post-title Volker Leyendecker | Malerei | Galerie Tammen | 10.09.-20.10.2022

Volker Leyendecker | Malerei | Galerie Tammen | 10.09.-20.10.2022

Volker Leyendecker | Malerei | Galerie Tammen | 10.09.-20.10.2022

Volker Leyendecker | Malerei | Galerie Tammen | 10.09.-20.10.2022

bis 20.10. | #3613ARTatBerlin | Galerie Tammen präsentiert ab 10. September 2022 eine Ausstellung mit Malerei des Künstlers Volker Leyendecker.

In Volker Leyerdeckers Schaubildern verbinden sich Spielformen der Kunst mit Spielformen der Natur. Seltsame, hybride amphibienhafte Wesen, zweiköpfige Fische schweben in Glasbehältern, richten sich auf nach dem von oben ins Glas einfallenden Licht. Ein riesiger Stein flottiert in einer weitgehend undefinierten Landschaft, nah und fern zugleich. Porträts verbinden Außensicht und Innensicht, Durchleuchtung und Haut, Oberfläche und Inwendiges. Seine Gesichter zeigen und verbergen, sie oszillieren zwischen Gesicht und Maske und sind doch der Ort, wo sich im animierten Kontur Emotionen abbilden und austragen können.

Sowohl in diesen Landschaften als auch in den eingesargten Zwitterwesen und in den Porträts verquicken sich das Objet trouvé und Objet projeté. Sie sind der Welt und den dort ansässigen Dingen abgewonnen und doch unvergleichlich. Dabei werden herkömmliche Grenzen zwischen den Kategorien der Kunst und der Natur reflektiert, unterhöhlt, zu Anschauung gebracht.

Mehr-Sehen, Neu-Sehen, Anders-Sehen. In Volker Leyendeckers Arbeit geht es immer um das intrikate und komplizierte Verhältnis von Abbildung, Erkenntnis und Lebendigkeit, von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit. Zugleich initiiert diese Ausweitung hin zu einem optisch Unbewussten, die Dehnung des Sichtfelds futuristische Utopie und dystopische Hybris.

Dies wird in der Serie Orbit Diaphanum durchgespielt, wenn am Computer aus dem Möglichkeitsfeld der Natur in einer Art profanen Genesis neue Wesen geschaffen und dem Blick ausgeliefert werden. Zugleich reiht dieser Blick den Menschen selber ein in die Reihe der veränderbaren Arten. Die Flosse des Fisches, die Schwinge des Vogels und der Geist des Menschen können kühl und kühn als unterschiedliche Werkzeuge, die unterschiedliche Wirklichkeiten produzieren gesehen werden. Und wie im Prozess der Entwicklung der Arten modifiziert, ergreift und zerlegt Volker Leyendecker Dinge der Natur, formt sie neu. Es sind metamorphotische Wunder, die sich aberwitzig mit einem weithin vergessenen Hauptstrang der Evolutionstheorie verbinden: an die Schönheit, die bei der Partnerwahl als Begleitmotiv und Gegenprinzip zum Lebenskampf fungiert.

„Das Tiefste am Menschen ist seine Haut.“ 1 Auch Volker Leyendeckers Porträts teilen dieses Paradox. Sie enthüllen und umhüllen, sind fragil, verletzlich und elastisch. Die Tiefe des Gefühls, des Empfindens, Leidens kommt an die Oberfläche, verkörpert sich.

Jedes Porträt schafft einerseits ein Abbild und dieses Bild des Menschen hat immer mit zwei Seiten zugleich zu tun: es geht einmal darum, die Wirklichkeit, die Erscheinung zu fassen, dann aber soll auch das innere Wesen in dem Portrait sichtbar werden. Im Begriff ‚Portrait‘, der von ‚protrahere‘, herausziehen kommt, ist diese Doppelheit bereits angelegt: ein Nichtsichtbares soll sichtbar werden. Gerade in der Darstellung der Wirklichkeit und durch sie hindurch wird die dargestellte Person interpretiert, ihr Wesen beleuchtet. Es ist diese Doppelheit, die das Porträt zu einer Gattung des ‚Unmöglichen‘ macht, dem aufgegeben ist, die Differenz zwischen Vorbild und Abbild, zwischen der lebendigen Erfahrung einer Person und ihrer visuell im Kunstwerk festgehaltenen Gestalt auszuponderieren.

Im Verlauf der Entwicklung des Portraits wird dieses doppelte Anliegen und die jeweilig zeitgenössische ästhetische Erfahrung zur Frage nach dem Menschenbild immer wieder neu übersetzt und reflektiert. Auch das Gesicht ist nicht natürlich, es ist zahlreichen Kulturtechniken unterworfen und ist selbst Medium der Selbstformung und der Kommunikation: Die Geschichte des Gesichts ist eine Mediengeschichte.

Diese Medialität des Porträts wird von Volker Leyendecker im Zusammenprall von zwei unterschiedlichen Medien, der Verwendung der Lasertechnik als fotografisches Verfahren und der Übersetzung der Scans in traditionelle Malerei noch einmal illuminiert. Die so entstehenden Gesichter eröffnen das Wechselspiel zwischen Sehen und Angesehenwerden, Sicht und Angesicht neu, zeigen den Menschen als Öffnung. Mitgemalt wird etwas, was nicht zu sehen ist, als ob die Opposition von Malerei und Röntgenbild, von Physiologie und Anatomie außer Kraft gesetzt würde. Im Anblick dieser Bilder befinden wir uns zwischen einem Davor und einem Darin, einem Nicht-mehr-hier und Noch-Nicht-Dort und diese Position bestimmt vielleicht jeden unserer Blicke in der Verschränkung von Sehen und Gesehen-Werden.

Dieses mysteriöse Prinzip strukturiert die Kunst. Ihr Diaphanes ist das Medium, die Erscheinungsbedingung des Sichtbaren und ihrer Farbe. Sie macht durchsichtig und bringt gerade dadurch die unhintergehbare Körperlichkeit (der Welt?) zur Erscheinung, umgekehrt wird diese Körperlichkeit zur Voraussetzung der Diaphanie, in der die Dinge zum Durchschuss werden für einen gefüllten Augenblick, ohne Dauer.

In der Betrachtung der Arbeiten von Volker Leyendecker ereignen sich Diaphanie, Adiaphanie und Epiphanie (fast) simultan, kristallisieren sich zu einem intensiven Augenblick der Imagination.

Text: Dr. Dorothée Bauerle-Willert

Vernissage: Samstag, 10. September 2022, 19. – 22 Uhr

Ausstellungsdaten: Samstag, 10. September – Donnerstag, 20. Oktober 2022

Zur Galerie

 

 

Bildunterschrift: Volker Leyendecker  „Selbst mit Skelett“ 2022, Öl auf Leinwand, 100 x 140 cm

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