post-title Kerstin Honeit | Talking Business | Galerie cubus-m | 29.08.–10.10.2015

Kerstin Honeit | Talking Business | Galerie cubus-m | 29.08.–10.10.2015

Kerstin Honeit | Talking Business | Galerie cubus-m | 29.08.–10.10.2015

Kerstin Honeit | Talking Business | Galerie cubus-m | 29.08.–10.10.2015

bis 10.10. | #0149ARTatBerlin | cubus-m freut sich, vom 29. August bis 10. Oktober 2015 mit ‚Talking Business‘ die zweite Einzelausstellung der Künstlerin Kerstin Honeit in der Galerie zu präsentieren.

Kerstin Honeit setzt sich in ihren Videoarbeiten, Installationen und Performances mit gesellschaftlichen, sozialen und genderpolitischen Fragestellungen auseinander. Zentrales Element ihrer Arbeiten ist die Erforschung der medialen Inszenierung hegemonialer Bildwelten. Sie untersucht die Technik der Filmsynchronisation sowie des Lip Syncing, bei der die Lippen zu einem gesprochenen Text bewegt werden, und hinterfragt die Kohärenz von Körper und Stimme, die Konstruktion von Figuren, Stereotypen und Identitäten.

In ihrer neuen Arbeit ‚Talking Business‘ (2015) widmet sie sich insbesondere der Wiederaufführung und Dopplung im Synchronprozess. In enger Zusammenarbeit mit den beiden Synchronsprecherinnen Ursula Heyer und Gisela Fritsch sammelte sie über einen Zeitraum von zwei Jahren Material zum Thema Filmsynchronisation. Die beiden Schauspielerinnen verliehen vor 30 Jahren den fiktiven Charakteren Krystle Carrington and Alexis Carrington Colby aus der Serie ‚Denver Clan‘ ihre deutschen Stimmen und damit eine Identität, die mit ihren Körpern nicht in Verbindung stand.

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Das Drama beginnt mit dem Skript. Aus der Vogelperspektive sehen wir, wie die Hände einer Frau zwei Skripte für Talking Business auf einem grauen Tisch ablegen, bevor sie sich daneben auf den Tisch setzt. Ihr Gesicht ist nicht sichtbar. An die Stelle des Klangs ihrer Handlungen und des hochverstärkten Studiosounds rückt pompöse Musik, wie sie typischerweise dramatische Momente im Film oder Fernsehen begleitet. Black out. Neue Szene, andere Projektionswand. Gleiche Musik. Aus der Halbnahen wird der Tisch nun in einem Studiosetting situiert: Greenscreen, auffallende weiße Scheinwerfer und eine kleine, tragbare Projektionsleinwand im Hintergrund. Die Frau, die in einem blau-violett farbigen Overall am Tisch sitzt, liest, von der Kamera abgewendet, eines der Skripte. Sie wird begleitet von einer zweiten Person, eine elegante Frau in schwarzem Anzug und mit dünnem schwarzen Schlipps, die am Tisch sitzt und ebenfalls das Skript liest. Die Musik geht über in einen Dialog zwischen zwei Frauen; die Soundqualität der Aufnahme erinnert an einen Film- oder Fernsehsoundtrack. Die Stimme der älteren Frau drückt Unsicherheit darüber aus, wie die andere Frau anzusprechen sei. „Mrs Carrington“ ist der Name der Hinzugekommenen, wie dem weißen Text vor schwarzem Hintergrund auf der ersten
Projektionswand zu entnehmen ist, der als eine Art verschobener Untertitel bzw. verschobene Übersetzung für den mündlichen Austausch dient. Dieser Text wird im Karaoke-Stil fortschreitend hervorgehoben, so dass wir ihn mitsprechen oder lautlos mit unserem Lippen nachformen können und damit teilhaben können an dem sich entwickelnden Drama zwischen dem Skript und den Frauen, zwischen dem geschriebenen und dem gesprochenen Wort. Zum Zeitpunkt an dem die dritte Projektionswand aktiviert wird und das Studiosetting wiederkehrt – dieses Mal leer bis auf ein projiziertes Bild der
Begegnung der Frauen auf der hinteren Leinwand –, ist langsam deutlich geworden, dass sich Kerstin Honeits dreiteilige Videoinstallation Talking Business (2015) vielmehr dem Geschäft des Sprechens als dem Sprechen über Geschäfte widmet.

