Deutsch
English
bis 27.01. | #4137ARTatBerlin | Galerie Esther Schipper präsentiert ab 15. Dezember 2023 die Einzelausstellung „We, Entertainmen“ mit Fotografien des Künstlers Tao Hui.
Esther Schipper kündigt We, Entertainment an, die erste Einzelausstellung von Tao Hui in der Galerie. Zu sehen sind zwei Videoinstallationen, eine Skulptur und Gemälde.
Tao Hui ist vor allem für seine immersiven Video- und Filmarbeiten bekannt, die mit den Erzählformen des Kinos und des Fernsehens sowie mit den narrativen Formaten der sozialen Medien spielen. We, Entertainment umfasst eine Vielzahl von Medien und ist in vier verschiedene Abschnitte unterteilt, die zusammen sowohl eine persönliche psychologische Reise als auch eine Untersuchung der weitreichenden gesellschaftlichen Implikationen von Identität in Bezug auf Geschlecht, Klasse, ethnische Zugehörigkeit und kulturelle Vorurteile (z. B. durch Dichotomien von Stadt/Land, Nord/Süd) darstellen. Wie Taos Arbeit deutlich macht, erweisen sich die Medien als eine mächtige Kraft in dieser Dynamik der geprüften Identitäten, sowohl als destabilisierender und normativer Einfluss, als auch mit befreiendem und sogar wiederherstellendem Potenzial.
Ausstellungsansicht: Tao Hui, We, Entertainment, Esther Schipper, Berlin, 2023, Courtesy der Künstlerin und Esther Schipper, Berlin/ Paris/Seoul, Foto © Andrea Rossetti
We, Entertainment beginnt mit The Fall (Green), das ein kraftvolles poetisches Bild für eine Welt in der Krise findet: Der Schwanz einer riesigen Python ragt zwischen den fleischigen, blutigen Fragmenten des Tieres aus dem Boden. The Fall (Green) basiert zum Teil auf Volksmärchen aus der Kindheit (eine ständige Inspirationsquelle für den Künstler, der in einer ländlichen Gegend Chinas aufgewachsen ist, die für ihre phantasievollen Geschichten bekannt ist) und auf seinen Erinnerungen an die Fernsehserie New Legend of Madam White Snake aus den 1990er Jahren, in der das Motiv mit der Enthüllung der eigenen wahren Natur assoziiert wird, und steht für das heutige Leben und die ängstliche emotionale Reaktion, die man in unsicheren Zeiten erleben kann.
The Night of Peacemaking zeigt, wie die zeitgenössische Kultur traumatische Erfahrungen in Unterhaltung verwandelt hat. Im Format einer TV-Talkshow wird das Gefühlsleben einer Familie in ergreifenden und bisweilen hitzigen Gesprächen, insbesondere zwischen Mutter und Tochter, dargestellt. Die Arbeit umfasst eine Umgebung, die das Set einer solchen Fernsehsendung simuliert, wodurch die Grenze zwischen Studio und Ausstellungsraum verschwimmt und die Zuschauer mit dem Publikum einer Talkshow gleichgesetzt werden. Tao verlagert den Fokus weg vom narrativen Inhalt und nutzt das Format als eine Art Medium. Die Struktur des Disputs, aber auch seine technische Repräsentation erhalten eine breitere Bedeutung: So symbolisieren beispielsweise die drei verschiedenen Kameras unterschiedliche Perspektiven in einem politischen Machtkampf.
Ausstellungsansicht: Tao Hui, We, Entertainment, Esther Schipper, Berlin, 2023, Courtesy der Künstlerin und Esther Schipper, Berlin/ Paris/Seoul, Foto © Andrea Rossetti
In einem anderen Video, Hardworking, treffen wir auf die Moderatorin eines Streaming-Infomercials, die Fernsehgeräte verkaufen will und dabei sowohl ihre eigene Einsamkeit als auch die Ausnutzung der ähnlichen Suche ihres Publikums nach Verbundenheit anerkennt. Gleichzeitig macht sie sich Gedanken über die Natur der Realität im Zeitalter der digitalen Bildschirme. Ihre Aufforderungen – sowohl die zum Kauf der Bildschirme als auch die zum Nachdenken – werden von ihrer mühelosen Bewegung zwischen den Realitätsebenen begleitet: Beim Betreten und Verlassen der Bildschirme, die sie zu verkaufen versucht, hebt das Video alle diese Grenzen auf.
