bis 15.06. | #4277ARTatBerlin | Galerie Esther Schipper zeigt ab 26. April 2024 die Ausstellung spring show der Künstlerin Ann Veronica Janssens.
Esther Schipper präsentiert ab Freitag, 26. April 2024 die Ausstellung spring show, Ann Veronica Janssens‘ sechste Einzelausstellung in der Galerie. Nur ein Jahr nach der gefeierten Einzelpräsentation der Künstlerin im Mailänder Pirelli HangarBicocca bringt die spring show eine breite Palette neuer und historischer Werke von Janssens zusammen.
Seit den späten 1970er Jahren hat Janssens eine künstlerische Praxis entwickelt, die auf Licht, Farbe und natürlichen optischen Phänomenen basiert. Sie experimentiert kontinuierlich mit den charakteristischen Eigenschaften sorgfältig ausgewählter Materialien (Glas, Spiegel, Aluminium, künstlicher Nebel), Formen und Licht, wobei sie unsere Wahrnehmung der Realität als ihr Medium einsetzt. Ihre Werke erwecken den Eindruck großer Einfachheit und schaffen doch lebendige Erfahrungen des Sehakts. Mit ihrem Gefühl der ständigen Verwandlung schärfen die Werke das Bewusstsein des Betrachters für die Veränderlichkeit und Vergänglichkeit der menschlichen Wahrnehmung.
Durch die sorgfältige Anordnung der Werke materialisiert die spring show auf subtile Weise den leeren Raum zwischen ihnen. Janssens‘ „performative Skulpturen“ verlangen vom Betrachter, dass er sich bewegt, um sie vollständig zu erleben. Jede hat ihren eigenen Erfahrungsrhythmus, als ob sie vom Besucher eine Reihe von Gesten verlangt, um ihre Essenz zu erschließen. Wir blicken in die Blöcke aus optischem Glas und neigen den Kopf, um das in ihrem Inneren eingefangene Licht zu sehen, oder wir gehen vor den Tafeln mit zerbrochenem Sicherheitsglas hin und her, um ihre kaleidoskopischen Farben und leuchtenden räumlichen Effekte zu betrachten. Wenn wir unsere Bewegung zurückverfolgen, um eine Farbe oder einen Effekt wieder einzufangen, und feststellen, dass er sich verändert hat und nicht reproduzierbar ist, wird der Akt des Betrachtens und die Einzigartigkeit jeder Erfahrung zum Mittelpunkt der spring show.
Die Aufforderung zur Interaktion wird durch Swings noch deutlicher, die uns einladen, uns hinzusetzen und zu spüren, wie die Luft an unserem Gesicht vorbeirauscht, wobei wir gleichzeitig die Materialität und die Transparenz der Luft erfahren. Die Sitzfläche der Schaukel ist mit einer hitzereaktiven Folie überzogen, die auf die Wärme des Körpers reagiert, und die regenbogenfarbenen Spuren werden Teil der Skulptur, bevor sie langsam wieder verschwinden. Die Bewegung hat auch einen mnemotechnischen Aspekt: Sie führt uns zurück in die Kindheit und die Freude an den schwindelerregenden Effekten der Orientierungslosigkeit. Die natürliche Welt, gefangen in einer Dialektik von Abstraktion und Figuration, ist das Thema von Atlantic. Ein Stapel von neun gehämmerten Glasscheiben, der in seiner eleganten Einfachheit charakteristisch ist, erinnert sofort an seinen Namensgeber und damit an die hypnotische Ruhe beim Betrachten des Meeres.
Werke aus der Serie Structural Color, Platten aus geripptem Glas, die mit einer ausgeklügelten bio-chemischen Nanofilmbeschichtung überzogen sind, die rätselhafte Formen und Farben in einem Spektrum erzeugt, das breiter ist als das von Pigmenten, zeugen von Janssens unermüdlicher Experimentierfreude. Das in Zusammenarbeit mit Dr. María Boto Ordóñez, wissenschaftliche Forscherin am KASK/School of Arts der Universität Gent, entwickelte Verfahren erzeugt mikroskopisch kleine Strukturschichten, die mit sichtbarem Licht interferieren. Die Zartheit des Werks ähnelt dem Flügel eines Schmetterlings, wo diese Art von Farbe in der Natur vorkommt. Jede direkte Berührung zerstört die mikroskopische Struktur, die die Wahrnehmung der schillernden Farben hervorruft; die Verletzlichkeit des Objekts ist ein weiteres wichtiges wiederkehrendes Thema in Janssens‘ Praxis. Gleichzeitig lenkt Structural Color die Aufmerksamkeit auf die Einzigartigkeit und Wandelbarkeit, die in unserer Wahrnehmung liegt: Mit jedem Blick erscheinen Farbmodulationen und Formen verwandelt, jeder Blick ist einzigartig und unwiederbringlich.
Janssens‘ Betonung des gegenwärtigen Augenblicks und der Vergänglichkeit der Wahrnehmung geht einher mit einem Hauch von Unveränderlichkeit und Kraft. Glas ist schließlich leicht zu zerbrechen, aber auch unglaublich stark und haltbar. Seine Schönheit birgt ein Element der Gefahr in sich. Das zerbrochene Sicherheitsglas von Magic Mirror Chill Saphire verkörpert dies ebenso wie die ihm innewohnende Dichotomie einer kontrollierten Zerstörung, eines Musters aus Tausenden von winzigen zufälligen Brüchen, die sich auf eine einzige Aktion zurückführen lassen. Untitled, ein neues Werk aus der Serie der mit Blattgold überzogenen Objekte des Künstlers, bringt diese Spannung sehr schön auf den Punkt: Untitled besteht aus vergoldetem Moskitonetz und kann als komplexe Reflexion über das zeitgenössische Leben und die Ökologie verstanden werden. Das Netz, ein Material, das zur Abwehr von Plagegeistern, aber auch von Krankheiten verwendet wird, ist mit einer Substanz überzogen, die mit ihrem sonnigen Glanz sowohl die Wärme der Energie als auch ihre potenziell zerstörerische Kraft darstellt. Das Werk macht die Bewegung der Luft sichtbar, da es sanft von der Brise belebt wird (die vielleicht von einem anderen Besucher erzeugt wird, der in der Nähe durch den Raum schwingt), und damit wird mit subtiler Schönheit die Verbindung zwischen allen Dingen, allen Wesen zu jedem Zeitpunkt deutlich.
Ausstellungsdaten: Freitag, 26. April bis Samstag, 15. Juni 2024
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Bildunterschrift Titel: Ann Veronica Janssens, spring show, Courtesy Esther Schipper
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