Talking Business spielt auf das spannungsgeladene initiale Treffen von Alexis Carrington Colby (Joan Collins) und Krystle Carrington (Linda Evans) in der ersten Episode der zweiten Staffel der TV-Serie Dynasty (dt.: Der Denver Clan) aus der Reagan-Ära an. Doch Honeit bewahrt uns vor dem Spektakel des berühmten Zickenkriegs, der die Beziehung der beiden Frauen auszeichnet, die Einschaltquoten sicherte und Alexis und Krystle einen Platz in dem Camp-Archiv von Drag-Personifikationen garantierte. Stattdessen unterzieht sie der Szene dieses ersten Treffens auf clevere Art und Weise einer Reihe von Verschiebungen, von einer Projektionswand zur nächsten, von Deutsch zu Englisch und – am beeindruckendsten – von der Vortäuschung Onscreen hin zur emotionalen Bindung im Off.

Letzteres wird in Honeits Dynasty vor allem durch Gisela Fritsch und Ursula Heyer bestimmt, den Schauspielerinnen, die ihre Stimmen den Charakteren von Alexis und Krystle für die deutsche Synchronisation der Serie verliehen. In enger Zusammenarbeit mit den zwei Sprecherinnen in ihren Siebzigern – Gisela Fritsch verstarb traurigerweise noch während der Kollaboration – kitzelt Honeit die Spannung zwischen dem Sprechen und dem Spielen einer Rolle heraus, zwischen dem Synchronisieren von glamourösen Frauen und ihrer Verkörperung.

