post-title Piotr Nathan | Brutto Gusto fine arts | 01.05.-27.06.2015

Piotr Nathan | Brutto Gusto fine arts | 01.05.-27.06.2015

Piotr Nathan | Brutto Gusto fine arts | 01.05.-27.06.2015

Piotr Nathan | Brutto Gusto fine arts | 01.05.-27.06.2015

bis 27.06. | #0061ARTatBerlin | Mit einer Eröffnung am Donnerstag, 30.04.2015 startet Brutto Gusto fine arts die Ausstellung zu Piotr Nathan vom 01. Mai bis 27. Juni 2015. Hier dazu ein Text von Dr. Markus Bertsch:

Seelenverwandt? Piotr Nathan im Dialog mit Pontormo

Zu den Leitmotiven im künstlerischen Schaffen von Piotr Nathan zählt die produktive Anverwandlung bildlicher Zeugnisse vergangener Epochen. Beispielsweise amalgamierte er naturhistorische und wissenschaftliche Illustrationen des 19. Jahrhunderts mit seinen eigenen Bildideen und öffnete sie damit für den zeitgenössischen Diskurs.

In einem aktuellen Projekt kreist Nathan um das Werk des Florentiner Künstlers Jacopo da Pontormo (1494-1557, eigentlich Jacopo Carucci), der den Schlüsselfiguren des Manierismus zuzurechnen ist, einer Kunstrichtung, die den Übergang von der Renaissance zum Barock markierte und gegen die klassisch-harmonischen Kompositionen und das Schönheitsideal der Hochrenaissance mit einer gewagten Bildsprache opponierte. Gedehnte, übersteigerte Figurenproportionen, verzerrte und dynamisierte Perspektiven sowie der Einsatz eines grellen Kolorits und gewagter Farbkontraste zählen zu den charakteristischen Merkmalen manieristischer Kunst. All dies findet sich auch im Werk Pontormos.

Wie sieht der Zugang aus, den sich Piotr Nathan zu diesem Künstler gebahnt hat? Am Anfang stand das intensive Einsehen in Pontormos Kunstkosmos. Über einen Zeitraum von mehreren Jahren hat Nathan dessen Werke – Zeichnungen und Gemälde – im Original studiert und sich parallel dazu mit den Lebensumständen dieses Künstlers befasst. Der Zyklus der hier ausgestellten Bleistiftzeichnungen bildet das künstlerische Kondensat von Nathans Auseinandersetzung mit Pontormo. Den Ausgangspunkt seines Schaffensprozesses bilden zeichnerische Figurenstudien des Manieristen, die Nathan relativ getreu übernommen und auf das jeweilige Blatt gesetzt hat. Dieses Vorgehen korrespondiert mit seinem Anspruch, im Prozess des Kopierens dem Vorbild besonders nahe zu kommen, um sich so für dessen Formensprache zu sensibilisieren. Doch damit erschöpfen sich bereits diejenigen Elemente, die unmittelbar auf Pontormo verweisen.

Die mitunter wie fragmentiert wirkenden und in angespannten Posen befindlichen Figuren scheinen gleichsam eingesponnen in eine pulsierende zeichnerische Textur, ein netzartiges Gewebe, das sie zugleich birgt und überlagert, deren Körpergrenzen aber auch durch Anlagerungen, Verschränkungen und Durchdringungen erweitert, um neue Bezüge zu stiften. Nathans Zeichnungen stecken voller Leben, strotzen vor Dynamik und Bewegung, feiern das organische Wuchern als Zeichen von Lebendigkeit. Als wolle der Künstler den ursprünglichen Zusammenhang alles Geschaffenen ausloten und dessen Auflösungsprozesse auf assoziative Weise visuell erfahrbar machen, sind sämtliche Elemente miteinander verwoben und verbunden. Wir werden in einen Strudel gezogen, in dem sich Bleistiftstriche zu pflanzlich-vegetabilen Elementen, kreatürlichen Wesen und grotesken Fratzen formieren, ehe diese wieder in den reinen Strich umschlagen und Teppiche von Schraffurlagen ausbilden – folglich oszillieren Nathans Liniengespinste zwischen gegenständlichen und abstrakten Zonen. Das Vibrieren des zeichnerischen Duktus lädt die Blätter energetisch auf.

Nicht final beantworten lässt sich die Frage, für was die nackten Leiber genau stehen, die, dem christlichen Rahmen des Manieristen enthoben, von Nathan in einen neuen Kontext gestellt sind. Teilweise vermitteln die Figuren den Eindruck, als würden ihre angespannten Posen auch für das aufgewühlt-psychische Erleben stehen, das sich mit der menschlichen Existenz überhaupt verbindet. Psychische Energien, die sich zu Seelenlandschaften verdichten und darüber auch zur Projektionsfläche für den Betrachter avancieren.

Piotr Nathans zart-fragil wirkende und zugleich anarchisch-wild wuchernde Bleistiftzeichnungen verdichten sich zu Resonanzräumen, die für vielfältige Assoziationen offen sind.

Dr. Markus Bertsch

Vernissage: Donnerstag, 30.04.2015, 18 – 21 Uhr

Ausstellungsdaten: Freitag, 01.05. – Samstag, 27.06.2015

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Bildunterschrift: ©photo def image

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