bis 13.04. | #4193ARTatBerlin | WENTRUP präsentiert ab 14. März 2024 die Ausstellung Knirsch des Künstlers Jan-Ole Schiemann.
In seiner dritten Einzelausstellung bei Wentrup präsentiert Jan-Ole Schiemann neue Gemälde, die eine Fortführung seines jüngsten Werkzyklus darstellen. Den Ausgangspunkt bilden die beiden großformatigen Leinwände BigDataCorrupter und ContourBoostWust (beide 2023), die zuletzt in seiner musealen Einzelausstellung „WAH WAH“ in der Neuen Galerie Gladbeck zu sehen waren. Nun nehmen sie in Berlin eine zentrale Rolle ein.
Schablonen, Acrylfarbe, Ölkreide, Kohle oder Tusche – das sind die Werkzeuge, mit denen Jan-Ole Schiemann seine oft großformatigen Gemälde schafft, die sich zwischen gestischer Abstraktion und organischer Figuration bewegen. Durch die Überlagerung verschiedener Ebenen entsteht eine nicht greifbare Tiefe auf der Leinwand. In den letzten Jahren ist es dem Künstler gelungen, ein ganz eigenes formales Vokabular für seine Gemälde zu entwickeln, das die Kunstkritikerin Estelle Hoy als „visuelles Scatting“ bezeichnet und der Kunsthistoriker Philipp Fernandes do Brito mit „musikalischem Sampling“ vergleicht. In der Musik ist „Scatting“ der improvisierte Gesang von rhythmisch und melodisch aneinandergereihten Silbenfolgen ohne Wortbedeutung oder kohärenten Sinn. Lautmalerische Instrumentalphrasen werden improvisatorisch imitiert und in verschiedenen Partituren übereinander geschichtet. Eine stimmliche Rebellion, die einzigartig und unwiederholbar ist. Schiemann macht sich diese Form zu eigen und übersetzt sie mit seinem technischen und künstlerischen Geschick ins Visuelle. Tonale Nuancen, geschichtete Acrylfarben, fließende Farbflächen und manchmal ein Wirbelwind aus Ölstift. In den Bildern schwingt eine gedankliche Verknüpfung von Klängen mit, ein assoziatives Klangrepertoire, das Schiemann sichtbar zu machen versucht und ihm damit eine analoge Struktur gibt. Oft verweisen die Titel der Arbeiten auf musikalische Elemente – wie BigDataCorrupter und ContourBoostWust, die auf den Namen von Effektpedalen basieren. Schiemann bedient sich eines musikalisch-akustischen Denkens, um letztlich beschreiben zu können, was in seinem Werk passiert.
Bildunterschrift: Jan-Ole Schiemann, BigDataCorrupter, 2023 (Detail)
Photo: Jana Buch
Während frühere Arbeiten eher verdichtet waren, so dass die Leinwand nicht mehr sichtbar war, öffnen sich die Gladbecker Bilder und werden übersichtlicher und exponierter. Sie lassen die rohe, helle Leinwand zum Vorschein kommen. Schiemann verfolgt einen klaren, strukturierten Ansatz. Mit Hilfe von Farbstreifen in zarten rosa-violetten Tönen im oberen und unteren Drittel der hochformatigen Leinwand entsteht ein Querformat in der Mitte. Hier passiert „alles“ – wilde, organische Formen in Schwarz ziehen sich über dieses helle Fenster, das an seine Tuschezeichnungen erinnert. Die für die Berliner Ausstellung neu entstandenen Gemälde greifen dieses Farbkonzept auf, ebenso wie einzelne Formen und Elemente aus Gladbeck. Auch hier wird die rohe, helle Leinwand teilweise freigelegt, doch insgesamt wirken die Kompositionen dichter und farbintensiver.
Begleitet wird die Ausstellung von einem völlig neuen Werk, das Schiemanns Interesse an unterschiedlichen Materialien offenbart: den Wabenpappen-Bildern. Diese Bilder scheinen die Charakteristika seiner Leinwände und Papierarbeiten zu vereinen, die sich bereits in seinem Oeuvre manifestieren. Sie greifen die formalen Aspekte seiner surrealen Kompositionen und expressiv-abstrakten Formen sowie die Größe der Gemälde auf; gleichzeitig sind sie durch ihre Materialität und Oberfläche dem Medium Papier näher, was dem Künstler einen anderen Zugang zum Werk ermöglicht und den Malprozess verändert.
Die Ausstellung „KNIRSCH“ gibt einen Einblick in das sich ständig weiterentwickelnde Oeuvre von Jan-Ole Schiemann, der mit seinem einzigartigen Vokabular zu einem wichtigen jungen Maler seiner Generation geworden ist und den Kanon der zeitgenössischen abstrakten Malerei zweifellos beeinflusst hat.
Bildunterschrift: Jan-Ole Schiemann, ContourBoost&Wust, 2023
Ink, acrylic and oil paint on canvas, 260 x 230 cm | 102 1/4 x 90 1/2 in
Photo: Jana Buch
Jan-Ole Schiemann (*1983 in Kiel) studierte an der Kunsthochschule Kassel und der Kunstakademie Düsseldorf. Er lebt und arbeitet in Köln.
Zuletzt war seine Einzelausstellung „WAH WAH“ im Museum Neue Galerie Gladbeck zu sehen.
Weitere Einzel- und Gruppenausstellungen fanden statt in der Kunst-Station, Wolfsburg, DE | Kunstverein Heppenheim, DE | Museum of Contemporary Art, Antwerpen, BE | Kunstverein Aachen, DE | Wentrup, Berlin, DE | Almine Rech, Brüssel, BE | Paul Kasmin Gallery, New York, US | Nino Mier, Los Angeles, US / Brüssel, BE / Köln, DE / Marfa, US | Choi & Lager Gallery, Seoul, KR.
Jan-Ole Schiemanns Gemälde befinden sich in den folgenden Sammlungen: Bronx Museum, New York, US | Craig Robins Collection, Miami, US | Hort Family Collection, New York, US | The Marciano Collection, Los Angeles, US | MOCAD Museum of Contemporary Art Detroit, US | Museum of Contemporary Art Detroit, US | Oetker Family Collection, Berlin, DE | r/e collection, ES | Rubell Family Collection, Miami, US | The Margulies Collection, Miami, US.
Vernissage: Donnerstag, 14. März, 18:00 – 20:00 Uhr
Ausstellungsdaten: Donnerstag, 14. März bis Samstag, 13. April 2024
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Bildunterschrift Titel: Jan-Ole Schiemann, BigDataCorrupter, 2023, Ink, acrylic and oil paint on canvas, 260 x 230 cm | 102 1/4 x 90 1/2 in Photo: Jana Buch
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