. Auf diese Weise öffnen die Bilder eine Art “Portal”, welches unser reales Raumempfinden durchbricht und unser Konzept von Materialität, Volumen, Zugänglichkeit oder Abgeschiedenheit dekonstruiert. Dabei wirkt insbesondere der üppige Farbausbruch auf das Betrachterauge verlockend und wird zugleich durch eine harmonische Abstimmung der einzelnen Tonwerte im Bild orchestriert. Tatsächlich geht Djourinas performativer Aktion in der Dunkelkammer die Analyse einzelner Farbwerte anhand zahlreicher Teststreifen auf dem lichtempfindlichen Fotopapier einher. Mit dieser Farbpalette im Gedächtnis geht die Künstlerin dann im Fotolabor in Aktion und setzt ihre verschiedenen Dioden als leuchtendes „Mal- und Zeichnungs“werkzeug ein; auch werden Flüssigkeiten mit dem Daumen verwischt, Fotogrammtechnik und der Vergößerer kommen zum Einsatz. So wird die dynamische Eruption der Farben immer wieder durch definierte Linien und formgebende Elemente verfeinert und schafft am Ende ein abstraktes Bildgefüge.
Der Zauber von Djourinas Werken liegt darin, dass sie einerseits wie Fragmente von Farbmeeren wirken, in denen Saphirblau, Samtrot oder Smaragdgrün in ihren Abstufungen vibrieren und die hellen Töne Mehrdimensionalität und Tiefe erzeugen. Andererseits suggerieren sie durch den Maßstab und das Gefühl der monumentalen Objektivität auch etwas Skulpturales. Diese “Alchemie der Emotionen” zeigt, dass Licht nicht nur ein fotografisches Werkzeug ist, sondern eine Sprache, ein Ausdrucksmittel und ein Mittel, um visuelle Erzählungen zu schaffen.
Im zweiten Teil der Ausstellung begegnen wir einer weiteren Werkgruppe mit lichtempfindlichen Phänomenen, die uns Klarheit über die Arbeitsweise der Künstlerin gibt. In ihren Werkreihen geht es Marta Djourina nicht einfach darum, “schöne Objekte” zu schaffen. Sie interessiert sich vielmehr für die Technologie der Schönheit, für die Mechanismen wissenschaftlicher oder natürlicher Phänomene, welche die Besonderheiten der visuellen Realität hervorbringen. Diese möchte Djourina für das menschliche Auge im Bild erfahrbar machen. Zugleich verweist die Künstlerin auf das Gegenbild zur Schönheit – eben auf die visuelle Realität als Triebwerk der empirischen Forschung.
Eine solche vergleichsweise analytische Herangehensweise bestimmt ihr 9-teiliges Bildtableau mit dem Titel „Foxfire #02“, dessen Ursprung das Experiment mit biolumineszierenden Organismen ist. In diesem Fall sind es leuchtende Pilze, welche die Künstlerin zum (Bild-)Gegenstand ihrer künstlerischen Forschung im Fotolabor gemacht und visualisiert hat. „Midnight Sun“ gibt uns jedoch noch weitere wichtige Einblicke in das Werk von Marta Djourina. Und zwar indem es noch ganz andere Lichter einfängt, die uns die Praxis der aktiven zeitgenössischen Künstlerin näher bringen. So sind da die Flughafenlichter, die Check-in-Scanner und vielen funkelnden Zeichen und Symbole, welche die Logistik einer beruflichen oder persönlichen Lebensreise begleiten. Ein willkommener Anlass für die Künstlerin, das Reiseutensil des handelsüblichen Koffers zu ihrem künstlerischen Werkzeug einer Lochkamera umzufunktionalisieren. „Travel Lights“ – bestehend aus Skulpturen und Fotoabzügen – dokumentiert so die Spuren ihrer Ortswechsel. Am Ziel ihrer Reise und ihres Zwecks angelangt, ließ Marta Djourina analoge Aluabgüsse ihrer Kofferkameras anfertigen. Sich selbstreflektierend stehen diese mattglänzenden Skulpturen auf einem langen Spiegel gleich einem Gepäcklaufband im Ausstellungsraum. Derart begegnen sie dem Besucher wie ein Monument resp. ultimatives Symbol für die nomadische Natur der Künstlerin. Und metaphorisch betrachtet durchlaufen sie die imaginären Stationen ihrer Reise noch einmal als bewusste Ausgangspunkte und unbewusste Rückkehrpunkte.