An einem Punkt während der Proben mit Honeit reflektiert Heyer über die Selbstbestimmung, die sie durch eine von Alexis geborgte Phrase für den Gebrauch in ihren täglichen Leben erfuhr: „Ich dachte, dass ich, wenn ich meine eigenen Worte verwende, es nicht schaffe werde, Leute mitzureißen. Aber wenn ich einen Satz wie ‚Bevor ich noch einmal zu dir komme wird es in der Hölle schneien‛ sage, dann lachen die Leute.“ „Du warst immer so viel mehr Alexis als ich Krystle war“, bemerkt Fritsch. Talking Business ist ein weiterer Beitrag zu Honeits fortlaufender künstlerischen Auseinandersetzung mit der Stimme, der Verkörperung und den Techniken audio-visueller Synchronisation. Man denke beispielsweise an ihre frühere Installation On and Off (2010) und Pigs in Progress (2013). Doch während diese Arbeiten Honeits eigenen Körper als den Ort der Synchronisation einsetzten – dem Raum von dem aus ein sozialer und politischer
Diskurs spricht – fokussiert Talking Business stattdessen auf die Körper professioneller Schauspielerinnen, die vorranging durch ihre Stimmen bekannt sind. Honeit ist natürlich dennoch auch in Talking Business immer noch sichtbar. Sie ist die elegante Frau in der zuvor erwähnten Einstellung, der aus früheren Arbeiten wiedererkennbare Dandy. In dem Studiosetting synchronisiert sie sich sogar selbst ausgehend von früherem Probenmaterial mit den Schauspielerinnen. Im Verlauf des Stücks funktioniert sie jedoch wie eine Art Moderatorin, was es Heyer und Fritsch ermöglicht, ihre Stimmen nicht mehr
nur den für die berühmten Fernsehstars geschriebenen Worten zu verleihen, sondern auch denjenigen, die ihre eigene konfliktbehaftete Beziehung zur weiblichen Verkörperung und medial vermittelter Präsenz beschreiben.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Talking Business sich nicht darum bemüht, irgendeine Art von demystifiziertem echten Leben zu präsentieren, dass durch die Fiktionen eines Skripts oder der industriellen und technischen Produktion des Glamours verdeckt wurde. Worum es Honeit vielmehr geht, ist ein kritisches Aufdecken der „Technologien des Gender“, um ein Konzept der Filmtheoretikerin Teresa de Lauretis aufzurufen. Deutlich wird dies in einem der für mich ausdrucksstärkten Momente in dieser neuen Arbeit: wir hören eine Audioaufnahme von Heyers klangvoller Stimme als die manierierte Alexis und sehen zur gleichen Zeit Archivmaterial von der Verwandlung der Schauspielerin in Joan Collins unter der Hand eines Haar- und Makeup-Künstlers. Zugleich sieht man auf einer anderen Projektionswand das Bild eines laufenden Tonbandgeräts auf Heyers Zeitungspapierausschnitten über ihr Leben als Carrington/Collins. Honeits Synchronisation von Sound und Bild über diese Projektionswände hinweg rückt die medial vermittelte und diskursive Konstruktion einer geteilten weiblichen Subjektivität in den Fokus, entstanden an den Schnittstellen von Repräsentation und Selbstrepräsentation, an den Kreuzungen von sozialer Technologie, institutionellen und kritischen Diskursen und medialer Praxis.
Und die dritte Projektionswand? Die ist reserviert für Amateure wie uns, um mitzulesen und sich mit unseren eigenen Akten der Synchronisation auseinanderzusetzen, wie auch immer das angelegt oder – im Rahmen einer kommerziellen Galerie – eingeschränkt sein möge. Honeits Geste hin zur Interaktivität bezieht Ausstellungsbesucher_innen nicht zwangsläufig in das „Geschäft des Sprechens“ ein, gibt uns aber ganz sicher die Möglichkeit zu erfahren, wie seltsam, entfremdend und bekräftigend es sich anfühlen kann, die Worte der Stars in unseren eigenen Mund zu nehmen. (Text: Marc Siegel)

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Kerstin Honeit (*1977, Berlin) studierte Bildende Kunst und Bühnenbild an der Kunsthochschule Weißensee (2003-2010). 2014 erhielt sie das Arbeitsstipendium Bildende Kunst des Berliner Senats. 2011 war sie Teilnehmerin des Berliner Postgraduiertenseminars Goldrausch Künstlerinnenprojekt art IT. Zuletzt waren ihre Arbeiten u.a. zu sehen: Videonale 15, Kunstmuseum Bonn (2015); Kurzfilmtage Oberhausen (2014); Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden (2014); Sonntag, Berlin (2014); Les Complices, Zürich (2013); Site Gallery, Sheffield (2013); cubus-m, Berlin (2013); Meter Room, Coventry (2012); Gallery 400, Chicago (2011); The City College of New York (2011), Elles Tournent, Brüssel (2009); Kunstraum Kreuzberg / Bethanien, Berlin (2009).

Kerstin Honeit lebt und arbeitet in Berlin.

Der Artist Talk mit Kerstin Honeit und Marc Siegel findet am Mittwoch, 30. September 2015, 18:30 Uhr statt.

Vernissage: Freitag, 28. August 2015, 19 Uhr.

Ausstellungsdaten: Samstag, 29. August bis Samstag, 10. Oktober 2015

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Bildunterschrift: Kerstin Honeit: Talking Business (still), 2015; 3-Kanal-HD-Videoinstallation, Farbe, Ton, 13 min, Loop; ©: Kerstin Honeit, VG Bild-Kunst, Bonn

Kerstin Honeit – Galerie cubus-m – Kunst in Berlin ART@Berlin

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