#0284ARTatBerlin | König Galerie zeigt noch bis zum 6. Dezember 2015 eine Einzelausstellung des New Yorker Künstlers Daniel Turner.
Das Skulpturenpaar Britannica (2012) steht beunruhigend reglos vor uns. In die Oberfläche – das neutrale Gelb ist abweisend, beinahe aggressiv stumpf – sind Edelstahl-Spülbecken mit Wasserhähnen eingelassen, deren elegante Linien erkennbar noch nie von Menschenhand berührt wurden. Die schmucklosen Objekte in Gestalt einer Kücheneinrichtung lassen nicht nur an das häusliche Umfeld, sondern auch an öffentliche Einrichtungen oder landwirtschaftliche Produktionsstätten denken. Mit ihren präzise gewählten Dimensionen bringen die beiden Einheiten auf ganz eigene Weise die Normierung der Welt im Zeitalter der Massenproduktion zur Darstellung. Im Inneren jedes Beckens verweist eingetrocknetes Material aus ungefiltertem Brackwasser auf eine Geologie des Anthropozän.
Neben Britannica wird Turner R-2271 (2015) zeigen, dem Anschein nach eine Heftmappe, deren gesamtes Innenleben entfernt wurde: ein Objekt, das das Ende seiner regelmäßigen Handhabung überlebt hat. Das malerisch anmutende Werk scheint all dem Raum geben zu wollen, was wir systematisch einzuordnen pflegen: Aufzeichnungen, Namen und Tatsachen, Kataloge, ja ganze Bibliotheken. Aber alles, was hier für einen Benutzer zweckdienlich wäre, ist weggefallen. Die Ringe, auf der die Funktion der Mappe beruht, wurden herausgelöst. Es bleibt nichts als eine ramponierte und augenscheinlich inhaltsleere Grundlage.
Die Arbeiten zeigen die Merkmale vertrauter Gegenstände und verweisen doch gleichsam über sich hinaus auf die Zusammenhänge, aus denen sie entstanden sind. Sie sind nicht plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht. Dennoch strahlen sie gerade in ihrer Materialität eine gewisse Abwesenheit aus. Im Spannungsfeld zwischen ihnen bildet sich eine Aura ähnlich der angespannten Stimmung in einem Wartezimmer. Verbunden sind die beiden Objekte durch einen Umstand, der sie übersteigt und zugleich ihr Erscheinungsbild beschreibt. Aus dieser Unheimlichkeit erwächst eine Entfernung. Solche „Distanz“ – das Gefühl, dass etwas sich uns beständig entzieht – ist vielleicht gerade die dynamische Aporie, in der eine Verschiebung stattfinden kann: in der unsere Sinne neue Wege erschließen.
Daniel Turner wurde 1983 in Portsmouth, Virginia, geboren und lebt und arbeitet derzeit in New York. Seine Arbeiten waren in den letzten Jahren in mehreren Einzelausstellungen zu sehen: ‚Daniel Turner‘ in der Chinati Foundation, Marfa, Texas (2014), ‚PM‘ in der Team Gallery, New York (2014), und ‚2 220‘ bei Objectif Exhibitions, Antwerpen (2014). Außerdem beteiligte er sich an Gruppenausstellungen wie ‚Freezer Burn‘ bei Hauser & Wirth, New York (2014), ‚Art Unlimited‘ bei der Art Basel (2014), ‚Clear‘ in der Gagosian Gallery, Los Angeles (2014), ‚Éclat Attraction de la Ruine‘ an der Université Sorbonne Nouvelle, Paris (2014), und ‚L’Exposition d’un Film‘ im Centre d’Art Contemporain / Fondation Arditi, Genf (2014). Turner war 2009–2010 Gastdozent an der New York University und gewann drei Virginia Museum of Fine Arts Fellowships (2005, 2006 und 2008). Es liegen mehrere Monografien über seine Werke vor.
Zeitgleich mit der Ausstellung erscheint Turners neues Buch, Marjorie, im Verlag Études Studio. Eine handsignierte Sonderauflage des Bandes wird bei der Ausstellungsvorschau erhältlich sein.
Vernissage: Freitag, 30. Oktober 2015, 18 – 21 Uhr
Ausstellungsdaten: Samstag, 31. Oktober bis Sonntag, 6. Dezember 2015
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Bildunterschrift: Daniel Turner, Britannica, 2012, formica, maple, stainless steel, MDF, mixed media, 2 parts, 86.4 x 365.8 x 91.5 cm | 34 x 144 x 36 in, unique
Daniel Turner – König Galerie – Kunst in Berlin ART at Berlin