Der vierte Abschnitt von We, Entertainment, wendet sich dem Standbild zu. Eine Reihe von Gemälden auf opalisierendem Papier, das mit einer dünnen Schicht aus Muschelscheiben überzogen ist, stellt persönliche Erfahrungen dar, die durch eine veränderte traditionelle Bildsprache verschleiert werden, von denen einige mit buddhistischen Motiven verbunden sind. Ein Bild mit ineinander verschlungenen, weinenden Schlangen verweist auf einen endlosen Knoten, ein Symbol für die Acht Schätze des Buddhismus, während ein anderes das Sanskrit-Wort für „Moment“, KSANA, dem Bild einer verfallenden menschlichen Gestalt gegenüberstellt. Genauso wichtig ist jedoch das Material: Eine Muschelschale, die als magisches Gefäß gilt, symbolisiert die Verbreitung der Lehren des Buddha und das Erwachen seiner Untertanen aus dem Schlummer der Unwissenheit. Ein großes Mandala aus buntem Glitter auf dem Boden greift ebenfalls auf die symbolische und rituelle Kraft seines Mediums zurück, die tibetisch-buddhistische Praxis, ein Bild aus Pigmenten oder farbigem Sand zu schaffen. Das Bild eines pummeligen Babys, das eine (lächelnde?) Python packt und schlägt, hat jedoch auch etwas Komisches an sich. Als Symbol für die Vergänglichkeit wird das Mandala, wie alle flüchtigen Sandmandalas, zerstört, seine glitzernde Vielfalt weggefegt, was den buddhistischen Glauben an die Vergänglichkeit allen materiellen Lebens symbolisiert.
Tao Hui, Hardworking, 2023, HD-Video, projiziert auf eine speziell angefertigte schräge und gebogene Holzleinwand, 320 x 180 cm (Leinwand) Dauer: 12:43 min, Ausstellungsansicht: Tao Hui, We, Entertainment, Esther Schipper, Berlin, 2023, Courtesy der Künstler und Esther Schipper, Berlin/ Paris/Seoul, Foto © Andrea Rossetti
Tao Hui wurde 1987 in Yunyang, Chongqing, China, geboren. Er erhielt seinen BFA vom Sichuan Fine Arts Institute im Jahr 2010. Er lebt und arbeitet derzeit in Peking. Im Jahr 2015 wurde Tao Hui mit dem Großen Preis des 19. Festivals für zeitgenössische Kunst Sesc_ Videobrasil: Southern Panoramas, São Paulo, und den Art Sanya & Huayu Youth Award, Sanya, China. Im Jahr 2017 wurde Tao Hui mit dem HUGO BOSS ASIA ART: Award for Emerging Asian Artists. Im Jahr 2019 wurde Tao Hui in die engere Auswahl für den ersten Sigg-Preis des M+ Museums in Hongkong aufgenommen.
Zu den institutionellen Einzelausstellungen des Künstlers gehören: Searing Pain, Aranya Art Center, Qinhuangdao (2022); Not at all, OCAT Xi’an, Xi’an (2017); New Directions: Tao Hui, UCCA, Peking (2015), sowie die Gruppenausstellungen und Projekte: NGV Triennial, National Gallery of Victoria, Melbourne (2023); Cosmos Cinema, 14th Shanghai Biennale, Shanghai (2023); Motion Is Action: 35 Years of Chinese Media Art, By Art Matters, Hangzhou (2023); Bordercrossing: Möglichkeiten und Wechselwirkungen, YUZ Museum, Shanghai (2023); Projektion, Sifang Art Museum, Nanjing (2023); ON | OFF 2021: Carousel of Progress, He Art Museum, Shunde (2022); The Elephant Escaped, Macalline Art Center, Beijing (2022); Refrigerator Illusion, Asia Culture Center, Gwangju (2021).
Tao Hui Mandala, 2023 Glitter, 110 x 110 cm, Ausstellungsansicht: Tao Hui, We, Entertainment, Esther Schipper, Berlin, 2023, Courtesy der Künstlerin und Esther Schipper, Berlin/ Paris/Seoul, Foto © Andrea Rossetti
Seine Arbeiten sind in den Sammlungen von: Kadist Foundation, San Francisco; Fondation Louis Vuitton, Paris; Louisana Museum of Modern Art, Kopenhagen; National Gallery of Victoria, Melbourne; The National Museum of Modern and Contemporary Art – MMCA, Seoul; K11 Foundation, Hongkong; M+ Museum, Hongkong; Sunpride Foundation, Hongkong; New Century Art Foundation, Peking; China Red Star Foundation, Peking, und De Ying Foundation, Shanghai.
Text Von David Ulrichs.
Vernissage: Freitag, 15. Dezember 2023, 18:00 – 21:00 Uhr
Ausstellungsdaten: Freitag, 15. Dezember – Samstag, 27. Januar 2024
Zur Galerie
Bildunterschrift Titel: Tao Hui, The Fall (Green), 2022, Silica gel, fiber glass, metal, paint, 65 x 95 x 22 cm (25 5/8 x 37 3/8 x 8 5/8 in) (tail) 398 cm (overall width), Exhibition view: Tao Hui, We, Entertainment, Esther Schipper, Berlin, 2023, Courtesy the artist and Esther Schipper, Berlin/ Paris/Seoul, Photo © Andrea Rossetti
Ausstellung Tao Hui – Esther Schipper | Zeitgenössische Kunst in Berlin | Contemporary Art | Ausstellungen Berlin Galerien | ART at Berlin