Die Wege, Linien und Punkte des Reisens der Künstlerin Marta Djourina werden in einer im selben Raum auf die Wand projizierten Videoarbeit „Frame of Time“ dynamisch fortgesetzt. Lichtspuren auf Fotostreifen sind in einer kontinuierlichen, rhythmischen Bewegung animiert und schaffen die Choreographie permanenter Reisen. Es ist ein fortlaufendes Strömen und die Versetzung zu neuen Orten oder vertrauten Erinnerungen, Treffpunkten, Bedeutungspunkten, Punkten der Überraschung oder Punkten der Kollisionen.
Marta Djourina konzipiert den Ausstellungsraum gekonnt und präzise durch eine organische Verflechtung und einen aktiven Dialog zwischen Fotografie, Skulptur und Film. Midnight Sun bietet uns die Möglichkeit, einige der besten neuen Werke der Künstlerin auf komplexe und emotionale Weise mitzuerleben.
Text: Boris Kostadinov
Marta Djourina, geboren 1991 in Sofia, ist eine junge, aufstrebende Künstlerin, die bereits mehrere Preise gewonnen und international ausgestellt hat. So z.B. das Eberhard-Roters-Stipendium für junge Kunst 2020, gestiftet von der Stiftung Preußische Seehandlung und verliehen in der Berlinischen Galerie, 2021 der BAZA Award for Contemporary Art, verbunden mit einer Ausstellung in der Sofia City Art Gallery, vom Institute of Contemporary Art – Sofia und der Edmond Demirdjian Foundation in Zusammenarbeit mit The Foundation for a Civil Society, New York und dem YVAA – The Young Visual Artists Awards international network. Im Rahmen des BAZA-Preises wurde Djourina zu einem Aufenthalt in New York und zu einer Ausstellung im Institut für zeitgenössische Kunst in Sofia eingeladen. Im Herbst 2022 war die Künstlerin im Rahmen des AArtist in Residence-Programms 2022 für einen dreimonatigen Aufenthalt und ein Arbeitsstipendium im Dachatelier des Auswärtigen Amtes in Berlin, und im selben Jahr war sie Teil des Goldrausch Künstlerinnenprojekts Berlin. Im Sommer/ Herbst verbringt sie im Rahmen des Artists Development Program (ADP)” der EIB einen Aufenthalt an der Cite des Arts in Paris. Vorangegangene Stipendien waren: das Karl-HoferProjektstipendium (2017) und Karl-Hofer-Stipendium (2018), der IBB-Preis für Fotografie (2016).
Marta Djourina absolvierte zunächst ihren Bachelor- und Masterabschluss in Kunst- und Bildgeschichte und / Kulturwissenschaften an der HU Berlin (2012), gefolgt von einem Masterstudium in Kunstwissenschaft und Technologie an der TU Berlin (2014). Anschließend studierte sie Kunst an der UdK Berlin bei den Professoren Pia Fries, Gregory Cumins und Christine Streuli (Abschluss 2018) und verbrachte ein Austauschsemester an der Glasgow School of Art (2015).
Einige ihrer bisherigen Einzel- und Gruppenausstellungen präsentierte sie bei FeldbuschWiesnerRudolph, Berlin (seit 2020), im Kunstverein Junge Kunst Wolfsburg (2023), in der Kommunalen Galerie, Berlin-Charlottenburg (2022), im Sofia Arsenal – Museum of Contemporary Art, Sofia (2021), bei Mark Müller, Zürich (2021), Structura, Sofia (2021), 3: e Vaningen, Göteborg (2020), Sariev Contemporary, Plovdiv (2020), CAN Neuchatel (2019), Christine König, Wien (2018), Künstlerhaus München, München (2018), Dorothea Konwiarz Stiftung, Berlin, Künstlerhaus Bethanien, Berlin (2017), LAGE EGAL (2018), DISPLAY Berlin (2017) a. o.. Marta Djourinas Arbeiten befinden sich in den institutionellen Sammlungen der Berlinischen Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, DE, der Investitionsbank Berlin, DE, des Eskenazi Museum of Art, Indiana, US sowie in vielen privaten Sammlungen.
Vernissage: Samstag, 18. November 2023, 18:00 Uhr
Ausstellungsdaten: Samstag, 18. November 2023 bis Samstag, 13. Januar 2023
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Bildunterschrift: Marta Djourina agiert in der Dunkelkammer
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